San Diego – Die American Diabetes Association (ADA) empfiehlt, Patienten mit Typ-2-Diabetes oder Prädiabetes generell auf eine Fettlebererkrankung zu screenen. Sie gibt neue Empfehlungen zur Behandlung von Menschen, welche diese Erkrankung haben oder bei denen ein entsprechendes Risiko besteht [1,2].
Bei Typ-2-Diabetes ist die Leber oft betroffen
Lebererkrankungen treten bei bis zu 70% der Menschen mit Typ-2-Diabetes auf; sie sind auch bei Menschen mit Prädiabetes und Typ-1-Diabetes, die gleichzeitig an Übergewicht leiden, häufig.
Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD) ist die häufigste Form bei Patienten mit Diabetes. Sie kann zu Zirrhose und Leberkrebs führen und ist mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tod verbunden. Zu dieser Erkrankung gehört auch die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH).
Neue Empfehlungen der ADA
„Die ADA hat erkannt, dass dies zu einem großen Problem geworden ist, weil NASH die Hauptursache für Zirrhose bei Menschen mit Typ-2-Diabetes und die Hauptursache für Lebertransplantationen in den USA ist. Wir müssen also etwas dagegen tun“, sagte Dr. Kenneth Cusi gegenüber Medscape. Er hat bei den Scientific Sessions der American Diabetes Association (ADA) 2023 eine Zusammenfassung der Neuerungen vorgestellt.
Die neue ADA-Leitlinie wurde am 24. Juni 2023 als halbjährliche Aktualisierung der ADA-Standards für die Behandlung von Diabetes im Abschnitt „Umfassende medizinische Bewertung und Beurteilung von Komorbiditäten“ veröffentlicht.
Der Endokrinologe Dr. Scott Isaacs aus Atlanta wurde um einen Kommentar gebeten. Er sagt: „Es ist erfreulich zu sehen, dass die ADA die NAFLD ... als hepatische Komplikation des Typ-2-Diabetes einstuft und jetzt die Standards of Care aktualisiert hat.“
Die neue ADA-Leitlinie steht im Einklang mit den Leitlinien anderer US-Fachgesellschaften, etwa der American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD), der American Gastroenterological Society und der American Association of Clinical Endocrinology (AACE).
Fibrose-4-Index (FIB-4) – ein Screening-Instrument für Ärzte
Die ADA empfiehlt, alle Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes oder Prädiabetes zu untersuchen, insbesondere Patienten mit Adipositas, mit kardiometabolischen Risikofaktoren oder mit kardiovaskulären Vorerkrankungen – auch bei normalen Leberenzymwerten. Menschen mit Typ-1-Diabetes, die adipös sind und/oder kardiovaskuläre Risikofaktoren haben, sollten ebenfalls auf eine NAFLD untersucht werden.
Das empfohlene Screening-Instrument ist der Fibrose-4-Index (FIB-4). Dieser berücksichtigt das Alter des Patienten, die Leberenzymwerte und die Zahl der Blutplättchen. Ein Wert von 1,3 oder höher gilt als hohes Risiko für eine klinisch signifikante Fibrose; ein Wert über 2,6 iat als sehr hohes Risiko zu bewerten.
Cusi merkte an: „Der Grund, warum wir den FIB-4 ... anstelle von Leberenzymen empfehlen, ist, dass wir jetzt wissen, dass 70% der Menschen mit Typ-2-Diabetes bereits eine Steatose und etwa einer von 5 eine Fibrose haben. Aber wenn man sich an den Leberenzymen orientiert, werden die meisten von ihnen übersehen. Leberenzyme sind als Screening-Instrument ungeeignet.“
Der FIB-4 sei „ein einfaches Instrument, das wir bereits in unseren elektronischen Gesundheitsakten haben, aber wir nutzen es einfach nicht“, bemerkte Cusi, Leiter der Abteilung für Endokrinologie, Diabetes und Stoffwechsel an der Universität von Florida in Gainesville.
In der Tat, sagte Isaacs, sei der FIB-4 ein „einfacher ... großartiger Screening-Test, weil er im Wesentlichen kostenlos ist“. Aber er warnt, dass er einige Einschränkungen habe.
„Es ist ein guter Test, um eine fortgeschrittene Lebererkrankung auszuschließen, aber es kann zu falsch-positiven und falsch-negativen Ergebnissen kommen. Die FIB-4-Cutoffs müssen für Personen über 65 Jahre angepasst werden und sollten nicht für Personen unter 30 Jahren verwendet werden.“
Isaacs wies auch darauf hin, dass die Berechnung zwar online erfolgen könne, „aber selbst das kostet den Arzt viel Zeit“. Idealerweise sollte der FIB-4-Wert automatisch in der elektronischen Patientenakte erscheinen oder auf dem Laborbericht stehen, ähnlich wie die Berechnung der eGFR (der geschätzten glomeruläre Filtrationsrate) – und sollte markiert werden, wenn er größer als 1,3 ist.
Die ADA-Aktualisierung enthält auch Empfehlungen zur Weiterbehandlung von Patienten, bei denen der FIB-4-Wert ermittelt wurde, einschließlich der Frage, wann eine Überweisung an einen Gastroenterologen oder Hepatologen erforderlich ist.
Therapie: Änderung des Lebensstils plus GLP-1-Agonisten oder Pioglitazon
Eine Änderung des Lebensstils wird allen Erwachsenen mit Diabetes oder Prädiabetes und NAFLD empfohlen, insbesondere Personen mit Übergewicht oder Adipositas.
Darüber hinaus rät die ADA, einen GLP-1-Agonisten (Glucagon-like Peptide 1) mit nachgewiesenen Vorteilen bei NAFLD zusätzlich zu Lebensstil-Interventionen zur Gewichtsabnahme bei Typ-2-Diabetes, insbesondere bei Übergewicht/Adipositas, in Betracht zu ziehen.
Und für Patienten mit bioptisch nachgewiesener NASH oder mit klinisch signifikanter Leberfibrose sind entweder ein GLP-1-Agonist oder Pioglitazon die bevorzugte Behandlung. Bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes, die eine dekompensierte Zirrhose haben, ist jedoch Insulin zu präferieren.
Isaacs: „Pioglitazon hat viele Vorteile und nur wenige bekannte Risiken ... es ist ein zu wenig genutztes Medikament. Es ist sehr preisgünstig. Pioglitazon sollte als Erstbehandlung für Patienten mit Typ-2-Diabetes und NAFLD in Betracht gezogen werden.“
In dem ADA-Update wird auch eine Statintherapie für Menschen mit Typ-2-Diabetes und NAFLD empfohlen, da sie ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko haben. Für Menschen mit dekompensierter Zirrhose werden Statine jedoch aufgrund möglicher Bedenken zur Sicherheit nicht empfohlen.
Cusi merkte an, dass er sich seit über 10 Jahren für ein Fettleber-Screening bei Menschen mit Typ-2-Diabetes einsetze. „Ärzte haben es bereits übernommen, aber die ADA hat als Organisation in der Diabetesversorgung einen großen Einfluss. Ich habe vor vielen Jahren davon geträumt, dass der Tag kommen würde, an dem wir alle Menschen mit Typ-2-Diabetes untersuchen würden, und dieser Tag ist heute.“
Der Beitrag wurde von Michael van den Heuvel aus Medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Credits:
Photographer: © One Photo
Lead image: Dreamstime.com
Medscape Nachrichten © 2023
Diesen Artikel so zitieren: ADA-Rat an Ärzte: Alle Menschen mit Typ-2-Diabetes auf Fettlebererkrankungen untersuchen - Medscape - 10. Jul 2023.
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