Die HNO-Ärztin Dr. Anita Louise Jackson aus den USA wurde zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Sie muss 4,7 Millionen Dollar (4,2 Millionen Euro) an Medicare zurückzahlen, nachdem eine Bundesjury sie in 20 Anklagepunkten schuldig gesprochen hat. Laut Justizministerium habe sie die Gesundheit ihrer Patienten gefährdet, indem sie chirurgischen Einwegartikel mehrfach verwendet habe. Hinzu kommen Abrechnungsbetrug und Urkundenfälschung.
Die Bundesbehörden schreiben, Jackson habe von 2011 bis 2018 an ihren 3 Praxisstandorten in North Carolina fast 1.500 Ballon-Sinuplastiken an mehr als 900 Medicare-Patienten durchgeführt. Bei der Ballon-Sinuplastik öffnen Ärzte mit einem kleinen Ballon den Abfluss der Nasennebenhöhlen und sorgen für eine Druckentlastung: eine Möglichkeit, um Sinusitis minimalinvasiv zu behandeln.
Jackson hat zeitweise mit Medicare die meisten Gelder für solche Eingriffe in den gesamten USA abgerechnet. Dennoch erwarb sie zwischen 2012 und 2017 nur 36 Einweg-Dilatationsinstrumente. Anstatt für jeden Patienten ein neues Medizinprodukt zu beschaffen, verwendete Jackson bei mehreren Patienten ohne deren Wissen oder Zustimmung gebrauchte Medizinprodukte, wobei sie die Instrumente zwischen den Eingriffen manchmal nur mit Seife und Leitungswasser gereinigt hat, wie aus den Gerichtsakten hervorgeht.
Die Verurteilung erfolgte nach einer 3-wöchigen Verhandlung im Januar. Jackson gab zu, dass sie für jeden Patienten neue Medizinprodukte hätte kaufen können, dies aber nicht tat, wodurch sie wahrscheinlich mehr als 1 Million Dollar eingespart hat.
Michael Easley, US-Staatsanwalt für den östlichen Bezirk von North Carolina, sagte in einer Erklärung, dass Jacksons „eklatante Missachtung“ des Wohlergehens ihrer Patienten zu ihrer Verurteilung in mehreren Punkten geführt habe. Sie habe aus Profitgier wiederholt Infektionen riskiert.
Werbung für vermeintlich kostenlose Eingriffe
Doch damit nicht genug. Jackson bewarb endoskopische Therapien der chronischen Sinusitis als „kostenlos“, was Patienten zu der Annahme verleitet hat, Medicare würde die Leistung in vollem Umfang oder nur mit einem geringen Eigenanteil übernehmen.
Medicare begleicht jedoch nur zu 80% der Kosten. Über Eigenanteile von bis zu 1.500 US-Dollar hat die Ärztin ihre Patienten nicht informiert. Dadurch konnte sie laut Behörden Millionen Dollar von Medicare kassieren, was ihr nicht möglich gewesen wäre, wenn sie Versicherte informiert hätte. Sprich: Manche Patienten hätten sich angesichts des Eigenanteils wohl gegen die OP entschieden.
In einigen Fällen legte die Ärztin keine Aufzeichnungen an. In anderen Fällen fälschte sie Unterschriften bei Patientenakten. Manche der Aufzeichnungen hat sie zudem rückdatiert. Ziel sei gewesen, Medicare-Rechnungsprüfer zu täuschen, hieß es von offizieller Seite.
Mehrere Tatbestände erklären lange Haftstrafe
Prof. Dr. Joan Krause, Professorin an der University of North Carolina at Chapel Hill School of Law, erklärte gegenüber Medscape, dass die vielen Anklagen gegen Jackson wahrscheinlich zu ihrer langen Haftstrafe beigetragen hätten. Krause war an dem Fall nicht beteiligt.
„Jedes der verletzten Gesetze, insbesondere das Erschleichen von Leistungen, bringt eine ziemlich hohe Mindeststrafe mit sich, so dass mir dies … nicht völlig abwegig vorkommt“, sagte sie. Einige der Strafen könnten auch gleichzeitig verhängt werden.
Der Anklageschrift zufolge wird auf Abrechnungsbetrug eine Höchststrafe von 20 Jahren Gefängnis verhängt. Auf das Unterlassen der Einziehung von Eigenanteilen steht eine Strafe von 10 Jahren. Hinzu kommen 5 Jahren für falsche Angaben gegenüber Dritten. Die Verwendung ungeeigneter Medizinprodukte und Falschaussagen können mit 3 bzw. 2 Jahren Haft geahndet werden.
Jackson war zuvor in einen Rechtsstreit mit Blue Cross and Blue Shield of North Carolina wegen überhöhter Zahlungen verwickelt. Sie reichte eine Gegenklage gegen den Versicherer ein, bevor sich die beiden Parteien außergerichtlich einigten.
Das endgültige Urteil über die Rückerstattung wird in 90 Tagen erwartet, was Patienten von Jackson Zeit gibt, Schadensersatzansprüche beim Gericht geltend zu machen.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf www.medscape.com.
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Photographer: © Fukume
Lead image: Dreamstime.com
Medscape Nachrichten © 2023
Diesen Artikel so zitieren: Abrechnungsbetrug und Verstoß gegen Hygienevorschriften: US-Gericht verurteilt HNO-Ärztin zu 25 Jahren Haft - Medscape - 19. Jul 2023.
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