Zweitmeinungsverfahren, Kryokonservierung von Ovarialgewebe und mehr: Das ändert sich für Ärzte zum 1. Juli

Dr. Nina Mörsch

Interessenkonflikte

4. Juli 2023

Mit Beginn des neuen Monats ändern sich zahlreiche Asbekte rund um die Abrechnung. Darüber informiert die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) [1].

So ist die Abrechnung für die Aufklärung und Beratung im Zweitmeinungsverfahren häufiger möglich. Bisher war es nur einmalig pro Krankheitsfall möglich, die GOP 01645 abzurechnen. Aufgrund der Vielzahl an beschlossenen Indikationen für das Zweitmeinungsverfahren kann es vorkommen, dass innerhalb weniger Monate bei demselben Patienten zwei verschiedene Zweitmeinungsverfahren eingeleitet werden.

Ärzte, die eine Indikation für einen in der Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren genannten Eingriff stellen und somit als „Erstmeiner“ tätig werden, sind dazu verpflichtet, ihre Patienten über das Recht zur Einholung einer Zweitmeinung aufzuklären. Dies soll mindestens 10 Tage vor dem geplanten Eingriff erfolgen.

Die planbaren Eingriffe mit rechtlichem Zweitmeinungsanspruch sind: 

  1. Amputation beim diabetischen Fußsyndrom

  2. Eingriff an Gaumen- oder Rachenmandeln (Tonsillektomie, Tonsillotomie)

  3. Eingriff an der Wirbelsäule

  4. Gallenblasenentfernung (Cholezystektomie)

  5. Gebärmutterentfernung (Hysterektomie)

  6. Gelenkspiegelungen an der Schulter (Schulterarthroskopie)

  7. Herzkatheteruntersuchung und Ablationen (Verödungen) am Herzen

  8. Implantation eines Herzschrittmachers oder eines Defibrillators

  9. Implantation einer Knieendoprothese

Geplant ist laut G-BA in 2023 als weitere Indikation das Ersetzen des Hüftgelenks in das Zweitmeinungsverfahren aufzunehmen.

Formlose Bescheinigung für Krankenhausbegleitung wird vergütet

Aus medizinischen Gründen kann bei Menschen mit Behinderung bei einer stationären Behandlung eine Begleitperson nötig sein. Dies ist laut Krankenhausbegleitungs-Richtlinie des G-BA der Fall, wenn…

  • ohne Begleitperson die notwendige Krankenhausbehandlung verweigert wird,

  • nur mithilfe einer Begleitperson den Anweisungen des Krankenhauspersonals gefolgt werden kann,

  • die Begleitperson ins therapeutische Konzept im Krankenhaus eingebunden werden muss,

  • die Begleitperson nach der Entlassung aus dem Krankenhaus in das therapeutische Konzept einzubeziehen ist.

Die Anlage zur Richtlinie nennt mögliche – nicht abschließende – Kriterien, beispielsweise…

  • eine mangelnde Fähigkeit, die eigene Symptomatik oder Befindlichkeiten, wie Schmerzen oder Wünsche, deuten, beschreiben oder verstehen zu können,

  • eine mangelnde Fähigkeit, die Informationen und Anweisungen des Behandlungsteams des Krankenhauses wahrnehmen, verstehen oder umsetzen zu können,

  • Wahnvorstellungen, ausgeprägte Ängste und Zwänge oder sozial inadäquates Verhalten,

  • erhebliche Schädigungen oder Beeinträchtigungen zum Beispiel bei der Nahrungsaufnahme.

Ärzte und Psychotherapeuten müssen mindestens ein Kriterium oder eine vergleichbare Schädigung oder Beeinträchtigung angeben – entweder auf dem Formular 2 oder auf der formlosen Bescheinigung.

Dafür gibt es ab Juli eine neue Gebührenordnungsposition im EBM.  Die GOP 01615 ist mit 30 Punkten/3,45 Euro bewertet und kann einmal im Krankheitsfall (= 4 Quartale) abgerechnet werden. Das hat der Bewertungsausschuss beschlossen. Weitere Details lesen Sie beim G-BA hier.

Gebühren in der Unfallversicherung steigen ab Juli um 5 Prozent

In der gesetzlichen Unfallversicherung gibt es eine lineare Honorarsteigerung über 5 Jahre. Die erste Erhöhung um 5 Prozent erfolgt zum 1. Juli. In den folgenden vier Jahren sollen die Gebühren für ärztliche Leistungen entsprechend der Grundlohnsummenentwicklung angehoben werden – maximal um 5 Prozent jährlich.

Beim Psychotherapeutenverfahren der gesetzlichen Unfallversicherungsträger steigen die Gebühren der Nummern P 23 bis P 41 zum 1. Juli 2023 um 5 Prozent.

Die höhere Vergütung kommt allen Ärzten zugute, die für die gesetzliche Unfallversicherung tätig sind. Sie gilt für alle Leistungen, die bei einem Wege- oder Arbeitsunfall nach der UV-GOÄ, dem Leistungs- und Gebührenverzeichnis der Unfallversicherung, berechnungsfähig sind. Eine Übersicht zur Unfallversicherung finden Sie bei der KBV hier.

Kryokonservierung von Ovarialgewebe ab 1. Juli abrechenbar

Bei keimzellschädigenden Therapien kann zum Erhalt der Fertilität auch Eierstockgewebe eingefroren werden. Die dazu geänderte Richtlinie zur Kryokonservierung war im November 2022 in Kraft getreten.

Jetzt stehen die Details zur Abrechnung und Vergütung fest: Danach können Ärztinnen und Ärzte die Leistungen für Versicherte ab dem 1. Juli 2023 zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen und abrechnen. Zur Abrechnung der Kryokonservierung von Ovarialgewebe werden vier neue Gebührenordnungspositionen (GOP) für die Beratung, die Aufbereitung und Untersuchung sowie das Einfrieren und Auftauen von Ovarialgewebe in den EBM aufgenommen. Die Vergütung erfolgt extrabudgetär und damit zu festen Preisen.

Ein gesetzlicher Anspruch auf Entnahme und Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen oder von Keimzellgewebe besteht für Frauen bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres und für Männer bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres.

Zu keimzellschädigenden Behandlungen zählen insbesondere die operative Entfernung von Keimdrüsen, eine Strahlentherapie mit zu erwartender Schädigung der Keimdrüsen sowie potenziell fertilitätsschädigende Medikationen. 

Ob eine Therapie keimzellschädigend sein kann, entscheidet der Facharzt, der auch die Grunderkrankung diagnostiziert oder behandelt. Ausführlichere Informationen gibt die KBV hier.

Neue GOP zur mikrobiologischen Diagnostik

Nachdem der G-BA die Fachinformationen der Arzneimittel Livtencity® und Roctavian® im Rahmen der frühen Nutzenbewertung geprüft hat, nimmt der Bewertungsausschuss (BA) zum 1. Juli 2023 neue Leistungen in den EBM auf.

AAV-Antikörper-Nachweis: GOP 32674

Das Arzneimittel Roctavian® kann zur Behandlung von schwerer Hämophilie A (kongenitalem Faktor-VIII Mangel) bei erwachsenen Patienten ohne Faktor-VIII-Inhibitoren in der Vorgeschichte und ohne nachweisbare Antikörper gegen Adeno-assoziiertes Virus Serotyp 5 (AAV5) angewendet werden. 

Ist eine Untersuchung auf Antikörper gegen das Adeno-assoziierten Virus (AAV) notwendig, kann ab dem 1. Juli 2023 die GOP 32674 (40 Euro) abgerechnet werden. Voraussetzung ist, dass diese Untersuchung im Rahmen der Indikationsstellung einer gezielten medikamentösen Behandlung laut Fachinformation obligat ist.

Die Vergütung erfolgt zunächst extrabudgetär.

Cytomegalievirus: GOP 32818 und 32820

Mit dem Arzneimittel Livtencity® kann eine therapierefraktäre Cytomegalievirus (CMV)-Infektion und/oder CMV-Erkrankung bei Erwachsenen behandelt werden, die sich einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation oder einer Transplantation solider Organe unterzogen haben. 

Für die Behandlung von organtransplantierten und immunsupprimierten Personen können ab dem 1. Juli 2023 folgende Leistungen abgerechnet werden:

  • Bestimmung der CMV-DNA-Konzentration: GOP 32818 (44,50 Euro)

  • genotypische CMV-Resistenztestung: GOP 32820 (260 Euro) 

Die Vergütung für die GOP 32820 erfolgt zunächst extrabudgetär.

Lauterbach: E-Rezept kommt zum 1. Juli

Elektronische Rezepte (E-Rezepte) sollen nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vom 1. Juli an möglich sein. „Das E-Rezept ist endlich alltagstauglich “, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

„Zum 1. Juli 2023 können Patienten das erste Mal das E-Rezept in den Apotheken ganz einfach mit ihrer Versichertenkarte abrufen. Bis Ende Juli werden voraussichtlich schon 80 Prozent der Apotheken in Deutschland an das System angeschlossen sein.“ Mehr dazu lesen Sie hier.

Neue TI-Pauschalen

Das Bundesgesundheitsministerium hat per Verordnung die neuen TI-Pauschalen festgelegt, die ab dem 1. Juli gelten. Eine Übergangsregelung gibt es nicht, teilt die KBV mit. Danach erhalten Praxen ab diesem Zeitpunkt monatlich eine Pauschale, die die Kosten für die Ausstattung und den Betrieb der Telematikinfrastruktur ausgleichen soll, so das Ministerium.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.

 

Kommentar

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