Mehr als 1.000 Renten durch COVID-19; Impfstoffe für die nächste Saison; Apherese ohne Nutzen

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

20. Juli 2023

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zu COVID-19.

Corona-Newsblog, Update vom 20. Juli 2023

  • Mehr als 1000 Erwerbsminderungsrenten aufgrund von Long-/Post-COVID

  • Impfstoff-Hersteller bereiten angepasste Vakzine für Herbst und Winter vor

  • WHO: Nach Ende der Pandemie normalisieren sich Impfraten bei Kindern wieder 

  • Hohe Übersterblichkeit von Demenz-Patienten – vor allem im 1. Jahr der Pandemie

  • Impfung von Krebspatienten: Booster Shots senken die Mortalität

  • COVID-19-Pneumonie: Abatacept, Cenicriviroc oder Infliximab ohne Nutzen

  • Apherese mit CytoSorb® verbessert das Outcome bei schwerem COVID-19 nicht 

Mehr als 1.000 Erwerbsminderungsrenten aufgrund von Long-/Post-COVID

Wie viele Menschen nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 langfristig Beschwerden haben, ist unklar. Die  Rheinische Post  zitiert aktuelle Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zur Versorgung. 

In 2022 wurden laut einer Sprecherin 1.088 Erwerbsminderungsrenten im Zusammenhang mit COVID-19 bewilligt; in 2021 waren es 89. Hinzu kamen 14.035 Reha-Leistungen in Zusammenhang mit COVID-19, Stand 2021. Zahlen aus 2022 liegen noch nicht vor. 

Impfstoff-Hersteller bereiten angepasste Vakzine für Herbst und Winter vor

In der Saison 2023/2024 sollen monovalente COVID-19-Vakzine, die an XBB.1.5 angepasst sind, verimpft werden – so der Rat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und mehrerer Arzneimittelbehörden. Pharmazeutische Hersteller bereiten sich darauf vor.

Moderna hat bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) einen Zulassungsantrag für den monovalenten, an die Variante XBB.1.5 angepassten mRNA-Impfstoff Spikevax® gestellt. Vorbehaltlich der zeitnahen Zulassung sei das Vakzin ab Herbst verfügbar, heißt es in einer Pressemeldung.

Diesen Weg gehen auch BioNTech und Pfizer. Eine adaptierte Form von Comirnaty® mit mRNA-Technologie soll in der Herbst- und Wintersaison ebenfalls verfügbar sein. Ähnliche Pläne verfolgt Novavax, jedoch mit dem Protein-basierten Impfstoff Nuvaxovid®. Laut Pressemeldung verfolgt der Konzern ähnliche Pläne, hat aber noch keinen Zulassungsantrag eingereicht.

Nach Ende der Pandemie normalisieren sich Impfraten bei Kindern wieder 

COVID-19 hat dazu geführt, dass Kinder wichtige Impfungen verpasst haben. Doch leichte Besserung ist in Sicht. Neue, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und von UNICEF veröffentlichten Daten zeigen, dass im Jahr 2022 rund 20,5 Millionen Kinder 1 oder mehrere Routineimpfungen nicht erhalten haben, verglichen mit 24,4 Millionen Kindern im Jahr 2021.

Trotz dieser Verbesserung liegt die Zahl immer noch weit über dem Wert von 18,4 Millionen Kindern, die 2019 vor der Pandemie wichtige Vakzine laut WHO-Empfehlung nicht erhalten haben.

Von den 73 Ländern, die während der Pandemie erhebliche Rückgänge zu verzeichnen hatten, normalisierten sich die Zahlen bei 15 Nationen auf das vorpandemische Niveau. Weitere 24 sind auf dem richtigen Weg, während Impfquoten bei 34 Ländern stagnieren oder sogar rückläufig sind. 

Hohe Übersterblichkeit von Demenz-Patienten – vor allem im 1. Jahr der Pandemie

Eine in  JAMA Neurology  veröffentlichte Querschnittsstudie ergab einen starken Anstieg der Mortalität bei Patienten mit der Alzheimer-Krankheit und mit verwandten Erkrankungen (ADRD) zwischen März 2020 bis Februar 2021, sprich im 1. Jahr der Pandemie. Die Wissenschaftler verzeichnen zwischen März 2021 und Februar 2022 einen deutlichen Rückgang, speziell bei Bewohnern von Pflegeheimen/Langzeitpflegeeinrichtungen. 

Für ihre Veröffentlichung haben die Forscher 2.334.101 Totenscheine aus den USA analysiert. Insgesamt fanden sie 94.688 pandemiebedingte Todesfälle von Patienten mit ADRD im Jahr 1 und 21 586 im Jahr 2. Die pandemiebedingten ADRD-bedingten überzähligen Todesfälle gingen bei den Bewohnern von Pflegeheimen/Langzeitpflegeeinrichtungen zwar stark zurück, aber die Übersterblichkeit blieb hoch – mit 34.487 Todesfällen im Jahr 1 versus 28.804 im Jahr 2. 

Mit ihrer Studie identifizieren die Autoren ADRD-Patienten als vulnerable Gruppe, die besonders von Impfungen, aber auch von nicht pharmakologischen Interventionen profitiert.

Impfung von Krebspatienten: Booster Shots senken die Mortalität

Mehrere Auffrischungsdosen von COVID-19-Impfstoffen waren mit einem signifikanten Schutz bei Krebspatienten verbunden, der bei aktiv behandelten Krebspatienten und Krebsüberlebenden mindestens 5 Monate anhielt. Zu dem Ergebnis kommen Forscher in  JAMA Oncology , nachdem sie Daten einer Kohorte aus Singapur analysiert hatten. 

Das Durchschnittsalter der aktiv behandelten Krebspatienten, der Krebsüberlebenden und der Kontrollpersonen betrug 62,7, 62,9 bzw. 61,8 Jahre. Von 73.608 Krebspatienten waren 27.170 (36,9%) Männer. 

Die Inzidenzratenverhältnisse (IRR) für die 3-Dosis- und 4-Dosis-Gruppe im Vergleich zur 2-Dosis-Gruppe (Referenz) für COVID-19-Krankenhausaufenthalte und schwere Erkrankungen war sowohl während der Delta- als auch der Omikron-Welle in der Krebs- und Kontrollpopulation signifikant niedriger. 

  • IRR für schwere Erkrankungen in der 3-Dosis-Gruppe für aktiv Behandelte, Krebsüberlebende und Kontrollen: 0,14, 0,13 bzw. 0,07 während der Delta-Welle und 0,29, 0,19 bzw. 0,21 während der Omikron-Welle,

  • IRR für schwere Erkrankungen in der 4-Dosen-Gruppe während der Omikron-Welle: 0,13, 0,10 bzw. 0,10.

  • Auch 5 Monate nach der 3. Dosis und bis zu 5 Monate (Ende der Nachbeobachtungszeit dieser Studie) nach der 4. Dosis wurde kein Nachlassen der Wirksamkeit des Impfstoffs gegen Krankenhausaufenthalte und schwere Erkrankungen festgestellt.

„Diese Kohortenstudie liefert den Beweis für die klinische Wirksamkeit von mRNA-basierten Impfstoffen gegen COVID-19 bei Krebspatienten“, kommentieren die Autoren. In ihren Daten sehen sie Argumente für die Bedeutung mehrerer Auffrischungsimpfungen bei vulnerablen Zielgruppen. 

COVID-19-Pneumonie: Abatacept, Cenicriviroc oder Infliximab ohne Nutzen

Eine randomisierte, placebokontrollierte klinische Studie ergab, dass die Behandlung von Patienten mit COVID-19-Pneumonie mit Abatacept, Cenicriviroc oder Infliximab keinen statistisch signifikanten Unterschied im Vergleich zur Standardbehandlung zeigt. Darüber berichten Wissenschaftler in  JAMA .

Die Forscher schlossen 1.971 Teilnehmer in 3 Teilstudien ein. Das Durchschnittsalter lag bei 54,8 Jahren, und 1.218 (61,8%) waren Männer. 

Beim primären Endpunkt, also der Zeit bis zur Genesung von einer COVID-19-Pneumonie, unterschieden sich die Therapien nicht signifikant von Placebo. Als Verhältnis der Genesungsraten im Vergleich zu Placebo geben die Forscher an:

  • Abatacept: 1,12 (95%-KI 0,98-1,28, p=0,09), 

  • Cenicriviroc: 1,01 (95%-KI 0,86-1,18, p=0,94),

  • Infliximab 1,12 (95%-KI 0,99-1,28, p=0,08).

Die 28-Tage-Gesamtmortalität zeigte auch keine signifikanten Unterschiede zwischen Verum und Placebo:

  • 11,0% für Abatacept gegenüber 15,1 % für Placebo (OR 0,62, 95%-KI 0,41-0,94]), 

  • 13,8 % für Cenicriviroc gegenüber 11,9 % für Placebo (OR 1,18, 95%-KI 0,72-1,94),

  • 10,1 % für Infliximab gegenüber 14,5 % für Placebo (OR 0,59, 95%-KI 0,39-0,90). 

Die Sicherheitsergebnisse, einschließlich Sekundärinfektionen, waren in allen 3 Teilstudien zwischen der aktiven Behandlung und Placebo vergleichbar.

„Die Zeit bis zur Genesung von COVID-19-Pneumonie bei hospitalisierten Teilnehmern war unter Abatacept, Cenicriviroc oder Infliximab im Vergleich zu Placebo nicht signifikant unterschiedlich“, fassen die Autoren zusammen. 

Apherese mit CytoSorb® verbessert das Outcome bei schwerem COVID-19 nicht 

Die therapeutische Apherese wird bei einer Vielzahl an Erkrankungen eingesetzt, etwa zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen oder von überschießenden Immunreaktionen bei COVID-19. Oft verwenden Ärzte CytoSorb® als sogenannten sogenannter Zytokinfänger. Die Kartuschen bestehen aus einem Adsorber, um Zytokine aus dem Blut abzufangen.

Jetzt haben Wissenschaftler die Wirksamkeit dieses Verfahrens anhand einer Literaturrecherche untersucht. Sie analysierten Daten aus 34 Studien, in denen etwa 1.300 mit CytoSorb® behandelte Patientinnen und Patienten mit rund 1.300 Kontrollpersonen verglichen wurden. Ergebnisse der Meta-Analyse wurden in  Critical Care  veröffentlicht.

Von 1.295 Veröffentlichungen wurden 34 Studien eingeschlossen. Diese umfassten 1.297 mit CytoSorb® behandelte Patienten und 1.314 Kontrollen. Von den 34 in Frage kommenden Studien waren 12 randomisierte, kontrollierte Studien. Alle Beobachtungsstudien wiesen ein mäßiges bis schwerwiegendes Risiko der Verzerrung auf.

Die Cytosorb®-Intervention senkte die Mortalität nicht: (RR [95%-KI]:

  • Über alle Studien hinweg: 1,07 [0,88; 1,31],

  • bei SARS-CoV-2: 1,58 [0,50; 4,94]),

  • bei Sepsis 0,98 [0,74; 1,31], 

  • bei kardiopulmonalen Bypass-OPs: 0,91 [0,64; 1,29], 

Bei Patienten mit Herzstillstand fanden die Wissenschaftler sogar einen signifikanten Überlebensvorteil der unbehandelten Kontrollen (1,22 [1,02; 1,46]). 

Signifikanten Unterschiede bei der Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation, bei Laktatwerten oder beim IL-6-Werten nach der Behandlung gab es nicht. „Daher können wir den Einsatz von CytoSorb® in der Intensivmedizin nicht empfehlen“, kommentiert Prof. Dr. Bernhard Schmidt von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Eine Kartusche Cytosorb® schlägt mit rund 1.100 Euro zu Buche. 

Mit Hunden Long-COVID auf der Spur

Schon vor 1 Jahr haben Wissenschaftler gezeigt, dass Hunde Patienten mit Long-COVID „erschnüffeln“. Jetzt wollen sie herausfinden, welche Moleküle bei der Erkennung eine Rolle spielen. Sind es eher virale Überreste oder veränderte Stoffwechselprozesse? Die Forscher hoffen auf neue Erkenntnisse, um Pathomechanismen bei Long-COVID endlich zu verstehen. Interessierte Probanden können sich online bei der Medizinischen Hochschule Hannover melden

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Kommentar

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