Säumige Patienten – KVen suchen Auswege: No-Show-Gebühr in Bremen und andere Vorschläge

Christian Beneker

Interessenkonflikte

7. Juni 2023

Nicht nur ein Ärgernis, sondern auch eine Gefahr: unentschuldigt versäumte Arzttermine. Sie bringen den Ablauf in der Praxis durcheinander und nehmen Patienten, die womöglich dringend eine Behandlung gebraucht hätten, den Termin weg.

Zahlen einiger Kassenärztlicher Vereinigungen und eine Twitter-Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zeigen, dass Ärztinnen und Ärzte zum Teil über einen 30-prozentigen Ausfall vereinbarter Termine klagen.

 
Über die Höhe der Gebühr haben wir uns bewusst noch keine Gedanken gemacht. Christoph Fox
 

In Bremen hat man nun Nägel mit Köpfen gemacht und hat durchgezählt. Das Ergebnis: Über alle Facharztgruppen verfielen im Laufe eines Jahres durchschnittlich 21% der Termine, die über die Terminservicestelle an Bremer Patienten vermittelt wurden. Es dreht sich um sogenannte „No-Shows, die nicht durch gute Gründe, wie z.B. das Erleiden eines Verkehrsunfalls auf dem Weg zur Praxis oder zum Krankenhaus, erklärt werden können“, teilte die KV-HB in ihrem Landesrundschreiben Anfang Juni mit. Nun sollen solche No-Shows durch eine No-Shows-Gebühr belegt werden. Sie soll durch die Krankenkasse des säumigen Patienten eingezogen und an die betroffenen Praxen ausgezahlt werden.

 
Wir wollen zunächst nur den Finger in die Wunde legen und Aufmerksamkeit für das Problem schaffen. Christoph Fox
 

„Über die Höhe der Gebühr haben wir uns bewusst noch keine Gedanken gemacht“, sagt Christoph Fox, Sprecher er KV-HB, zu Medscape. „Wir wollen zunächst nur den Finger in die Wunde legen und Aufmerksamkeit für das Problem schaffen.“

Termintreue in Bremen: 44% No-Show-Rate bei Internisten

Die KV-HB wollte Näheres wissen über die Termintreue der Patientinnen und Patienten, die über die 116117-Terminservicestellen (TSS) einen Termin erhalten haben. Ausgewertet wurde die Termintreue der TSS-Patienten aus den Quartalen 1/2021 bis 1/2022. Danach betrug die „No Show-Rate“ in den Praxen über 18 Facharztgruppen im Durchschnitt 21%.

Von den 16.532 vermittelten Termine entfielen in den Quartalen 1/2021 bis 1/2022 zum Beispiel auf die Neurologen 1.049 mit einer No-Show-Rate von 18%. Gynäkologen verzeichneten bei 540 TSS-vermittelten Terminen eine No-Show-Rate von 32%.

Bei den hausärztlichen Internisten lag die Rate bei 486 vermittelten Terminen bei 44%; damit wies diese Arztgruppe die höchste Rate auf. Das heißt, dass die Bremer hausärztlichen Internisten im Untersuchungszeitraum 214 vereinbarte Termine streichen mussten.

Ähnlich hoch lag sie bei den praktischen und Allgemeinärzten mit 36% (520 vermittelte Fälle). Am niedrigsten lag die Rate bei den internistischen Rheumatologen mit 5% bei 241 vermittelten Terminen.

Der Dreh- und Angelpunkt der Gesundheitsversorgung bleibe der persönliche Arzt- und Psychotherapeuten-Termin, mahnte die KV-HB. „Wer einen solchen Termin erhält, hat auch die Verantwortung, diesen Termin abzusagen, sobald dessen Verhinderung bekannt wird. Warum? Ganz einfach: Damit ein anderer bedürftiger Mensch, der sonst länger, vielleicht auch zu lange warten muss, davon profitieren kann.“

Auch vor dem Hintergrund des Ärztemangel und der knapper werdenden Ressourcen sei der schonende Umgang mit der Arzt-Zeit Gebot der Stunde, so die KV-HB.

No-Show in den Praxen ist ein verbreitetes Problem

KV-Bremen-Sprecher Fox sagte: „Wir wissen nicht, wie es in anderen KVen aussieht. Aber wir vermuten, dass das Bremer Problem kein lokales ist, sondern ein deutschlandweites sein könnte.“

Tatsächlich haben auch andere KVen die No-Show-Rate ermittelt. Zum Beispiel die KV Schleswig-Holstein. Hier betrage die No-Show-Rate allerdings durchschnittlich nur 6,3%, wie Marco Dethlefsen sagt, Sprecher der KV-SH.

Auch eine Twitter-Umfrage zum Thema, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) kürzlich gestartet hat, wartet mit Zahlen auf. Dort berichteten Kommentatoren von einer beständigen No-Show-Rate von 10% bis 20%. „Allerdings sind die Einzelerfahrungen“, betont eine KBV-Sprecherin. „Valide Zahlen zum Thema haben wir nicht.“

 
Wir vermuten, dass das Bremer Problem kein lokales ist, sondern ein deutschlandweites sein könnte. Christoph Fox
 

Auch der Virchowbund befrage seine Mitglieder regelmäßig zum Thema, sagt Adrian Zagler, Sprecher des Virchowbundes, zu Medscape. Aus den Praxen wurde laut einer internen Umfrage aus dem Jahr 2018 berichtet, dass bis zu 30% der über TSS vermittelten Termine von den Patienten unentschuldigt versäumt wurde, so Zagler.

Peitsche oder Zuckerbrot?

Um die No-Show-Rate zu senken, machen Ärzte, KVen und Verbände sehr unterschiedliche Vorschläge. Die KV Bremen erinnerte neben der Säumnisgebühr an die Möglichkeiten, die Patienten mit Terminen vor der Konsultation per Telefon oder per Post an den Gang zum Arzt zu erinnern. „Auch wenn dieses Vorgehen mit einem zusätzlich bürokratischen Aufwand für die Praxis verbunden ist, erscheint es sinnvoll, da bei einer Absage der Termin anderweitig vergeben werden kann“, so die KVHB. Dies hätte auch einen erzieherischen Effekt. Es „könnte durch eigenständige Kontaktaufnahme einer Praxis die Compliance der Patienten erhöht und gegebenenfalls neue Termine vereinbart werden.“

Die AOK Bremen/Bremerhaven kritisiert die No-Show-Gebühr. „Ich wüsste nicht, wie wir die Gebühr von den einzelnen Versicherten eintreiben sollten, da müssten wir die Versicherten ja quasi einzeln einbestellen – das geht aber so nicht“, sagt Jörn Hons, Sprecher der AOK Bremen/Bremerhaven, zu Medscape. Er schlug vor, die säumigen Patienten der Terminservicestelle zu melden, die die Betroffenen dann im Nachhinein auf den verfallenen Termin aufmerksam machen können.

Der Virchowbund ruft nach dem Gesetzgeber und will Patientinnen und Patienten, die ihre Arzttermine unentschuldigt verstreichen lassen, für alle weiteren Vergaben über die Terminservicestellen für einen längeren Zeitraum ausschließen – „idealerweise 4 Wochen“, so der Virchowbund auf Anfrage von Medscape.

Lösung wie in Schleswig-Holstein?

Die effektivste Lösung könnte vielleicht bereits Schleswig-Holstein gefunden haben. Schließlich können sich die Ärztinnen und Ärzte des Landes über eine besonders geringe No-Show-Rate von 6,3% freuen. Möglicherweise rührt diese Termintreue der Nordlichter von einer besonderen Handhabung der Terminvermittlung durch die TSS her.

„Wir vermitteln die Termine nicht direkt, sondern teilen dem Patienten Praxen mit freien Terminen in seiner Umgegend mit“, erklärt KV-SH-Sprecher Dethlefsen. „Dort rufen die Patientinnen und Patienten dann an und vereinbaren den Termin selbst.“ Durch den direkten Kontakt könnte bei den Patientinnen und Patienten eine größere Verbindlichkeit und damit auch größere Termintreue entstanden sein.

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