Eine Temporalisbiopsie ist der Goldstandard zur Diagnosesicherung einer Riesenzellarteriitis (RZA), wird aber in der Praxis nur noch im Zweifelsfall nötig. „Wenn es wirklich keine Möglichkeit gibt, eine Bildgebung zu machen, oder wenn die Bildgebung nicht schlüssig ist oder nur eine intermediäre Wahrscheinlichkeit für eine Riesenzellarteriitis ergibt, spielt die Biopsie eine Rolle“, sagte Prof. Dr. Christian Dejaco, Leiter Rheumatologie, Krankenhaus Bruneck, Italien.
Beim Jahreskongress der European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR) in Mailand stellte er das Update der EULAR-Empfehlungen zur Bildgebung bei primärer Großgefäßvaskulitis (large vessel vasculitis, LVV) im klinischen Alltag vor [1]. Es betrifft Menschen mit RZA oder Takayasu-Arteriitis (TAK).
Prof. Dr. Carlo Salvarani, Direktor Rheumatologie, Azienda Ospedaliera Santa Maria Nuova di Reggio Emilia, Italien, präsentierte neue Daten zum prognostischen Stellenwert der 18Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomographie (FDG-PET) bei LVV.
Die EULAR-Empfehlungen dienen als Orientierungshilfe, bei LVV-Verdacht sowie für das Monitoring bei etablierter Erkrankung. Im Vergleich zur Version von 2018 wurden die spezifischen Empfehlungen von 12 auf 8 verringert. „Das Evidenzniveau war heterogen“, räumte Dejaco ein. Nur 3 Empfehlungen basierten auf systematischen Reviews, 3 weitere auf Expertenmeinungen. „Nichtsdestotrotz war der Grad der Übereinstimmung für jedes Statement sehr, sehr hoch.“
Bildgebung darf Behandlungsbeginn nicht ausbremsen
Bei LVV-Verdacht ist eine frühzeitige Bildgebung indiziert. Sie soll die klinische Diagnose stützen, erfordert aber viel Expertise mit entsprechender Ausbildung und festen Untersuchungsstandards, prompte Verfügbarkeit und darf den Therapiestart nicht behindern. „Wir können die Behandlung mit Steroiden nicht hinauszögern, wenn wir einen starken RZA-Verdacht haben“, betonte Dejaco und verwies auf die Gefahren, gerade bei vorübergehenden Manifestationen, wie Amaurosis fugax: „Es besteht ein immanentes Erblindungsrisiko.“
Bei hohem klinischem Verdacht und passender Bildgebung kann man die Diagnose ohne weiterführende Tests stellen. Ist eine LVV klinisch wenig wahrscheinlich und die Bildgebung negativ, ist die Diagnose unwahrscheinlich. „In allen anderen Situationen brauchen Sie weitere Untersuchungen“, sagte der Rheumatologe. „Das können weitere Bildgebungen, Biopsien oder weitere klinische Tests sein.“
Während kranielle und gut zugängliche extrakranielle Gefäße vorzugsweise sonographisch zu beurteilen sind, werden besonders die Aorta und ihre Abgänge bei RZA primär mittels PET untersucht.
„Wir betrachten den Ultraschall nach wie vor als die erste Bildgebungsuntersuchung bei Riesenzellarteriitis.“ Ultraschall ist wenig invasiv, die Datenlage gut. Anders als zuvor sind bei allen Patienten mit RZA-Verdacht Temporal- und Axillararterien zu schallen. „Die Sensitivität ist höher, als wenn Sie nur die Temporalarterien ansehen.“ 2018 war der Axillaris-Schall noch optional.
Der Verweis auf das „nicht-kompressible ‚Halo‘-Zeichen“ als suggestivstes RZA-Zeichen wurde gestrichen. „Das bezieht sich nur auf die akuten Veränderungen in temporalen Arterien“, erläuterte Dejaco. Axillär sei ein Halo weniger typisch, und chronisch finde man auch andere entzündliche Wandveränderungen.
MRT oder PET durchaus Ausweichmethode an Kopf-Gefäßen
Das 2. Statement hob Dejaco als „wahrscheinlich das wichtigste mit den verblüffendsten Änderungen“ hervor. So kann für die Beurteilung kranieller Arterien bei RZA-Verdacht alternativ nach wie vor eine hochauflösende Magnetresonanztomographie (MRT) oder eine PET herangezogen werden.
„Die Verwendung der PET ist überraschend, denn zuvor haben wir gesagt, dass man PET und Computertomographie (CT) nicht für die Beurteilung kranieller Arterien heranziehen sollte, weil wir der Meinung waren, dass man diese wegen der Nähe zum Gehirn schlicht nicht sehen könne.“ Inzwischen wurde der PET auch hier eine große Sensitivität und Spezifität attestiert.
Extrakraniell, besonders für die Aorta, ist die PET die Methode der Wahl. Wandentzündungen lassen sich gut darstellen. MRT und CT sind Alternativen. Der Ultraschall wurde hier wegen der Nennung in der ersten Empfehlung, nach der er bei RZA immer auch an den Axillararterien anzuwenden ist, nicht mehr gesondert erwähnt.
Die Empfehlungen zur TKA „sind im Grunde unverändert, denn es gab kein einziges Paper mit neuer Evidenz dazu, das in unsere systematische Literaturrecherche eingeschlossen werden konnte.“ Für die Diagnostik ist die MRT die Methode der Wahl, PET und CT sind Alternativen.
Eine konventionelle Angiographie ist den empfohlenen Verfahren unterlegen und wird weder bei RZA noch bei TAK empfohlen. Dejaco betonte: „Machen Sie keine konventionelle Angiographie allein aus diagnostischen Gründen!“ Bei geplanter Intervention sei es in Ordnung. Gerade bei den jüngeren TAK-Patienten ist die hohe Strahlenbelastung unerwünscht.
Verlaufs-Bildgebung nur bei Rezidiv-Verdacht oder zum Schadensmonitoring
Viel Diskussion gab es laut Dejaco wegen heterogener Daten mit vergleichsweise niedriger Evidenz zum Monitoring. Man einigte sich, dass bei RZA- oder TKA-Rezidiv-Verdacht im Zweifel – vor allem, weil Laborwerte unter Tocilizumab-Therapie unzuverlässig sind – ein Ultraschall, eine PET oder alternativ eine MRT veranlasst werden können. „Wenn Patienten hingegen klinisch und laborchemisch in Remission sind, empfehlen wir nicht routinemäßig eine Bildgebung.“
Das langfristige Monitoring vaskulärer Strukturschäden hat sich kaum geändert. Vor allem an zuvor entzündeten Stellen, wo die Gefahr von Stenosen oder Aneurysmata am größten ist, kommen MR- oder CT-Angiographie oder auch Ultraschalluntersuchungen infrage. Über Methode und Untersuchungsfrequenz ist individuell zu entscheiden.
PET-Scores, wie der Performance of the PET Vascular Activity Score (PETVAS), haben, wie Salvarani anhand überwiegend retrospektiver Kohortenstudien erläuterte, in Verlaufsuntersuchungen wenig Vorhersagekraft. Sie vermögen nur mäßig zwischen aktiver LVV und Remission zu unterschieden. „Passend zu den Ergebnissen früherer Studien konnte PETVAS keine Rezidive voraussagen.“ Im Vergleich zur CT- oder MR-Angiographie erwiesen sich nur die initialen PET-Scores als guter Prädiktor für spätere Stenosen oder Dilatationen, aber nicht solche aus späteren PETs, trotz starker Assoziationen mit der Wandverdickung.
In einer prospektiven Kohorte von 32 RZA- und 38 TAK-Patienten entwickelten über ein medianes Follow-up von 1,6 Jahren nur 5 TAK-Patienten neue Gefäßveränderungen. Wo primär keine PET-Aktivität nachweisbar war, blieb die Gefäßerkrankung in der Regel stabil. Kam es später doch zu angiographischen Veränderungen, gingen dem in der Regel PET-Veränderungen voraus.
Bildgebung hinkt klinischer Besserung hinterher
Da Gefäßveränderungen nach klinischer Besserung noch etwas länger persistieren können, stellt sich im Alltag bei Rezidiv-Verdacht oft die Frage, wann eine neuerliche Bildgebung wieder Sinn macht. Die besten Daten hierzu stammen laut Dejaco aus der GUSTO-Studie, bei der die Patienten nach drei intravenösen Glucokortikoid-Stößen Tocilizumab in Monotherapie erhielten.
„Direkt nach den Steroidpulsen gab es einen schlagartigen Rückgang der Ultraschallbefunde. Aber dann, wegen des angenommenen verzögerten Wirkeintritts von Tocilizumab, nahmen die entzündlichen Veränderungen wieder zu.“ Das geschah binnen einer Woche, nach einigen Wochen besserten sich die Befunde wieder.
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Credits:
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Medscape © 2023
Diesen Artikel so zitieren: Bildgebung bei Großgefäßvaskulitis: Was sich mit den neuen EULAR-Empfehlungen ändert - Medscape - 19. Jun 2023.
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