PD Dr. Georgia Schilling stellt eine US-Studie vor, die das Schicksal und die Mortalitätsursachen von Patienten nach Prostata-, Kolon- und Brustkrebs langfristig untersucht hat.
Transkript des Videos von PD Dr. Georgia Schilling:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist Georgia Schilling. Ich bin leitende Oberärztin des Asklepios-Tumorzentrums in Hamburg und gleichzeitig Chefärztin der onkologischen Rehabilitation in Westerland auf Sylt.
Heute habe ich eine Arbeit mitgebracht, die im Juli 2023 in JAMA Network Open von einer Arbeitsgruppe von der Yale University, New Haven, Connecticut, publiziert worden ist [1].
Es geht um die krebsbedingte und die nicht krebsbedingte Mortalität bei Langzeit-Überlebenden nach Mamma-, Kolon- und Prostata-Karzinom in den USA, was aber sicher auf Deutschland übertragbar ist. Das sind die 3 Hauptgruppen von Krebs-Langzeit-Überlebenden. Deswegen hat sich die Arbeitsgruppe genau darauf konzentriert.
Das verbesserte Langzeit-Überleben, das wir durch neue Diagnostik-Verfahren, durch Screenings, durch neue Therapieoptionen erreichen, führt zu der Notwendigkeit das onkologische und nicht-onkologische Outcome im Langzeit-Überleben und die entsprechenden Mortalitätsrisiken besser zu verstehen. Auch die Wahrscheinlichkeit, an nicht krebsbedingten Ursachen, also nicht an der ursprünglichen Krebserkrankung zu versterben, steigt bei den Langzeit- Überlebenden mit zunehmendem Alter.
Untersucht wurde in dieser Studie, wie hoch die relative onkologische versus die nicht-onkologische Mortalität unter Langzeit-Überlebenden dieser 3 Tumor-Entitäten ist.
Es handelt sich um eine Kohortenstudie aus der SEER-Datenbank der USA zwischen 2003 und 2014. Es wurden Patienten mit einer der 3 Tumor-Entitäten eingeschlossen, die eine kurative Therapie für eine lokalisierte Erkrankung erhalten hatten und zu den Langzeit-Überlebenden 5 Jahre nach Erst-Diagnose zählten.
Mittleres Alter war 61 Jahre, 69,3% waren Frauen. Größte Gruppe waren erwartungsgemäß die Mammakarzinome, gefolgt von Prostata- und Kolon-Karzinomen.
Ergebnisse
Die Gruppe hat gefunden, dass es ein kürzeres krebsspezifisches Überleben beim Mammakarzinom im Stadium 3, beim Kolorektalkarzinom im Stadium 3 sowie beim Prostatakarzinom mit Gleason 8 gibt. Die Faktoren, die mit der Mortalität assoziiert waren, haben variiert mit dem Alter, der Tumorbiologie und dem Tumorstadium bei Diagnosestellung - auch noch im Langzeit-Überleben nach 5 Jahren.
In der Gesamtkohorte hatten Patienten mit niedrigem Risiko eine mindestens 3fach höhere, Nicht-Krebs-assoziierte Mortalität gegenüber der Krebs-assoziierten Mortalität 10 Jahre nach der Diagnose. Patienten mit einem hohen Risiko hatten, das finde ich erwartungsgemäß, eine höhere kumulative Krebs-assoziierte Mortalität außer beim Prostata-Karzinom.
Am höchsten war die Ratio zwischen onkologischer und nichtonkologischer Mortalität 5 bis 10 Jahre nach Erstdiagnose beim Prostata-Karzinom, gefolgt vom Kolon- und Mamma-Karzinom. Am geringsten war sie beim Rektum-Karzinom.
Patientinnen mit Östrogenrezeptor-negativem Mamma-Karzinom hatten eine höhere Krebs-spezifische Mortalität in den ersten 5 Jahren nach der Diagnose. Das kann man sich auch gut vorstellen, denn bei dieser Patientengruppe treten die häufigsten oder die meisten Rezidive innerhalb der ersten 5 Jahre auf.
Empfehlungen für die weitere Betreuung der Patienten
Wir sehen, es gibt unterschiedliche Risiken für Langzeit-Überlebende an ihrer Grunderkrankung zu versterben versus an anderen Ursachen. Das sollte uns helfen, pragmatische Empfehlungen für Krebs-Langzeit-Überlebende zu geben, gerade im Hinblick auf die allgemeinmedizinische und auf die spezielle onkologische Versorgung.
Patienten über 65 Jahre mit einem niedrigen Tumorstadium brauchen eine höher dosierte intensivierte allgemeinmedizinische Überwachung auch schon nach der Diagnose, denn die Todesursachen sind bei diesen Patienten eher die KHK, Alzheimer, COPD, zerebrovaskuläre Erkrankungen oder Lungenerkrankungen, und nicht die Tumorerkrankung.
Das zeigt uns natürlich, dass wir auch in der Nachsorge von Langzeit-Überlebenden, die uns immer mehr beschäftigen werden, einen personalisierten Risiko-stratifizierten Versorgungsansatz brauchen und an der Schnittstelle zwischen Onkologen und Allgemeinmedizinern drehen und gucken müssen, wer für welchen Patienten der geeignetste Partner in der Nachsorge ist.
Das sollten wir uns auch für Deutschland überlegen, weil die Daten m. E. absolut übertragbar sind. Es stellt sich immer die Frage, wer sich um die Patienten kümmert. Das ist eine Studie, die uns weiterhilft und uns Empfehlungen an die Hand gibt
Damit herzlichen Dank fürs Zuhören.
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Diesen Artikel so zitieren: Woran sterben Krebs-Langzeitüberlebende? Studie analysiert Todesursachen und Risikoparameter - Medscape - 18. Sep 2023.
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