MEINUNG

Neuro-Talk: Vor- und Nachteile sowie Kosten neuer Migräne-Mittel – Highlights vom Internationalen Kopfschmerzkongress in Seoul

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener

Interessenkonflikte

13. November 2023

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener berichtet vom Internationalen Kopfschmerzkongress in Seoul über die neuesten Ergebnisse zu Antikörpern gegen Migräne. Spannend findet er ein neues Zielmolekül …

Transkript des Videos von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Duisburg-Essen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Heute berichte ich Ihnen, was es beim Internationalen Kopfschmerzkongress in Seoul vom 14. bis 17. September 2023 an Neuigkeiten gab.

Behandlung akuter Migräneattacken

Akute Migräneattacken wurden bisher behandelt mit Analgetika, nichtsteroidalen Antirheumatika, Mutterkornalkaloiden und leider viel zu wenig mit Triptanen. Jetzt wurden neue Medikamente entwickelt, nämlich Antagonisten an CGRP-Rezeptor, die sogenannten Gepante, also kleine Moleküle.

Und hier gibt es im Moment 3 Substanzen, und zwar Rimegepant 75 mg, Ubrogepant 50 oder 100 mg und Zavegepant als Nasenspray mit 10 mg. Die sind alle wirksam mit einer Rate an Schmerzfreiheit nach 2 Stunden von etwa 25 bis 30%. Sie haben wenig Nebenwirkungen, bisschen Übelkeit und Somnolenz, Nasopharyngitis und bei Zavegepant erwartungsgemäß Geschmacksstörungen.

In indirekten Vergleichen sind diese Gepante in etwa so wirksam wie Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen und deutlich weniger wirksam als Sumatriptan. Leider gibt es aber bisher überhaupt keine direkten Vergleichsstudien z. B. mit den Triptanen. Es gibt auch keine dezidierten Studien für Patienten, bei denen Triptane kontraindiziert oder unwirksam sind. Das Hauptproblem dürften wahrscheinlich die Kosten sein. In den Vereinigten Staaten liegen die Kosten pro Tablette, also pro Attacke zwischen 80 und 200 US-$.

Prophylaxe der Migräne

Zur oralen Migräneprophylaxe werden Betablocker, Flunarizin, Topiramat, Valproinsäure, Amitriptylin oder Candesartan und bei der chronischen Migräne Onabotulinumtoxin A eingesetzt. Ein großer Überblick bei dem Kongress über die Erfahrung aus den letzten 5 Jahren mit den 4 monoklonalen Antikörpern Eptinezumab, Erenumab, Fremanezumab und Galcanezumab zeigte, dass sie alle eine mittlere Reduktion der Migränetage pro Monat zwischen 3 und 7 Tagen und eine 50% Responderrate - zwischen 40 und 60% - erreichen. Es gibt eigentlich keine wesentlichen Unterschiede zwischen diesen 4 monoklonalen Antikörpern.

Der Hauptvorteil ist gegenüber den bisherigen Medikamenten die sehr gute Verträglichkeit mit wenigen Nebenwirkungen, extrem seltene anaphylaktische Reaktionen und eine geringe Abbruchrate wegen Nebenwirkungen.

Es wurden ganz viele praktische Dinge diskutiert, beispielsweise wann man eine Therapiepause einlegen sollte? Das wird empfohlen bei episodischer Migräne nach etwa 12 Monaten und bei chronischer Migräne nach 24 Monaten. Bei etwa 40 bis 60% muss man die Therapie wieder fortsetzen.

Es gibt bisher leider mit einer Ausnahme keine direkten Vergleichsstudien zwischen den monoklonalen Antikörpern und den traditionellen Migräneprophylaktika. Es gibt nur eine Studie, die Erenumab mit Topiramat verglichen hat und hier hat Erenumab sowohl bezüglich der Wirksamkeit als auch bezüglich der Verträglichkeit deutlich besser abgeschnitten.

Neu in der Migräneprophylaxe sind Gepante, und zwar 75 mg Rimegepant jeden 2. Tag oder Atogepant 60 mg täglich. Die sind wirksam. In indirekten Vergleichen sind sie in etwa so wirksam wie die oralen Migräneprophylaktika und sie scheinen nicht besser zu wirken, sogar wahrscheinlich eher weniger gut zu wirken als die monoklonalen Antikörper. Die einzige Patientenpopulation, an die ich hier denken würde, wären Patienten, bei denen alle bisherigen Migräneprophylaktika nicht wirksam sind. Dazu gibt es aber keine Studien. Und das Hauptproblem sind auch hier wahrscheinlich wieder die Kosten. In den Vereinigten Staaten liegen die Kosten für 1 Jahr Prophylaxe zwischen 12.000 und 20.000 US-Dollar.

Ganz neu: PACAP-Antikörper

Am aufregendsten war aber ein ganz neuer therapeutischer Ansatz jenseits von CGRP, dem Calcitonin gene-related Peptide. Es gibt ein weiteres Polypeptid, nämlich PACAP (Pituitary Adenylate Cyclase-activating Polypeptide). Es hat einen ähnlichen Wirkungsmechanismus wie CGRP und es hat noch andere Wirkungen.

Nun gibt es die erste Studie (HOPE) mit einem monoklonalen Antikörper gegen PACAP (Lu AG09222) in der Migräneprophylaxe und er war eindeutig wirksamer als Placebo. Hier ist jetzt ein Phase-3-Studie geplant. Potenzielle Patienten wären Non-Responder auf CGRP-Antikörper.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war ein wichtiger Kongress. Wir haben eine gute Zusammenfassung über neue Therapien der akuten Migräneattacke und zur Prophylaxe der Migräne bekommen.

Ich bin Christoph Diener von der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg Essen und bedanke mich fürs Zuhören.
 

Kommentar

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