Amsterdam – Die intravenöse Gabe des Anti-Amyloid-Antikörpers Donanemab alle 4 Wochen konnte in einer Studie mit mehr als 1.700 Patienten mit früher Alzheimer-Erkrankung den Verfall der kognitiven Leistung und Probleme bei der Verrichtung von Alltagsaktivitäten gegenüber einem Placebo statistisch signifikant verlangsamen [1,2].
Über den Studienzeitraum von 1,5 Jahren entsprach dies in etwa einem Gewinn von 4 Monaten. Zudem konnte bei etwa 30% der Patienten unter Donanemab nach einem halben Jahr eine erhebliche Verringerung der Amyloidlast nachgewiesen werden, was eine Therapiepause ermöglichte.
Amyloid als Zielstruktur der Alzheimer-Therapie
Zum Hintergrund: Seit die Ablagerung von Amyloid bei der Pathogenese der Alzheimer-Erkrankung erkannt wurde, gab es zahlreiche Versuche, das Fortschreiten der Demenz durch die Beseitigung dieser Plaques zu verzögern.
Erst in den letzten 2 Jahren waren die Ergebnisse klinischer Versuche jedoch hinlänglich überzeugend, um zunächst trotz starker Kritik den Antikörper Aducanumab in den USA zuzulassen. Kürzlich folgte Lecanemab. Im Rahmen der Alzheimer's Association International Conference (AAIC) 2023 haben Forscher auch Daten zu Donanemab, dem bislang 3. Antikörper, vorgestellt und in JAMA publiziert.
Forscher rekrutieren Patienten mit früher symptomatischer Alzheimer-Erkrankung
Es handelt sich um eine randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie der Phase 3 mit 1.736 Teilnehmern aus 277 Zentren in 8 Ländern. Ziel war die Prüfung der Wirksamkeit und Sicherheit des monoklonalen Antikörpers Donanemab bei früher symptomatischer Alzheimer-Erkrankung über 18 Monate hinweg.
Eingeschlossen wurden Patienten mit…
leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI),
Alzheimer mit leichter Demenz,
einem Wert zwischen 20 und 28 bei der Mini-Mental State Examination (MMSE),
einem Alter zwischen 60 und 85 Jahren,
einem Nachweis von Amyloid-Ablagerungen ≥ 37 Centiloids im PET-Scan,
einer niedrig/mittleren oder starken Tau-Pathologie.
Die Centiloid-Skala ist eine Maßeinheit zur Quantifizierung der Amyloid-Belastung im Gehirn, insbesondere bei Alzheimer-Patienten. Sie wurde entwickelt, um die Amyloid-PET-Bildgebung zu standardisieren und die Ergebnisse zwischen verschiedenen Studien und Forschungseinrichtungen vergleichbar zu machen.
Die Patienten (Durchschnittsalter 73,0 Jahre, 57,4% weiblich) erhielten 76 Woche lang alle 4 Wochen intravenös Donanemab oder Placebo. Primäres Studienziel unter 24 erfassten Parametern war die Veränderung des iADRS-Wertes von Studienbeginn bis Woche 76, getrennt erfasst für Patienten mit niedrigen/moderaten Tau-Werten und für die Gesamtpopulation.
Der iADRS-Wert wiederum errechnet sich aus 13 kognitiven Komponenten der Alzheimer Disease Assessment Scale (ADAS-Cog13) und Aktivitäten des täglichen Lebens gemäß der Alzheimer Disease Cooperative Study (ADCS-iADL).
Signifikanter Effekt unter der Pharmakotherapie
Von 1.736 randomisierten Teilnehmern beendeten 1320 (76%) die Studie.
Beim primären Studienziel verschlechterten sich Patienten mit niedriger/moderater Tau-Last unter Verum binnen 76 Wochen um 6,02 Punkte (95%-Konfidenzintervall -7,01 bis -5,03) gegenüber 9,27 Punkten unter Placebo (-10,23 bis -8,31). Der Unterscheid von 3,25 Punkten hatte ein 95%-KI von 1,88 bis 4,62 und war statistisch signifikant (p<0,001).
Auch in der Gesamtpopulation verschlechterte sich das Krankheitsbild unter Donanemab langsamer als unter Placebo. Hier betrugen die Werte -10,2 gegenüber -13,2. Die Differenz von 2,92 Punkten hatte ein 95%-KI von 1,51 bis 4,33 und war ebenfalls statistisch signifikant (p<0,001).
Auf der Clinical Dementia Rating Scale (CDR-SB) mit 0 bis 18 Punkten verschlechterten sich die weniger stark mit Tau belasteten Patienten unter Donanemab um 1,20 Punkte gegenüber 1,88 Punkte unter Placebo. In der Gesamtpopulation waren es 1,72 versus 2,42 Punkte – ein statistisch signifikanter (p<0,001) Unterschied von 0,7 Punkten.
In der Amyloid-Bildgebung zeigten sich Ödeme und Effusionen bei 24% der Verum-Empfänger – etwa 1 Viertel davon war symptomatisch. In der Placebo-Gruppe gab es dagegen nur bei 2,1% der Patienten Auffälligkeiten, aber keine Symptome.
Wie relevant sind die Ergebnisse aus klinischer Sicht?
Auch wenn statistische Signifikanz nicht mit klinischer Relevanz gleichzusetzen ist, so deutet diese Studie doch auf eine Verlangsamung des kognitiven Verfalls bei Patienten im frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit durch den Anti-Amyloid-Antikörper Donanemab. Während der 1. Vertreter dieser Klasse, Aducanumab, nach einer umstrittenen Zulassung in den USA nur selten genutzt wird, scheint das Kosten-Nutzenverhältnis für den Nachfolger Lecanemab überzeugender, wie man aus im Juli 2023 erfolgten Standardzulassung schließen darf. Zahlreiche Experten, die sich zur aktuellen Studie geäußert haben, gehen davon aus, dass auch Donanemab in Kürze diesen Status erhalten wird.
Angesichts der hohen Kosten dieser Präparate könnte ein Pluspunkt für Donanemab sein, dass es in 4-wöchigen Abständen verabreicht wurde, statt in 2-wöchigem Turnus bei Lecanemab. Darüber hinaus waren in der aktuellen Studie Therapiepausen vorgesehen, wenn die Bildgebung eine hinlängliche Clearance des Amyloids zeigte.
Fast 30% der Patienten erreichten diesen Punkt in den ersten 6 Monaten, und mehr als 75% zum Ende der Studie nach 76 Wochen. Die durchschnittliche Verzögerung der Krankheitsprogression lag rechnerisch bei etwa 4 Monaten. Dies ist in der Tat ein beachtlicher Fortschritt. Ob damit allerding eine „neue Ära der Alzheimer-Therapie“ eingeleitet wird, wie ein Editorial in JAMA titelt [3], darf bezweifelt werden.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Alzheimer: Der Antikörper Donanemab verlangsamt die Progression um 4 Monate – doch wie relevant sind die Daten? - Medscape - 24. Jul 2023.
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