Lösungen für Fachkräftemangel im Gesundheitswesen: So funktionieren Teilzeitangebote und Jobsharing – auch beim Chefarzt

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

5. Juli 2023

Fachkräftemangel führt auch im Gesundheitswesen zu Versorgungsengpässen, Stress und Zukunftsängsten bei allen Beteiligten. In einer neuen Serie will Medscape Lösungsansätze und Beispiele vorstellen, wie man die Berufe im Medizinbetrieb wieder attraktiver machen kann. Hier finden Sie Teil 1 zum Thema Jobsharing.

Steigende Arbeitsbelastung, zu wenig Personal, kaum Zeit für Gespräche mit den Patienten und fehlende Wertschätzung ärztlicher Arbeit – so beschreiben viele Ärztinnen und Ärzte in den Krankenhäusern ihre Arbeitsbedingungen. Die Unzufriedenheit nimmt zu, wie die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des Marburger Bundes (MB) unter 8.500 angestellten Ärztinnen und Ärzten zeigen: Ein Viertel denkt darüber nach, den Beruf zu wechseln.

Immer mehr Ärztinnen und Ärzte möchten die hohe Arbeitsbelastung so nicht mehr und fordern eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. 31% der Befragten gaben an, ihre Wochenarbeitszeit reduziert zu haben. Im Herbst 2019 lag der Anteil noch bei 26% und im Jahr 2013 bei 15%.

Den steigenden Anteil der Mitglieder mit Teilzeit-Vertrag wertet der Marburger Bund als „klaren Hinweis darauf, dass die Arbeitszeiten nicht den Wünschen vieler Ärztinnen und Ärzte entsprechen“. Das Bemühen, die wöchentliche Arbeitszeit zu reduzieren, sei ein Versuch, der enormen Belastung standhalten zu können und „nicht die Ursache des Personalmangels, sondern ein Symptom der Arbeitsverdichtung“, heißt es im Beschluss Nr. 7 der 139. Hauptversammlung des MB 2022 in Bremen.

Auch auf der 141. Hauptversammlung des MB 2023 in Essen appellierte Dr. Susanne Johna, Vorsitzendes des Marburger Bundes, erneut, mehr Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Der Gesetzgeber, so Johna, sei aufgefordert, dem Fachkräftemangel mit adäquaten Maßnahmen zu begegnen.

Angesichts des Fachkräftemangels werde es zunehmend schwieriger werden, die Versorgung der Bevölkerung in einer Gesellschaft des langen Lebens in den nächsten Jahren sicherzustellen, mahnten die rund 200 Delegierten.

Kliniken nutzen flexible Arbeitszeiten zur Personalbindung

Die Anzahl an Ärzten mit Teilzeitstellen wächst kontinuierlich. Laut Statistischem Landesamt Sachsen-Anhalt haben 2019 25,4% aller Klinikärzte in Teilzeit gearbeitet, 2009 lag die Quote noch bei 11,3%.

 
Helios sind gute Arbeitsbedingungen wichtig, um Mitarbeiter auch langfristig zu binden und eine Perspektive zu bieten. Franziska Vallentin
 

Kliniken und Krankenhäuser, die moderne Arbeitszeitmodelle einsetzen, haben meist eine zufriedenere Belegschaft und positionieren sich zugleich als innovativer Arbeitgeber. Moderne Arbeitszeitmodelle in Kliniken können effektiv gegen Burn-Out, Stress und Überlastung in der Ärzteschaft wirken.

Die Helios Kliniken beispielsweise setzen auf unterschiedliche Arbeitszeitmodelle und Familienfreundlichkeit, bestätigt Franziska Vallentin, Pressesprecherin der Helios Kliniken GmbH. „Helios sind gute Arbeitsbedingungen wichtig, um Mitarbeiter auch langfristig zu binden und eine Perspektive zu bieten. In den Kliniken wird in Schichten rund um die Uhr gearbeitet. Mit unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen und einer Kinderbetreuung, die wir an vielen unserer Standorte bieten, wollen wir den individuellen Bedürfnissen unserer Mitarbeiter weiter entgegenkommen“, so Vallentin,

 
Insbesondere die Ausbildung der Ärzte in Weiterbildung wird qualitätsgesichert standardisiert, sodass Helios hier Aktivitäten für die langfristige Bindung der Fachkräfte betreibt. Franziska Vallentin
 

Man sorge für eine angemessene personelle Besetzung und für regelmäßige Fort- und Weiterbildung, sagt Vallentin. „Für Ärzte bestehen überdurchschnittliche Aus-, Fort- und Weiterbildungs-Programme, insbesondere die Ausbildung der Ärzte in Weiterbildung wird qualitätsgesichert standardisiert, sodass Helios hier Aktivitäten für die langfristige Bindung der Fachkräfte betreibt.“

Kliniken mit flexibler Arbeitszeit und geteilter Bereitschaft

Ob Schichtdienst, versetzter Dienstbeginn, Wahlarbeitszeit, Teilarbeitszeit oder Jobsharing – der Marburger Bund stellt auf seiner Website verschiedene Arbeitszeitmodelle und familienfreundliche Krankenhäuser vor.

So hat sich das Westküstenklinikum (WKK) Brunsbüttel und Heide gGmbH zum Ziel gesetzt, bei der Arbeitszeitgestaltung auf familiäre Bedürfnisse der Arbeitnehmer einzugehen. Das WKK bietet flexible Arbeits- und Teilzeitmodelle mit langfristiger Dienstplangestaltung mit individuellen Regelungen an. Damit soll auch die Attraktivität des Arbeitgebers WKK für neue Mitarbeiter gesteigert werden.

Flexible Teilzeitmodelle bietet z.B. das Krankenhaus Helios Weißeritztal-Kliniken in Sachsen an. Dazu gehören auch geteilte Dienste am Wochenende mit 12 statt 24 Stunden.

Teilzeit und flexible Arbeitszeiten bieten z.B. auch die Sana Kliniken im Landkreis Biberach GmbH in Baden-Württemberg an. Die Möglichkeit eines individuellen Arbeitsbeginns und eines Arbeitsendes außerhalb des Schichtdienstplanes soll eine sichere Kinderbetreuung gewährleisten. Die Häufigkeit von Nachtdiensten sowie Wochenenddiensten sind angepasst an den Beschäftigungsumfang und die familiäre Situation.

Neben Teilzeit und flexiblen Arbeitszeiten bietet die Fachklinik für Neurologie Dietenbronn auch geteilte Bereitschaftsdienste an. Ärzte können sich z.B. am Wochenende und Feiertagen abstimmen, wer einen Tagesdienst oder Nachtdienst übernimmt. Diese Regelung ermöglicht insbesondere den Müttern und Vätern eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Anstatt 24 Stunden sind sie nur 12 Stunden zuhause abwesend, und es bleibt mehr Zeit für die Familie oder pflegende Angehörige.

Jobsharing in der Facharztweiterbildung und als Chefärztinnen

Wie ein Jobsharing für Eltern in der Facharztweiterbildung funktioniert, wird aktuell in der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik an der Universität Heidelberg implementiert und evaluiert. Eine 100%-Vollzeitarztstelle auf der Psychotherapiestation „AKM“ wurde dazu in 2 Teilzeitarztstellen (je 60%) umgewandelt. Die Besetzung der beiden neuen Stellen erfolgt mit Ärztinnen und Ärzten in der Facharztweiterbildung (Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder Facharzt für Innere Medizin), die Mütter oder Väter von kleinen Kindern sind.

Dass Jobsharing auch bei Chefarztstellen funktioniert, zeigen die beiden Gastroenterologinnen Dr. Angelika Behrens und Dr. Vera Stiehr, die seit 2017 gemeinsam die Kliniken für Innere Medizin an der Evangelischen Elisabeth Klinik in Berlin leiten. Das Jobsharing hat sich bewährt – seit Oktober 2022 leitet das Team nun auch die Klinik für Innere Medizin am Martin Luther Krankenhaus in Berlin.

Krankenhausregister des Marburger Bundes

Flexible Arbeitszeiten, Wiedereinstiegsprogramme, Kinderbetreuung – welche Krankenhäuser bieten familienfreundliche Strukturen an? Der Marburger Bund hat die Webseiten von Krankenhäusern mit 200 und mehr Betten ausgewertet und daraus ein Krankenhausregister erstellt, mit dem man sich einen guten Überblick verschaffen kann.

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