EMA: Vakzin gegen XBB-Stämme für 2022/2023; 2 Jahre Long-COVID-Symptome; Ozon-Eigenbluttherapie ohne Evidenz

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

9. Juni 2023

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zu COVID-19.

Corona-Newsblog, Update vom 9. Juni 2023

Unsere Themen heute:

  • Endgültiges Aus für das RKI-Dashboard – und für die Corona-Warnapp

  • Letzte EMA-Pressekonferenz zur Pandemie: „Das Virus ist und bleibt eine Bedrohung“

  • COVID-19-Impfstoffe 2022/2023: Vorschlag von EMA und ECDC

  • EU-WHO-Kollaboration: Neues Leben für das Corona-Impfzertifikat

  • Post-/Long-COVID-Symptome teilweise noch 2 Jahre nach der Infektion

  • Rheuma und Long-/Post-COVID: Risiko bei Patienten kaum erhöht

  • Long-/Post-COVID: Was bringen Ozon-Eigenbluttherapien?

Endgültiges Aus für das RKI-Dashboard – und für die Corona-Warnapp

Der Juni brachte gleich 2 Änderungen mit sich: Das Robert Koch-Institut (RKI) hat sein Corona-Dashboard eingestellt. Es sei in der jetzigen Situation nicht mehr notwendig, Meldedaten in dieser Form aufzubereiten, sagte eine Sprecherin des RKI. Das Dashboard ging im März 2020 online. Meldedaten sind weiterhin im Pandemieradar des RKI sowie im Onlinedienst Github abrufbar.

Nahezu zeitgleich hat das Bundesministerium für Gesundheit die Corona-Warnapp komplett in den Ruhemodus versetzt. Damit können nur noch Impfzertifikate abgerufen werden. Technische Aktualisierungen sind nicht mehr geplant. 

Letzte EMA-Pressekonferenz zur Pandemie: „Das Virus ist und bleibt eine Bedrohung“

In ihrer letzten Pressekonferenz zur SARS-CoV-2-Pandemie zieht die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) Bilanz und wagt einen Blick in die Zukunft. Seit 3 Jahren hat die Agentur regelmäßig über aktuelle Entwicklungen zur Therapie und zur Prävention informiert. 

EMA-Direktorin Emer Cooke ging auf Erfolge beim „größten Impfprogramm in der Geschichte Europas“ ein: Schätzungen zufolge hätten Impfstoffe allein im 1. Jahr der Pandemie dazu beigetragen, fast 20 Millionen Leben zu retten, erklärte sie. Cooke gibt aber auch zu, die Pandemie habe die Arbeit der EMA dauerhaft verändert. Ihre Agentur hat 8 Impfstoffe und 8 Therapeutika zur Zulassung empfohlen, teils in kürzester Zeit. 

„Das Virus ist und bleibt eine Bedrohung, insbesondere für die am stärksten gefährdeten Personen“, sagt Marco Cavaleri, Direktor für Impfstoffstrategien bei der EMA. SARS-CoV-2 sei „immer noch im Umlauf“, und es würden weiterhin neue Varianten auftauchen. Nach Ansicht des EMA-Experten sollten Gesundheitsbehörden deshalb „auf der Hut sein“, speziell ab Herbst und Winter, der klassischen Saison für respiratorische Viren. 

COVID-19-Impfstoffe 2022/2023: Vorschlag von EMA und ECDC

Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) haben eine gemeinsame Erklärung zu angepassten COVID-19-Impfstoffen für die bevorstehenden Impfkampagnen ab Herbst 2023 veröffentlicht.

„Die derzeit zugelassenen Impfstoffe sind nach wie vor wirksam, um Krankenhausaufenthalte, schweren Erkrankungen und Todesfällen aufgrund von COVID-19 zu verhindern“, heißt es im Dokument. „Der Schutz gegen das Virus nimmt jedoch mit der Entstehung neuer SARS-CoV-2-Varianten mit der Zeit ab.“

Deshalb empfiehlt die Emergency Task Force der EMA, Vakzine anzupassen, um Menschen speziell gegen die vorherrschenden XBB-Stämme zu impfen. Laut EMA und ECDC seien monovalente Impfstoffe „eine vernünftige Wahl, um Schutz gegen die derzeit dominierenden und neu auftretenden Stämme zu bieten“. 

Zulassungsinhaber in der EU sollten die Überarbeitung der Produktinformationen für Impfstoffe mit dem Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA erörtern, um den vorgeschlagenen vereinfachten Ansatz zu berücksichtigen:

  • Bei Menschen über 5 Jahren ist eine Einzeldosis des neu angepassten Impfstoffs empfehlenswert – falls nationalen Leitlinien dies empfehlen. 

  • Bei Kindern unter 5 Jahren, die weder geimpft wurden noch eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, ist eine Primärserie aus 2 oder 3 Dosen angezeigt, je nachdem, welcher neu angepasste Impfstoff verabreicht werden soll. 

  • Personen mit geschwächtem Immunsystem benötigen möglicherweise zusätzliche Dosen entsprechend nationalen Empfehlungen.

Die Ratschläge weichen teilweise von den aktuellen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission in Deutschland ab;  Medscape  hat darüber berichtet. 

Bei Auffrischungsimpfungen sollte laut EMA ein Mindestabstand von 3 Monaten eingehalten werden. Ärzte können jedoch 4 Monate zwischen den einzelnen Dosen in Betracht ziehen, da ein hoher Schutz gegen schwere Erkrankungen für mindestens 4 Monate nach der Impfung nachgewiesen ist.

Das ECDC und die EMA raten, bei Kampagnen ab Herbst 2023 vorrangig Personen zu impfen, die ein höheres Risiko für schweres COVID-19 haben. Dazu zählen Menschen ab 60 Jahren. Patienten mit geschwächtem Immunsystem und mit Grunderkrankungen, die unabhängig vom Alter ein höheres Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung bergen, sowie Schwangere. Die Impfung von Beschäftigten des Gesundheitswesens sollte ebenfalls in Betracht gezogen werden, da sie wahrscheinlich vermehrt neuen Wellen von SARS-CoV-2 ausgesetzt sind. 

EU-WHO-Kollaboration: Neues Leben für das Corona-Impfzertifikat

Impfzertifikate waren während der Pandemie zeitweise erforderlich, um zu reisen, essen zu gehen oder Veranstaltungen zu besuchen. Die Verordnung über das digitale COVID-Zertifikat der EU trat am 1. Juli 2021 in Kraft. Sie endet am 30. Juni 2023.

„Das digitale COVID-Zertifikat der EU war weltweit ein Erfolg“, schreibt die Europäische Kommission. „Es hat einen globalen Standard für internationale Reisen gesetzt und war das einzige System, das auf internationaler Ebene in Betrieb war.“

Damit ist die Geschichte längst nicht vorbei. Denn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) plant, die europäische Technologie zu übernehmen. Sie wird Teil des WHO Global Digital Health Certification Network, einem System zur globalen Überprüfung von Gesundheitsdokumenten. Die WHO übernimmt europäische Standards. Beide Partner wollen vorhandene Lösungen weiterentwickeln, um beispielsweise Impfzertifikate aller Art digital abzubilden. 

Post-/Long-COVID-Symptome teilweise noch 2 Jahre nach der Infektion

Post-/Long-COVID sind seit Mitte 2020 Themen der Forschung. Wie lange Patienten daran leiden, ist immer noch unklar. Neue Daten kommen aus einer populationsbasierten Kohorte von Einwohnern des Kantons Zürich. Eingeschlossen wurden 1.106 Erwachsene mit bestätigter SARS-CoV-2-Infektion, die nicht geimpft waren, und 628 Erwachsene, die keine Infektion hatten.

Insgesamt gaben 55,3 % (95%-Konfidenzintervall 52,3 % bis 58,3 %) an, in weniger als einem Monat nach der Infektion sich wieder erholt zu haben und sich ähnlich wie vor der Infektion zu fühlen. 17,6 % (95%-KI 15,4 % bis 20,0 %) berichteten von einer Erholung innerhalb von 1 bis 3 Monaten. 

Nach 6 Monaten gaben 22,9% (95%-KI 20,4% bis 25,6%) der Teilnehmer an, sich noch nicht erholt zu haben, wobei 16,2% (14,1 % bis 18,6 %) leichte, 3,6% (95%-KI 2,6% bis 4,9%) mittlere und 2,7% (95%-KI 1,9% bis 3,9%) schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen hatten.

Im Laufe der Zeit verringerte sich der Anteil der infizierten Personen, die über anhaltende Beschwerden berichteten, auf 18,5% (95%-KI 16,2% bis 21,1%) nach 12 Monaten, 19,2% (95%-KI 16,3% bis 22,5%) nach 18 Monaten und 17,2% (95%-KI 14,0% bis 20,8%) nach 24 Monaten. 

Ein ähnlicher Rückgang war nach 24 Monaten beim Schweregrad der Symptome zu verzeichnen, wobei 10,4% (95%-KI 8,0% bis 13,5%) eine leichte, 3,9% (95%-KI 2,5% bis 6,0%) eine mittlere und 1,9% (95%-KI 1,0% bis 3,5%) eine schwere Beeinträchtigung angaben.

Rheuma und Long-/Post-COVID: Risiko bei Patienten kaum erhöht

Rheumatische Erkrankungen sind kein relevanter Risikofaktor für Long-COVID, so die Ergebnisse einer niederländischen prospektiven Kohortenstudie, die Laura Boekel auf der Jahrestagung 2023 der European Alliance of Associations for Rheumatology (EULAR) vorgestellt hat. Darüber hat  Medscape.com  berichtet. Boekel forscht am Amsterdam Rheumatology and Immunology Center, Amsterdam University Medical Center.

Insgesamt nahmen 1.974 Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (1.268 [64%] Frauen und 706 [36%] Männer) teil. Das Durchschnittsalter lag bei 59 Jahren. Hinzu kamen 733 gesunde Kontrollpersonen (495 [68%] Frauen und 238 [32%] Männer; Durchschnittsalter 59 Jahre).

468 (24%) der Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und 218 (30%) der gesunden Kontrollpersonen hatten kürzlich eine SARS-CoV-2-Infektion mit Omikron. 365 (78%) von 468 Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und 172 (79%) von 218 gesunden Kontrollpersonen füllten COVID-19 Fragebögen zu Folgeerkrankungen aus.

Zwar erfüllten mehr Patienten als Kontrollen die Post-COVID-Kriterien: 77 (21%) von 365 gegenüber 23 (13%) von 172. Als Odds Ratio geben die Autoren 1,73 (95%-KI 1,04-2,87) an. Die OR hat sich nach Bereinigung um potenzielle Störfaktoren jedoch auf 1,53 (95%-KI 0,90-2,59] verringert

Obwohl mehr Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen Symptome angaben, die Long-COVID ähneln, deuten die Daten darauf hin, dass viele dieser Beschwerden auf die zugrunde liegende rheumatische Erkrankung zurückgeführt werden können. 

Long-/Post-COVID: Was bringen Ozon-Eigenbluttherapien?

Da nach wie vor evidenzbasierte Therapien gegen Post- oder Long-COVID fehlen, versuchen Ärzte, allerlei experimentelle, aus anderen Bereichen bekannte Verfahren einzusetzen, etwa die Ozon-Eigenbluttherapie. Jetzt hat der Medizinischer Dienst Bund, Herausgeher des IGeL-Monitors, eine Bewertung dazu veröffentlicht. 

Bei dem Verfahren wird eine kleine Menge venöses Blut entnommen. Das Blut wird mit medizinischem Ozon angereichert und danach intravenös oder intramuskulär appliziert. Die Kosten pro Sitzung liegen bei ungefähr 70 Euro. Meist werden 6 bis 10 Sitzungen angeboten mit dem Ziel, entzündlichen Prozessen im Körper entgegenwirken. 

Bei Literaturrecherchen fand das Team des IGeL-Monitors keine abgeschlossene Studie zur Evidenz. Aussagen zum Nutzen oder zu einem möglichen Schaden ließen sich nicht ableiten. Damit blieb es bei „unklar“ als Bewertung. Die Therapie kann unter dem Blickwinkel der evidenzbasierten Medizin aktuell nicht empfohlen werden. 

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Kommentar

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