Gibt es eine Ernährungsweise, die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen entgegenwirkt? Und gibt es umgekehrt Nahrungsmittel, die Rheuma-Patienten besser meiden sollten? Empfehlungen zu diesen Fragen füllen viele Buch- und Internetseiten. Wissenschaftliche Belege dafür, dass die Rheumaaktivität sich über die Ernährung beeinflussen lässt, sind dagegen rar. Der Nutzen von Ernährungsinterventionen ist daher auch in Fachkreisen umstritten.
Experten der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V. (DGRh) haben sich nun des Themas angenommen, Studien ausgewertet und daraus wissenschaftlich fundierte Empfehlungen abgeleitet. Die überzeugendsten Belege gebe es demnach für den Nutzen einer mediterranen Ernährung, heißt es in einer Mitteilung der Rheumatologen-Gesellschaft [1].
Grundelemente der mediterranen Kost
Der Terminus „Mediterrane Ernährung“ (ME) beschreibt nach Angaben der Autoren traditionelle Ernährungsgewohnheiten des Mittelmeerraumes. Diese hätten abhängig von Ländern und Regionen eine hohe Variabilität; wichtige Elemente jedoch gemeinsam.
Dazu gehören:
ein hoher Anteil pflanzenbasierter Nahrung: Früchte, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Brot, Cerealien,
Olivenöl als wichtigste Quelle von Fetten,
ein niedriger Anteil gesättigter tierischer Fette (etwa Butter und Schmalz),
Milchprodukte in Form von Käse, Joghurt und Kefir,
Fisch und Geflügel in variablen, aber im Vergleich zu durchschnittlicher „westlicher“ Ernährung geringen Anteilen, bei einem deutlich reduzierten Anteil von „rotem“ Fleisch,
ein deutlich reduzierter Anteil von Weißzucker und Glukose-Fruktose-Sirup (enthalten z.B. in Softdrinks),
fakultativ: Wein in geringen Mengen (nicht mehr als 10g Alkohol pro Tag) zu den Mahlzeiten.
Vorteile der mediterranen Diäten
„Mit leichten Variationen gelten diese Prinzipien in allen Ländern des Mittelmeerraumes“, sagt Prof. Dr. Gernot Keyßer, Sprecher der DGRh-Kommission „Komplementäre Heilverfahren und Ernährung“, die die aktuellen Empfehlungen erarbeitet hat. Es gelte als gesichert, dass die ME die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall, von Stoffwechsel-Erkrankungen wie Adipositas und Typ-2-Diabetes sowie von Darmkrebs verringere.
Auch der Verlauf entzündlich-rheumatischer Erkrankungen scheine durch die ME positiv beeinflusst zu werden, heißt es in der Mitteilung der Fachgesellschaft. Die wissenschaftlichen Veröffentlichungen hierzu beziehen sich allerdings nur auf wenige Krankheitstypen. So verbesserten sich die Symptome einer rheumatoiden Arthritis (RA) leicht. Ebenso profitierten Patienten mit Psoriasis, Spondyloarthritis oder mit Systemischem Lupus Erythematodes (SLE) jeweils geringfügig von einer ME.
„Die Effekte sind nicht groß“, räumt Keyßer ein. Allerdings beträfen sie nicht nur objektiv messbare Parameter, sondern auch das subjektive Befinden der Patienten. „Als flankierende Maßnahme zur antirheumatischen Basistherapie möchten wir die ME daher allen Rheuma-Betroffenen sehr ans Herz legen“, so Keyßer. Dies umso mehr, als die Patienten auch von der bekannten Senkung des Herz-Kreislauf- und des Diabetes-Risikos profitieren.
Warum mediterrane Diäten Krankheiten positiv beeinflussen
Die Effekte einer ME werden hauptsächlich der Vermeidung tierischer Fette zugeschrieben, die entzündungsfördernde Bestandteile wie Arachidonsäure und gesättigte Fettsäuren enthalten, sowie der vermehrten Aufnahme entzündungshemmender Omega-3-Fettsäuren aus pflanzlichen Ölen, Fisch, Nüssen und Algen.
„Diesem Muster folgen auch sogenannte antiinflammatorische Diäten“, erläutert Keyßer. Auch für solche Diäten sichtete die Kommission die verfügbare Evidenz, ebenso wie für Fastenkuren oder eine ketogene Diät. Die Zahl klinischer kontrollierter und randomisierter Studien in diesem Bereich sei noch immer überschaubar, so die Experten. Außerdem sei ihre Aussagekraft oft durch eine kurze Beobachtungszeit oder eine geringe Teilnehmerzahl limitiert.
Auch stammt ein großer Teil der Studien aus den Jahren vor der Einführung der hochwirksamen Biologika in die Rheumatherapie, sodass ein möglicher Ernährungseffekt heute nur noch schwer abgeschätzt werden kann. Hier stützen sich die Empfehlungen der Kommission daher noch immer hauptsächlich auf positive Erfahrungen, die in der Klinik etwa mit dem Heilfasten gemacht werden, oder auf günstige Effekte, die in Studien zu anderen Erkrankungen beobachtet wurden.
Praxisstipp: Die Ernährung umstellen – aber richtig
Prinzipiell sollten Ernährungsumstellungen immer mit dem Arzt besprochen und bei Bedarf auch von geschultem Personal begleitet werden. „Nicht jede Ernährungsintervention ist für jeden Patienten gleichermaßen geeignet“, sagt Prof. Dr. Christof Specker, Präsident der DGRh. So sollte etwa im akuten Rheumaschub oder bei Untergewicht nicht gefastet werden. Besonders wichtig ist Präsident und Kommission auch der Hinweis darauf, dass über die Ernährung letztlich nur unterstützende Effekte erzielt werden können. „Eine medikamentöse Therapie kann damit auf keinen Fall ersetzt werden.“
Bei sachgemäßer Anwendung der ME sind keine negativen Effekte zu erwarten. Die ME ist nicht gleichzusetzen mit einer veganen Kost, so dass eine zusätzliche Supplementierung z.B. mit Vitamin B12 nicht erforderlich ist. Das Risiko, dass Patienten mit starker Affinität zur komplementären Medizin eine notwendige medikamentöse Therapie durch eine Ernährungsumstellung „ersetzen“ möchten, ist zwar gering, sollte aber berücksichtigt
Ärzte sollten Rheuma-Patienten eine mediterrane Diät empfehlen
Die Kommission empfiehlt, dass Rheumatologen grundsätzlich allen PatientInnen, die wegen entzündlich- rheumatischen Erkrankungen in dauerhafter Betreuung sind, eine ME nahelegen und ihnen entsprechendes Informationsmaterial aushändigen. Dies gilt vor allem für Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen.
Schulungsangebote von Selbsthilfegruppen oder die Möglichkeit der Überweisung zu einer professionellen Ernährungsberatung für die ME sollten genutzt werden. Eine derartige Intervention ist nicht zwingend erforderlich, wenn ein Patient bereits eine weitgehend pflanzenbasierte Kostform einhält, die den Anforderungen an eine gesundheitsförderliche Ernährung entspricht.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Mediterrane Kost bei rheumatischen Erkrankungen? „Ja“, sagen Rheumatologen – die Effekte sind aber nicht groß - Medscape - 30. Jun 2023.
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