Opioide bei Rücken- und Nackenschmerzen besser nicht verordnen: Keine Wirkung, aber Gefahr der Abhängigkeit

Megan Brooks

Interessenkonflikte

7. Juli 2023

Opioide lindern akute Kreuz- oder Nackenschmerzen kurzfristig nicht; sie führen langfristig sogar zu schlechteren Ergebnissen. Das hat OPAL ergeben – die 1. randomisierte, kontrollierten Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit einer Analgesie mit Opioiden bei akuten unspezifischen Kreuz- oder Nackenschmerzen. Alle Ergebnisse wurden in The Lancet veröffentlicht [1].

 
Vor dieser Studie hatten wir keine guten Erkenntnisse darüber, ob Opioide bei akuten Kreuzschmerzen oder Nackenschmerzen wirksam sind (…). Dr. Christine Lin
 

Nach 6 Wochen gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen Schmerzen bei Patienten, die Opioide bekamen, und einer Placebo-Kontrollgruppe. Nach 1 Jahr hatten Patienten, die Placebo erhielten, sogar etwas niedrigere Schmerzwerte als Patienten unter Verum. Außerdem bestand bei den Patienten, die Opioide einnahmen, nach 1 Jahr ein höheres Risiko für Opioid-Missbrauch.

 
Opioide sollten bei akuten Kreuzschmerzen und Nackenschmerzen überhaupt nicht empfohlen werden. Dr. Christine Lin
 

Hier handele es sich um eine bahnbrechende Studie mit praxisverändernden Ergebnissen, erklärte die Hauptautorin Dr. Christine Lin von der Universität Sydney gegenüber Medscape. „Vor dieser Studie hatten wir keine guten Erkenntnisse darüber, ob Opioide bei akuten Kreuzschmerzen oder Nackenschmerzen wirksam sind, obwohl Opioide zu den am häufigsten verwendeten Medikamenten bei diesen Erkrankungen gehören“, erklärte Lin. Auf Grundlage dieser Ergebnisse „sollten Opioide bei akuten Kreuzschmerzen und Nackenschmerzen überhaupt nicht empfohlen werden“, so Lin.

Design der Studie

Die Studie wurde in 157 Notaufnahmen bzw. Einrichtungen der Primärvorsorge in Sydney, Australien, durchgeführt. Ärzte haben 347 Erwachsene, die seit höchstens 12 Wochen an Kreuzschmerzen, Nackenschmerzen oder an beiden Beschwerden litten, aufgenommen.

Die Probanden wurden nach dem Zufallsprinzip (1:1) einer leitliniengerechten Behandlung (Gespräch, Ratschläge, aktiv zu bleiben) und Opioid (Oxycodon bis zu 20 mg täglich) oder einem identischen Placebo für bis zu 6 Wochen zugewiesen. Naloxon wurde verabreicht, um eine Opioid-induzierte Obstipation zu verhindern und um die Verblindung zu verbessern.

Der primäre Endpunkt war die Schmerzintensität nach 6 Wochen, gemessen mit der Schmerzintensitäts-Subskala des Brief Pain Inventory (10-Punkte-Skala).

Keine signifikante Verringerung der Schmerzen unter Verum

Nach 6 Wochen führte die Opioidtherapie weder zu einer stärkeren Linderung akuter Rücken-/Nackenschmerzen noch zu einer funktionellen Verbesserung als Placebo.

Der mittlere Schmerzwert nach 6 Wochen betrug 2,78 in der Opioid-Gruppe gegenüber 2,25 in der Placebo-Gruppe (bereinigte mittlere Differenz 0,53; 95%-Konfidenzintervall [KI] -0,00 bis 1,07; p=0,051). Nach 1 Jahr waren die mittleren Schmerzwerte in der Placebo-Gruppe etwas niedriger als in der Opioid-Gruppe (1,8 gegenüber 2,4).

Darüber hinaus verdoppelte sich das Risiko eines Opioid-Missbrauchs nach 1 Jahr bei Patienten, die nach dem Zufallsprinzip eine 6-wöchige Opioid-Therapie erhalten hatten, im Vergleich zu Placebo-Kontrollen.

Nach 1 Jahr wiesen 24 (20%) von 123 Patienten in der Opioid-Gruppe ein erhöhtes Missbrauchsrisiko auf, wie aus der COMM-Skala (Current Opioid Misuse Measure) hervorgeht, verglichen mit 13 (10%) von 128 Patienten in der Placebo-Gruppe (p=0,049). Die COMM-Skala ist ein weit verbreitetes Maß für einen möglichen Abusus bei Patienten mit chronischen Schmerzen, denen eine Opioid-Therapie verschrieben wird.

Ergebnisse werfen zahlreiche Fragen auf

„Ich glaube, dass die Ergebnisse der Studie an Ärzte und Patienten weitergegeben werden müssen, damit sie diese neuesten Erkenntnisse über Opioide erhalten“, so Lin gegenüber Medscape.

 
Ich glaube, dass die Ergebnisse der Studie an Ärzte und Patienten weitergegeben werden müssen, damit sie diese neuesten Erkenntnisse über Opioide erhalten. Dr. Christine Lin
 

„Wir müssen Ärzten und Patienten erklären, dass sich die meisten Menschen mit akuten Kreuz- und Nackenschmerzen mit der Zeit gut erholen, meist innerhalb von 6 Wochen“, fügte Lin hinzu. Sie rät, aktiv zu bleiben, Bettruhe zu vermeiden und, falls erforderlich, eine Wärmepackung zur kurzfristigen Schmerzlinderung einzusetzen. „Wenn Medikamente erforderlich sind, sollten entzündungshemmende Präparate in Betracht gezogen werden“, so Lin.

Dr. Mark Sullivan und Dr. Jane Ballantyne von der University of Washington, Seattle, weisen in einem Kommentar darauf hin, dass klinische Leitlinien Opioide für Patienten mit akuten Rücken- und Nackenschmerzen empfehlen würden, falls andere medikamentöse Behandlungen versagen oder kontraindiziert seien [2].

 
Wenn Medikamente erforderlich sind, sollten entzündungshemmende Präparate in Betracht gezogen werden. Dr. Christine Lin
 

Die OPAL-Studie werfe „ernsthafte Fragen über den Einsatz von Opioiden bei akuten Kreuz- und Nackenschmerzen auf“. Und weiter: „Bis zu 2 Drittel der Patienten erhalten ein Opioid, wenn sie wegen Rücken- oder Nackenschmerzen behandelt werden. Es ist an der Zeit, diese Leitlinien und Praktiken zu überdenken“, erklären Sullivan und Ballantyne.

Der Beitrag wurde von Michael van den Heuvel aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert

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Kommentar

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