Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zu COVID-19.
Corona-Newsblog, Update vom 22. Juni 2023
Schadenersatz-Klage gegen AstraZeneca geht in die 2. Instanz
Rätselhafter Superspreader in Ohio
FDA: Neue Booster-Strategie für 2023/2024
USA: Bis zu 6 Millionen Menschen seit 2021 ohne Geruchs- und Geschmackssinn
Welche Rolle spielen Telomere bei Long-COVID?
Nasale COVID-19-Impfstoffe – wie geht es weiter?
So beeinflusst COVID-19 das Darmmikrobiom
Schadenersatz-Klage gegen AstraZeneca geht in die 2. Instanz
Eine Frau hatte am 10. März 2021 eine Corona-Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin erhalten. Sie bringt Beschwerden, speziell eine Darmvenenthrombose mit drauffolgender Dünndarmresektion, damit in Verbindung. Das Landgericht Hof wies ihre Klage erstinstanzlich ab, mit Hinweis darauf, dass weder ein Produktfehler noch ein Informationsfehler vorliege. Auch handele es sich um einen Impfstoff, dessen Nutzen die Risiken von Nebenwirkungen überwiege. Bei 5 Millionen Anwendungen und 30 Thrombosen sei auch keine spezielle Warnung erforderlich gewesen.
Am 3. Juli wird sich nun das Oberlandesgericht Bamberg der Sache annehmen. Ein Vergleich liegt im Bereich des Möglichen. Falls das Gericht es zulässt, ist nach dem Urteil eine weitere Revision möglich. Das Urteil selbst gilt wegen weiterer Klagen, auch gegen andere Impfstoffhersteller, als richtungsweisend.
Rätselhafter Superspreader in Ohio
Wissenschaftler gehen davon aus, dass eine Person in Ohio, die wohl seit 2 Jahren mit COVID-19 infiziert ist, Tausende Male mehr SARS-CoV-2 ausscheidet als normal, wie aus den Daten der Abwasserüberwachung hervorgeht. Der Stamm des Virus scheine einzigartig zu sein, so die Forscher. Darüber hat Medscape.com berichtet.
Marc Johnson von der University of Missouri glaubt, dass die infizierte Person in Columbus lebt und Darmbeschwerden hat. Der Bezirk, in dem die Person arbeitet, hat nur 15.000 Einwohner, weist aber unverhältnismäßig viele SARS-CoV-2-Viren pro Liter Abwasser auf. Krankenhäuser können es wegen der separaten Abwasserbehandlung nicht sein.
Doch wer dies sein könnte, ist unklar. Die Centers of Disease Control and Prevention (CDC) sehen derzeit keinen Handlungsbedarf.
FDA: Neue Booster-Strategie für 2023/2024
Ein Expertengremium in den USA hat sich einstimmig dafür ausgesprochen, dass die nächsten COVID-19-Impfstoffe auf die XBB-Varianten des SARS-CoV-2-Virus abzielen sollten, die derzeit im Umlauf sind. Das Votum ist für die FDA nicht bindend.
In einem Briefing-Dokument erklärten die Berater, die verfügbaren Daten würden darauf hindeuten, dass ein monovalenter (Einzelstamm-)Impfstoff der XBB-Linie für die Impfkampagne 2023-2024 „gerechtfertigt“ sei und den aktuellen, bivalenten Impfstoff ersetzen würde, der auf die ursprüngliche Version des Virus und auf 2 Stämme der Omikron-Variante abziele.
Die Empfehlung deckt sich mit Ratschlägen der Weltgesundheitsorganisation; auch sie präferiert Antigene der XBB-Familie. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hatte zuvor eine ähnliche Empfehlung ausgesprochen; in der EU haben jedoch Mitgliedsstaaten das letzte Wort.
Welche Rolle spielen Telomere bei Long-COVID?
Der Schweregrad von COVID-19 nimmt mit jedem Lebensjahrzehnt zu: ein Phänomen, das darauf schließen lässt, dass die Alterung des Organismus einen Beitrag zum Schweregrad der Erkrankung leistet. Doch wie ist der Zusammenhang?
Schon früher haben Wissenschaftler gezeigt, dass der Schweregrad von COVID-19 mit kürzeren Telomeren, einer molekularen Determinante der Alterung, in Leukozyten der Patienten korreliert. Kurze oder dysfunktionale Telomere in Alveolar-Typ-II-Zellen (ATII) reichen aus, um bei Mäusen und Menschen eine Lungenfibrose auszulösen. ATII-Zellen sind eine Art von Epithelzellen, die in distalen Abschnitten von Alveolen lokalisiert sind.
Telomere sind „Schutzkappen“, die sich an den Enden von Chromosomen befinden. Sie bestehen aus sich wiederholenden DNA-Sequenzen und Proteinen. Die Hauptfunktion der Telomere ist, die strukturelle Integrität der Chromosomen während der Zellteilung zu erhalten.
Doch welche Bedeutung haben Telomere bei COVID-19? Um die Frage zu klären, analysierten Forscher die Telomerlänge und die Histopathologie von Lungenbiopsien aus einer Kohorte von genesener Post-COVID-19-Patienten und einer Kohorte altersgleicher Kontrollen mit Lungenkrebs.
Sie fanden bei Post-COVID-Patienten im Vergleich zu Kontrollen kürzere Telomere in ATII-Zellen, die mit einer deutlichen Zunahme des fibrotischen Umbaus des Lungenparenchyms einhergingen. „Diese Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang zwischen kurzen Telomeren in ATII-Zellen und Lungenfibrose bei Post-COVID-19-Patienten“, schreiben die Forscher.
Ihre Hoffnung: „Da kurze Telomere durch Telomerase verlängert werden können und wir gezeigt haben, dass Telomerase-Aktivierungsstrategien therapeutische Wirkung bei Krankheiten haben, die mit kurzen Telomeren assoziiert sind, wie z. B. Lungenfibrose, ist es verlockend, zu spekulieren, dass Telomerase-Aktivierungstherapien die Gewebepathologien bei Post-COVID-19-Patienten, verbessern könnten“, heiß es in einer Pressemeldung.
Nasale COVID-19-Impfstoffe – wie geht es weiter?
Seit Beginn der COVID-19-Impfstoffforschung versuchen Wissenschaftler, nasale, leicht applizierbare Vakzine zu entwickeln. Im April 2023 hat ein Team der Charité – Universitätsmedizin eine abgeschwächte Lebendimpfung für die Nase entwickelt und erprobt. In präklinischen Studien erzeugte das nasale Vakzin eine bessere Immunität an den Schleimhäuten der Atemwege als intramuskulär verabreichte Impfstoffe.
Nun stellen die Forschenden eine veränderte Version des Impfstoffs vor. Diese Variante ist aufgrund einer gezielten Veränderung im Spike-Protein des Virus nicht mehr übertragbar, weist aber die gleiche Wirksamkeit auf. Deshalb hoffen die Wissenschaftler, dass bei der Anwendung eine geimpfte Person das Impfvirus auch bei engem Kontakt nicht auf eine ungeimpfte Person überträgt.
Nachdem Labordaten zur Sicherheit und zur Wirksamkeit vorliegen, rücken klinische Studien in greifbare Nähe. Als Partner ist Schweizer Firma Rocketvax AG, einer Tochtergesellschaft von Swiss Rockets AG, mit im Boot.
So beeinflusst COVID-19 das Darmmikrobiom
Viren, die Säugetierzellen infizieren, können indirekt das Darmmikrobiom verändern. In mehreren Studien haben Forscher ein gestörtes Darmmikrobiom bei schwerem COVID-19 beobachtet. Dennoch wissen sie immer noch wenig über die Auswirkungen einer leichten, ambulant behandelten SARS-CoV-2-Infektion auf das Darmmikrobiom.
Um diese Wissenslücke zu schließen, haben Forscher 14 SARS-CoV-2-positive Personen, die ambulant behandelt wurden, und 4 Haushaltskontrollen in eine Längsschnittstudie aufgenommen. SARS-CoV-2-Fälle wiesen im Vergleich zu den Kontrollen eine deutlich weniger stabile Darmmikrobiota auf.
Diese Ergebnisse wurden im K18-humanisierten Angiotensin-Converting-Enzyme-2-Mausmodell, das für eine SARS-CoV-2-Infektion empfänglich ist, bestätigt. Alle getesteten SARS-CoV-2-Varianten, u.a. der Wildtyp, Delta und Omikron, führten zu signifikanten Veränderungen des Darmmikrobioms von Mäusen. Überraschenderweise kam es bei Omikron zu einer signifikanten Verarmung von Akkermansia muciniphila, obwohl Omikron bei transgenen Mäusen nur leichte Symptome verursachte.
Offen bleibt, welche Interventionen das Darmmikrobiom normalisieren – und die Schwere der Symptome verringern – könnte.
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Credits:
Photographer: © Antonio Guillem
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Millionen Patienten seit 2021 ohne Geruchs- und Geschmackssinn; Zukunft nasaler Impfstoffe; Telomerase gegen Post-COVID? - Medscape - 22. Jun 2023.
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