Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zu COVID-19.
Corona-Newsblog, Update vom 5. Juli 2023
Europa: Zirka 36 Millionen Menschen leiden an Long-COVID
Umfrage: Long-COVID-19 beeinträchtigt Job und Lebensqualität immens
Schützt Metformin vor Long-COVID?
Niedrigere Vitamin-D-Spiegel bei Long-COVID
COVID-19 beeinträchtigt Spermien über Monate hinweg
Neue Coronaviren in europäischen Fledermäusen entdeckt
Luftverschmutzung – ein Risikofaktor für schweres COVID-19
Europa: Zirka 36 Millionen Menschen leiden an Long-COVID
1 von 30 Europäern könnte in den ersten 3 Jahren der Pandemie an Long-COVID erkrankt sein, erklärte das europäische Büro der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Damit hätten seit 2020 fast 36 Millionen Menschen in der europäischen Region nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 anhaltende Gesundheitsprobleme.
Auf einer Pressekonferenz in Kopenhagen betonte der WHO-Regionaldirektor Hans Kluge, dass „COVID-19 eine komplexe Erkrankung bleibt, über die wir noch sehr wenig wissen“. Gleichzeitig warnte er, dass sich die Gesellschaft ohne umfassende Diagnostik und Therapie nie wirklich von der Pandemie erholen werde.
Nach Angaben der UN-Gesundheitsagentur ist COVID-19 immer noch für über 1.000 Todesfälle pro Woche in der europäischen Region verantwortlich. Das Gebiet umfasst laut WHO-Definition 53 Länder. Forscher gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Corona-Toten noch viel höher ist, da viele Länder keine genauen Daten über die Todesfälle mehr erfassen.
Im vergangenen Monat erklärte die WHO, dass COVID-19 keinen globalen Gesundheitsnotstand mehr darstelle. Unter Hinweis auf die jüngste Häufung von Fällen in Südostasien und im Nahen Osten schrieb die Behörde jedoch, dies bedeute nicht, dass die Pandemie beendet sei.
Umfrage: Long-COVID-19 beeinträchtigt Job und Lebensqualität immens
Eine Umfrage zu Long-COVID aus Spanien zeigt, welche enormen Auswirkungen Beschwerden auf die Beschäftigungssituation und die Lebensqualität hat. Darüber hat Medscape Spanish Edition berichtet.
An der Umfrage nahmen insgesamt 1.122 Menschen mit Long-COVID aus Spanien teil. Fast die Hälfte (46%) aller Patienten waren krankgeschrieben oder arbeiteten unter großen Schwierigkeiten. Darüber hinaus haben 9,5% der Befragten krankheitsbedingt ihren Arbeitsplatz verloren.
Die Lebensqualität und die subjektiv empfundene Gesundheit haben sich durch Long-COVID auf einer Skala von 0 bis 10 Punkten um 4 Punkte verschlechtert, verglichen mit dem Zeitraum vor der Krankheit. Bei der subjektiv empfundenen körperlichen Einschränkung waren es knapp 6 Punkte weniger.
Fast alle Befragte gaben an, ihre Beschwerden würden sich bei körperlicher (93,3%) und geistiger (87,8%) Anstrengung verschlechtern.
Schützt Metformin vor Long-COVID?
Das alte Diabetesmedikament Metformin scheint protektiv gegen Long-COVID zu wirken, wenn es innerhalb weniger Tage nach einer symptomatischen SARS-CoV-2-Infektion für 2 Wochen eingenommen wird. Das zeigt eine neue, in The Lancet Infectious Diseases veröffentlichte Studie. Über Details hat Univadis.de berichtet.
In die Phase-3-Studie wurden 1.431 Erwachsene im Alter von 30 bis 85 Jahren mit Übergewicht (Body Mass Index [BMI] ≥ 25 kg/m2) oder mit Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2), mit PCR-bestätigter SARS-CoV-2-Infektion und mit Symptomen seit weniger als 1 Woche eingeschlossen. Studienärzte haben sie in 6 Gruppen randomisiert: Metformin plus Ivermectin, Metformin plus Fluvoxamin, Metformin plus Placebo, Ivermectin plus Placebo, Fluvoxamin plus Placebo und Placebo plus Placebo, jeweils in einem ambulanten Setting und für 14 Tage
Das durchschnittliche Alter lag bei 45 Jahren, der mediane BMI betrug 29,8 kg/m2, und 56% waren Frauen. 8,3% der Teilnehmer hatten bis Tag 300 Long-COVID entwickelt.
Die kumulative Inzidenz zu Tag 300 betrug 6,3% unter Metformin und 10,4% unter Placebo.
Die Hazard Ratio (HR) für Long-COVID betrug 0,59 bei Metformin-Einnahme: eine Risikoreduktion um 41% im Vergleich zu Teilnehmern, die kein Metformin erhielten (p=0,012).
Einen Benefit durch Metformin gab es über alle Subgruppen hinweg. Speziell für Adipositas betrug die HR für ein Long-/Post-COVID-Syndrom bei Metformin-Einnahme 0,44, bei Probanden unter 45 Jahren 0,39, bei nicht Geimpften 0,44, bei Geimpften 0,85 und während der Omikron-Welle für alle Subgruppen 0,45.
Ivermectin oder Fluvoxamin hingegen führten zu keiner statistisch signifikante Verringerung des Risikos.
Da Metformin eines der kostengünstigsten und am besten untersuchten oralen Antidiabetika sei, könnte es vielleicht recht kurzfristig helfen, die Krankheitslast durch Long-COVID zu verringern, hoffen die Autoren. Weitere Studien seien aber erforderlich.
Niedrigere Vitamin-D-Spiegel bei Long-COVID
Patienten mit Long-COVID-19 hatten in einer retrospektiven Studie niedrigere 25(OH)-Vitamin-D-Spiegel als andere Patienten, die COVID-19 überlebt hatten, wie Medscape.com schreibt. Die Studie wurde in JCEM veröffentlicht. Das galt vor allem bei Patienten mit Long-COVID und mit dem typischen „Hirnnebel“.
Die Forscher analysierten Daten von Erwachsenen ab 18 Jahren, die mit COVID-19 stationär behandelt und während der 1. Pandemiewelle von März bis Mai 2020 entlassen wurden. 6 Monate später war eine Nachuntersuchung geplant. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Behandlung auf der Intensivstation oder ohne Daten zum (OH)-Vitamin-D-Spiegel.
Die Forscher identifizierten 50 Patienten mit Long-COVID zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung und glichen sie mit 50 ähnlichen Patienten ohne Long-COVID ab. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 61 Jahren; 56% waren Männer.
Patienten mit Long-COVID hatten niedrigere mittlere 25(OH)-Vitamin-D-Spiegel als Patienten ohne diese Beschwerden (20,1 vs. 23,2 ng/ml; p=0,03). 2 Drittel der Patienten mit niedrigen Vitamin-D-Spiegeln bei der Krankenhausaufnahme wiesen auch bei der Nachuntersuchung nach 6 Monaten noch niedrige Werte auf.
Der Vitamin-D-Spiegel war bei Patienten mit neurokognitiven Symptomen bei der Nachuntersuchung (n=7) signifikant niedriger als bei Patienten ohne solche Symptome (n=93). Die Werte lagen bei 14,6 vs. 20,6 ng/ml; p=0,042.
In multiplen Regressionsanalysen war ein niedrigerer 25(OH)-Vitamin-D-Spiegel bei der Nachuntersuchung die einzige Variable, die signifikant mit Long-COVID assoziiert war (p=0,008; OR 1,09; 95%-KI 1,01-1,16).
„Unsere Daten legen nahe, dass der Vitamin-D-Spiegel bei COVID-19-Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus untersucht werden sollte“, schreiben die Forscher. „Die Rolle einer Vitamin-D-Supplementierung … sollte in randomisierten kontrollierten Studien untersucht werden.“
COVID-19 beeinträchtigt Spermien über Monate hinweg
Eine COVID-Infektion kann die Zahl an Spermien verringern und ihre Schwimmfähigkeit für mindestens 3 Monate beeinträchtigen, wie Forscher auf der Jahrestagung der European Society of Human Reproduction and Embryology in Kopenhagen berichtet haben.
Sie analysierten Spermaproben von 45 Männern aus Spanien, die vor und nach einer COVID-Infektion untersucht wurden. Das Durchschnittsalter der Probanden lag bei 31 Jahren.
Im Vergleich zu Proben vor der Infektion war das Volumen des Spermas nach COVID-19 um 20 %, die Spermienkonzentration um fast 27%, die Spermienzahl um fast 38% und die Anzahl der lebenden Spermien um 5% gesunken.
Prof. Dr. Carlos Calhaz-Jorge, Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie an der medizinischen Fakultät der Universität Lissabon in Portugal, relativiert: „Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Samenqualität bei diesen Patienten nach einer COVID-19-Infektion immer noch innerhalb der Kriterien der Weltgesundheitsorganisation für 'normale' Samen und Spermien liegt.“ Derzeit könne er nicht sagen, ob es bei den betroffenen Männern zu einer Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit komme; weitere Studie seien erforderlich.
Neue Coronaviren in europäischen Fledermäusen entdeckt
Obwohl Forscher direkte Vorläufer von SARS-CoV-2 noch nicht identifiziert haben, fanden sie nahen Verwandte bei Hufeisennasenfledermäusen. Bislang konzentrieren sie sich bei ihrer Suche auf China und Südostasien, wo Fledermäuse die engsten bekannten Verwandten von SARS-CoV-2 in sich tragen.
„Europa und das Vereinigte Königreich wurden völlig übersehen“, sagt Vincent Savolainen. Er ist Evolutionsgenetiker am Imperial College London und Leiter einer neuen, in Nature Communications veröffentlichten Studie.
Um diese Lücke zu schließen, sammelten Savolainen und Kollegen insgesamt 48 Kotproben von 16 aller 17 in UK heimischen Fledermausarten. Bei der genetischen Sequenzierung fanden sie 9 Coronaviren, darunter 4 Sarbecoviren, und 1 Coronavirus, das mit MERS-CoV, Auslöser des Middle East Respiratory Syndrome (MERS), verwandt ist.
Um die Bedrohung dieser Coronaviren zu beurteilen, arbeiteten die Forscher mit Pseudoviren. Das sind nicht vermehrungsfähige Formen von HIV, die so konstruiert wurden, dass sie das Spike-Protein tragen, das Coronaviren zur Infektion von Zellen verwenden.
Ein Sarbecovirus, das bei der Kleinen Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) gefunden wurde, hatte zwar ein Spike-Protein mit Affinität zu ACE2. Es haftete an diesem Rezeptor jedoch nicht annähernd so stark wie SARS-CoV-2. Deshalb sei es unwahrscheinlich, dass das neu entdeckte Virus Menschen infizieren und sich verbreiten könne, schreiben die Forscher.
Dennoch könnten andere Sarbecoviren, die in britischen Fledermäusen zirkulieren, in der Lage sein, effizienter an menschliches ACE2 zu binden, sagt Michael Letko, ein Molekularvirologe an der Washington State University in Pullman.
Luftverschmutzung – ein Risikofaktor für schweres COVID-19
2 Studien aus Dänemark und Belgien, die im European Respiratory Journal veröffentlicht wurden, zeigen, dass Luftschadstoffe mit Risken für schweres COVID-19 in Verbindung stehen. Univadis.de hat darüber berichtet.
In der dänischen Studie wurden Daten von über 3,7 Millionen Einwohnern im Alter von 30 Jahren und älter untersucht. Über einen Zeitraum von 14 Monaten infizierten sich 138.742 Teilnehmer mit dem SARS-COV2, wobei 11.270 einen Krankenhausaufenthalt benötigten und 2.557 an COVID-19-bedingten Komplikationen starben.
„Wir stellten einen starken Zusammenhang zwischen Luftverschmutzungsmarkern wie Feinstaub mit einem Durchmesser von <2,5 μm (PM2,5), Stickstoffdioxid (NO2) und schwarzem Kohlenstoff (BC) mit allen 3 Ergebnissen fest: dem Risiko einer COVID-19-Infektion, einer Krankenhauseinweisung und dem Tod“, schreibt Zorana Jovanovic Andersen von der Universität Kopenhagen. „Diese Assoziationen waren bei Personen aus den untersten sozioökonomischen Gruppen und bei Patienten mit chronischen Atemwegs-, kardiometabolischen und neurodegenerativen Erkrankungen am stärksten ausgeprägt.“
Die belgische Studie konzentrierte sich hingegen auf 328 hospitalisierte COVID-19-Patienten und untersuchte die spezifischen Auswirkungen von Luftverschmutzung und schwarzen Rußpartikeln auf den Schweregrad von COVID-19. Die Forscher arbeiteten mit einem hochauflösenden räumlich-zeitlichen Modell, um die tägliche Belastung durch PM2,5, PM10, NO2 und Ruß zu schätzen. Sie verwendeten auch gepulste Laserbeleuchtung, um den Gehalt an schwarzen Kohlenstoffpartikeln im Blut zu messen, die die innere Belastung durch Partikel im Nanometer-Bereich darstellen.
„Wir haben festgestellt, dass sowohl die kurzfristige als auch die langfristige Exposition gegenüber Luftverschmutzung zu einem um 4 Tage längeren Krankenhausaufenthalt und einem um 33 % höheren Risiko für einen Aufenthalt auf der Intensivstation führte“, erklärte Tim Nawrot von der Universität Hasselt (Belgien).
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Credits:
Photographer: © Ralf Liebhold
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: COVID mindert Spermienqualität; 36 Mio. Patienten mit Long-COVID in Europa; Metformin als Prophylaxe, Vitamin D als Therapie? - Medscape - 6. Jul 2023.
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