Initiative im Bundesrat gegen Profitgier: So wollen Minister Investoren-MVZ regulierten – oder sind die Ängste übertrieben?

Christian Beneker

Interessenkonflikte

7. Juni 2023

Am 31. Mai haben die Gesundheitsminister von Rheinland-Pfalz und Bayern und die Gesundheitsministerin von Schleswig-Holstein beim Bundesrat eine gemeinsame Bundesratsinitiative zur Regulierung der investorenbetriebenen Medizinischen Versorgungszentren (iMVZ) eingebracht.

Die 3 Ressortchefs machen sich Sorgen um die Unabhängigkeit der iMVZ. Aus Sicht von Klaus Holetschek (CSU) aus Bayern, Clemens Hoch (SPD) aus Rheinland-Pfalz und Prof. Dr. Kerstin von der Decken (CDU) aus Schleswig-Holstein könnten die iMVZ zum Beispiel durch Monopolbildung die Trägervielfalt bei den MVZ gefährden. Dabei sei die Trägervielfalt Garant der ärztlichen Unabhängigkeit, sagte von der Decken bei der Vorstellung des Antrags im Bundesrat. Deshalb soll der Bund ein „MVZ-Regulierungsgesetz“ schaffen.

„Wir wollen die MVZ nicht abschaffen“, sagte von der Decken. „Aber wir wollen die gegenwärtigen Rahmenbedingungen zu Gründung, Erwerb und zum Betrieb ändern.“

Verhindern, dass Arztpraxen Renditeobjekte werden

Investoren aus dem Ausland hätten die MVZ als Renditeobjekt entdeckt, so von der Decken, sie hätten bereits eine ganze Reihe von Arztsitzen aufgekauft. Weil die Investoren selbst keine Arztpraxen betreiben dürfen, nutzen sie einen Kniff: Sie kaufen ein kleines Krankenhaus auf, das als reines Investitionsvehikel dient. Denn diese Häuser gründen dann MVZ in ganz Deutschland. Diese MVZ kaufen ihrerseits Arztpraxen auf und integrieren sie in ihren Verbund, so von der Decken.

„Es besteht also keinerlei Zusammenhang zwischen dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses und der Tätigkeit der von den MVZ angestellten Ärztinnen und Ärzte“, sagte die Ministerin vor dem Bundesrat.

Solche Vergewerblichung würde eine Reihe von Problemen aufwerfen, erklärten die 3 Minister:

  • Versorgungskapazitäten werden tendenziell in lukrative Ballungsgebiete verlagert, das ist gefährlich für die Versorgung auf dem Land.

  • Es werden besonders viele umsatzsteigernde Leistungen angeboten. Darunter leidet das Angebot an guten, leitlinienbasierten, preiswerten Leistungen.

  • Es könne durch die Gründung von MVZ und den flächendeckenden Aufkauf von Arztsitzen einer Fachrichtung lokale Behandlungsmonopole entstehen.

Nach einer Studie müssen die Kassen 10% mehr Geld für Behandlungen in iMVZ ausgeben als für den Durchschnitt der Behandlungen.

Kritik an iMVZ – eher gefühlt als faktenbasiert?

Kritik an der Bundesratsvorlage kommt zum Beispiel von Susanne Müller, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Medizinische Versorgungszentren (BMVZ). Für sie fehlt der kritischen Haltung den iMVZ gegenüber die Faktengrundlage. „Da wird ganz viel mit Gefühlen und Behauptungen statt mit Fakten gearbeitet“, sagt Müller zu Medscape.

Die Fakten indessen sprächen für die iMVZ. So sei es zum Beispiel verfassungsrechtlich problematisch, die Trägereinschränkung – wie in dem Papier der 3 Gesundheitsminister vorgesehen – durchzusetzen.

Auch sei es „null belegbar“, dass die Investoren eher MVZ in Ballungsgebieten eröffnen würden als auf dem Land, so Müller. Genaueres lasse sich anhand der Zahlen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) ermitteln. Danach liegen 20% der zahnärztlichen MVZ auf dem Land. „Das gilt auch für die Untergruppe der investorenbetriebenen MVZ“, so Müller. Dabei sei natürlich zu bedenken, dass auf dem Land nur rund 15% der Menschen leben.

Auch den Vorwurf, dass iMVZ tendenziell teure Leistungen verkaufen wollen, lässt Müller nicht gelten, denn „nirgends ist das Leistungskorsett so eng wie in der vertragsärztlichen Versorgung“ sagt sie. Der Spielraum zum Rosinenpicken sei deshalb vergleichsweise klein. Zudem würde die Beschränkung der Leistungen auch einen tiefen Eingriff in die Arbeit der Ärzte bedeuten, „den sich kein Arzt auf Dauer würde bieten lassen“, so Müller. „Schließlich haben wir einen Arbeitnehmermarkt.“

Auch der Vorwurf, iMVZ seien in der Versorgung zu teuer, sei so nicht richtig, wie eine iGES-Studie über die Honorarumsätze der Bayerischen iMVZ zeige: Bei 3 von 7 Fachrichtungen haben iMVZ weniger abgerechnet als die Einzelpraxis, bei den Hausärzten war es gleich, und nur bei Augenmedizin, Gynäkologie und Innere Medizin ergab die Studie zwischen 10% und 16% höhere Honorarforderungen. „Daraus ist der Durchschnittswert von 10% errechnet worden“, sagt Müller.

Es rechneten also iMVZ nicht grundsätzlich mehr Leistungen ab als die Einzelpraxis, vielmehr gebe es eine starke fachrichtungsbezogene Komponente. Im Übrigen habe die Studie ergeben, dass in allen Fachrichtungen das höchste Honorarvolumen von MVZ in Vertragsärztehand abgerechnet wurde.

Verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen

Offenbar wollen aber die 3 Minister vorbauen und einem möglicherweise problematischen Geschäftsgebaren der iMVZ das Wasser abgraben. Deshalb sollen Gründung, Erwerb und Betrieb von MVZ „neu justiert“ werden, sagte von der Decken vor dem Bundesrat und stellte Maßnahmen vor, die in einem entsprechenden Gesetz berücksichtigt werden sollten:

  • Krankenhäuser sollen nur noch im Umkreis von 50 Kilometern MVZ gründen dürfen. Ausnahmen gelten für Bereiche, die unterversorgt sind oder von Unterversorgung bedroht sind.

  • Um lokale Marktmacht zu begrenzen, soll der Versorgungsanteil neu gegründeter MVZ bei Hausärzten auf höchstens 25% begrenzt werden und bei Fachärzten auf höchstens 50%.

  • Es soll ein Abberufungs- und Kündigungsschutz zugunsten ärztlicher MVZ-Leitungen eingeführt werden. So soll der Einfluss von Kapitalinteressen gebändigt werden.

  • Zukünftig sollen Verträge mit der ärztlichen Leistung verpflichtend den Kassenärztlichen Vereinigungen vorgelegt werden.

  • Ein bundesweites MVZ-Register und eine Kennzeichnungspflicht von Trägern und Betreibern auf dem Praxisschild sollen mehr Transparenz schaffen.

„Der Bund muss nun endlich tätig werden!“, schloss von der Decken ihre Rede und erinnerte an die Zusage von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD): Er hatte bereits im Januar erklärt, er wolle verhindern, dass „Investoren mit absoluter Profitgier Arztpraxen aufkaufen.“

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