Herz schützen? Große Studie zeigt, dass diese Diät das Herz-Kreislauf-Risiko reduziert – sogar fette Milchprodukte erlaubt

Marilynn Larkin

Interessenkonflikte

17. Juli 2023

Ein spezielles Ernährungsprogramm, das größere Mengen bestimmter Lebensmittelkategorien enthält, scheint vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und vorzeitigem Tod zu schützen. Dies zeigt eine im European Heart Journal veröffentlichte Studie [1]. Erstautor ist Dr. Andrew Mente vom Population Health Research Institute der McMaster University, Hamilton, Ontario, Kanada.

Die Diät enthält neben Obst, Gemüse, Nüsse, Hülsenfrüchte und Fisch auch Vollmilch und Vollmilchprodukte: ein großer Unterschied zu anderen kardioprotektiven Diäten.

Auswertung mehrerer Studien

Die Analyse basiert auf der internationalen Prospective Urban and Rural Epidemiological (PURE)-Studie. Hinzu kommen Daten aus 5 weiteren internationalen Studien, an denen mehr als 240.000 Menschen teilgenommen haben.

Aus den in der PURE-Studie beobachteten Ernährungsmustern und klinischen Ereignissen wurde ein Punktesystem für gesunde Ernährung abgeleitet und auf Populationen der anderen Studien übertragen. Höhere Punktzahlen, die einem stärkeren Verzehr der 6 Lebensmittelkategorien entsprechen, gingen mit einem deutlich geringeren Risiko für Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall einher.

Die Verringerung der Sterblichkeit und des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen war mit höheren Punktwerten assoziiert. Der Effekt war besonders ausgeprägt in Ländern mit niedrigem Einkommen.

Die Studie widerlegt zum Teil frühere Empfehlungen, fettarme oder gar fettfreie Milchprodukte gegenüber Produkten aus Vollmilch zu bevorzugen. Sie steht jedoch in Einklang mit früheren Ergebnissen der PURE-Studie, wonach das Sterberisiko bei erhöhtem Verzehr von Fetten, einschließlich gesättigten Fettsäuren, sinkt.

 
Richtlinien und politische Maßnahmen müssten jetzt aufgrund neuerer Erkenntnisse aktualisiert werden. Dr. Andrew Mente
 

Zwar existieren viele Empfehlungen, um den Verzehr von Fetten, speziell von Produkten mit gesättigten Fettsäuren, zu verringern. Doch die Autoren schreiben, es gebe kaum nationale oder internationale Strategien zur Erhöhung des Konsums schützender Lebensmittel wie Nüsse, Fisch und Milchprodukte. Diese Erkenntnis habe sich weder in der Bevölkerung noch bei Politikern bislang durchgesetzt.

„Richtlinien und politische Maßnahmen müssten jetzt aufgrund neuerer Erkenntnisse aktualisiert werden“, so Mente gegenüber Medscape. „Die Weltgesundheitsorganisation beispielsweise konzentriert sich nach wie vor hauptsächlich darauf, dass Menschen bestimmte Inhaltsstoffe wie Fett, gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz in geringeren Mengen konsumieren“, sagte er. Zwar greifen Hersteller solche Empfehlungen auf, berücksichtigen andere Nährstoffe aber kaum.

Die aktuellen Ergebnisse, so Mente, könnten genutzt werden, um sicherzustellen, dass das Verständnis in der Gesellschaft und mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand Schritt halte.

Bewertung gesunder Ernährung

Die Forscher der PURE-Studie entwickelten ihren Score für gesunde Ernährung anhand der Daten von 147.642 Personen aus der Allgemeinbevölkerung in 21 Ländern. Sie verglichen die von Probanden angegebene Nahrungsaufnahme mit den klinischen Langzeitergebnissen.

Ihr Punktesystem wies jeder der 6 Kategorien für gesunde Lebensmittel den Wert 1 zu, wenn der Konsum einer Person den Medianwert der gesamten Kohorte überstieg. Es wies Teilnehmern eine 0 zu, wenn die Aufnahme unter dem Medianwert lag. Die Gesamtpunktzahl für die gesunde PURE-Ernährung setzte sich aus der Summe der 6 Werte zusammen, wobei höhere Punktzahlen einer gesünderen Ernährung entsprechen. Die mittlere Punktzahl für die Kohorte betrug 2,95.

Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 9,3 Jahren gab es 15.707 Todesfälle und 40.764 kardiovaskuläre Ereignisse.

Ein Score von mindestens 5 Punkten im Vergleich zu 0 Punkten oder 1 Punkt war in der multivariablen Analyse mit signifikant niedrigeren Hazard Ratios (HR) für Mortalität, Myokardinfarkt und Schlaganfall verbunden:

  • Mortalität: HR 0,70 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,63-0,77, p<0,0001),

  • schwere kardiovaskuläre Erkrankungen: HR 0,82 (95%-KI 0,75-0,91, p<0,0001),

  • Myokardinfarkte: HR, 0,86 (95%-KI 0,75-0,99, p0,0014),

  • Schlaganfälle: HR 0,81 (95%-KI 0,71-0,93, p=0,0034).

Assoziationen wurden in 5 weiteren großen unabhängigen Studien untersucht, darunter in 3 prospektiven Studien mit Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen in 50 Ländern, in einer Fall-Kontroll-Studie mit Myokardinfarkt-Patienten in 52 Ländern und einer Fall-Kontroll-Studie mit Schlaganfallpatienten in 33 Ländern.

In 3 prospektiven Studien waren höhere Werte mit einer geringeren Sterblichkeit, weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen und weniger Myokardinfarkten verbunden:

  • Mortalität: HR 0,73 (95%-KI 0,66-0,81),

  • schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen: HR 0,79 (95%-KI 0,72-0,87),

  • Myokardinfarkte: HR 0,85 (95%-KI, 0,71-0,99).

In beiden Fall-Kontroll-Studien war ein höherer Ernährungsscore mit geringeren Odds Ratios (ORs) für den 1. Myokardinfarkt und für einen Schlaganfall verbunden:

  • Myokardinfarkte: OR 0,72 (95%-KI 0,65-0,80),

  • Schlaganfälle: OR 0,57 (95%-KI 0,50-0,65).

In einer auf der PURE-Kohorte basierenden Analyse führte u.a. die Einbeziehung von unverarbeitetem rotem Fleisch in den Score für gesunde Ernährung zu ähnlichen Ergebnissen, was darauf hindeutet, dass eine geringe Menge an Fleisch Teil einer gesunden Ernährung sein könne, so die Autoren.

In einer kombinierten Analyse aller prospektiven Studien waren die Ergebnisse ähnlich. Insbesondere waren Verbesserungen des Ernährungsscores um 1 Quintil mit einem signifikant verringerten Risiko für Folgendes verbunden:

  • Mortalität: HR 0,92 (95%-KI 0,90-0,93),

  • schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen: HR 0,94 (95%-KI 0,93-0,95),

  • Myokardinfarkt: HR, 0,94 (95%-KI 0,92-0,96),

  • Schlaganfall: HR 0,94 (95%-KI 0,89-0,99),

  • Tod oder kardiovaskuläre Erkrankung: HR 0,93 (95%-KI 0,92-0,94).

„Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Botschaft für Patienten dieselbe ist wie für die Allgemeinbevölkerung“, so Mente. „Essen Sie viel Obst, Gemüse, Nüsse, Hülsenfrüchte und eine geringe Menge an Fisch und Vollmilchprodukten, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Sterblichkeit zu senken.“

 
Essen Sie viel Obst, Gemüse, Nüsse, Hülsenfrüchte und eine mäßige Menge an Fisch und Vollmilchprodukten, um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Sterblichkeit zu senken. Dr. Andrew Mente
 

„Milchprodukte werden in einigen Kulturen nicht so häufig konsumiert, aber auch die Verfügbarkeit und die Kosten sind Faktoren, welche den Verbrauch bestimmen“, sagte er. Nichtsdestotrotz könne eine qualitativ hochwertige Ernährung erreicht werden, ohne Milchprodukte einzuschließen oder auszuschließen. Wichtig seien kontextspezifische Maßnahmen und Prioritäten für verschiedene Bevölkerungsgruppen, anstatt einer „one-size-fits-all“ globalen Strategie.

Mente kritisiert, bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln gehe es vor allem darum, bestimmte Inhaltsstoffe zu vermeiden. „Unsere Ergebnisse können als Grundlage für Empfehlungen verwendet werden, wie eine gesunde Ernährung weltweit aussehen sollte, und dann für jede Region … modifiziert werden.“

 
Unsere Ergebnisse können als Grundlage für Empfehlungen verwendet werden, wie eine gesunde Ernährung weltweit aussehen sollte (…). Dr. Andrew Mente
 

Außerdem seien gezielte ernährungspolitische Maßnahmen erforderlich, um die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von gesunden Lebensmitteln zu erhöhen, insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen.

Ein Blick auf biologische Mechanismen

Die aktuellen Ergebnisse der PURE-Studie „bestätigen frühere Beobachtungen überwiegend aus westlichen Ländern, dass eine geringe Aufnahme von Obst, Gemüse, Nüssen, Hülsenfrüchten und Fisch wichtige Risikofaktoren für eine schlechte Gesundheit sind“, schreibt Dr. Dariush Mozaffarian in einem begleitenden Editorial [2]. Er forscht an der Friedman School of Nutrition Science and Policy, Tufts University, Boston.

„Dies deutet darauf hin, dass die beobachteten Zusammenhänge zwischen Ernährung und Erkrankungen durch die menschliche Biologie und nicht nur durch Störfaktoren erklärt werden, was kausale Rückschlüsse auf die Bedeutung der Ernährung verstärkt.“

 
Die Ergebnisse Hinweise darauf, dass Milchprodukte, einschließlich Vollmilchprodukten, Teil einer gesunden Ernährung sein können (…). Dr. Dariush Mozaffarian
 

„Darüber hinaus liefern die Ergebnisse Hinweise darauf, dass Milchprodukte, einschließlich Vollmilchprodukten, Teil einer gesunden Ernährung sein können“, schreibt Mozaffarian. „Die neuen Ergebnisse der PURE-Studie in Kombination mit früheren Studien erfordern eine Neubewertung der … Richtlinien, Vollmilchprodukte zu vermeiden.“

Solche Studien „erinnern uns an den anhaltenden und verheerenden Anstieg ernährungsbedingter chronischer Krankheiten weltweit und an die Kraft schützender Lebensmittel, die helfen können, diese Belastungen zu bewältigen“, heißt es in dem Leitartikel weiter. „Es ist an der Zeit, dass nationale Ernährungsrichtlinien, Innovationen des privaten Sektors, staatliche Steuerpolitik und landwirtschaftliche Anreize, die Beschaffungspolitik für Lebensmittel, Kennzeichnung und andere regulatorische Prioritäten sowie lebensmittelbasierte Gesundheitsmaßnahmen mit der Wissenschaft Schritt halten.“

Nicht automatisch überragend

„Ich glaube nicht, dass Empfehlungen aufgrund dieser einzigen Studie geändert werden sollten“, kommentiert Dr. Howard D. Sesso, stellvertretender Direktor der Abteilung für Präventivmedizin am Brigham and Women's Hospital in Boston, der nicht an PURE beteiligt ist. „Aber ich begrüße den wissenschaftlichen Dialog, der sich aus jeder Studie ergeben sollte, um das, was wir glauben, zu wissen, auch zu hinterfragen“, sagt er gegenüber Medscape.

 
Ich glaube nicht, dass Empfehlungen aufgrund dieser einzigen Studie geändert werden sollten. Dr. Howard D. Sesso
 

„Im Laufe der Jahre sind viele andere Ernährungsprogramme untersucht worden, die in Beobachtungsstudien ebenfalls sehr gute Ergebnisse bei der Vorhersage des Krankheitsrisikos liefern“, weiß Sesso. „Ist PURE so viel besser? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber nicht genug, um andere Ernährungsmuster zu verwerfen, die bereits Grundlage für Ernährungsempfehlungen in den USA, Europa und weltweit sind.“

Der PURE-Score für gesunde Ernährung „scheint innerhalb der Grenzen … von Studien aus der ganzen Welt gut zu funktionieren, aber das macht ihn nicht automatisch anderen Ernährungsmustern überlegen. Der Score war nur geringfügig, aber nicht wesentlich besser als die bereits untersuchten Ernährungsmuster“, sagte Sesso.

Sesso ergänzt, dass randomisierte, kontrollierte Studien erforderlich seien, um spezifischere Bestandteile der Ernährung zu untersuchen. Dazu zählen u.a. unverarbeitetes rotes Fleisch, Vollkornprodukte und fettreiche Milchprodukte. Außerdem seien weitere Beobachtungsstudien erforderlich, um den Zusammenhang zwischen dem Score und anderen kardiometabolischen Ergebnissen zu untersuchen.

Der Beitrag wurde von Michael van den Heuvel aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der   Link   zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.
 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....