Vermutlich wird jeder Arzt im Laufe der Zeit einmal um ein Gefälligkeitsattest gebeten. Manche fühlen sich verpflichtet, dem Wunsch nachzukommen – andere lehnen es kategorisch ab, Atteste ohne medizinischen Grund auszustellen. Anna Stenger, Fachanwältin für Medizinrecht bei der Anwaltskanzlei Lyck+Pätzold. healthcare.recht, klärt über mögliche Konsequenzen von Gefälligkeitsattesten auf.
Angestellten droht die Kündigung
Dass Beschäftigten bei der Vorlage einer falschen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Gefälligkeitsatteste) eine fristlose Kündigung droht, zeigte jüngst ein Fall vor dem Arbeitsgericht Siegburg (5 Ca 1200/22). Eine Pflegeassistentin meldete sich krank und ging abends feiern. Sie postete in ihrem Whatsapp-Status Party-Fotos. Der Arbeitgeber kündigte ihr fristlos, woraufhin sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes vorlegte, der ihr eine psychische Erkrankung bescheinigte, obwohl sie sich ursprünglich wegen eines grippalen Infekts krankgemeldet hatte.
Das Arbeitsgericht ging von einer falschen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, einem Gefälligkeitsattest, durch den Arzt aus und sah die fristlose Kündigung der Pflegeassistentin als wirksam an. Doch nicht nur Angestellte müssen mit juristischen Folgen rechnen.
Welche rechtlichen Konsequenzen müssen Ärzten, die Gefälligkeitsatteste ausstellen, fürchten?
Ärzte, die bewusst falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen, machen sich strafbar. Gemäß § 278 des Strafgesetzbuches (StGB) kann dies mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. In besonders schweren Fällen kann die Freiheitsstrafe sogar bis zu 5 Jahre betragen. Zudem können auch berufsrechtliche Konsequenzen wie der Entzug der Approbation oder der Zulassung zur ärztlichen Tätigkeit drohen.
Seit wann ist das Ausstellen falscher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen strafbar?
Während lange Zeit nur das Ausstellen falscher Gesundheitszeugnisse gegenüber Behörden oder Versicherungsgesellschaften strafbar war, wurde diese Vorschrift Ende 2021 geändert. Anlass waren falsche Masken-Atteste, falsche Testbescheinigungen und falsche Impfpässe während der Corona-Pandemie.
Aus der Formulierung „zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft“ wurde „zur Täuschung im Rechtsverkehr“, wodurch der Gesetzgeber den Anwendungsbereich von § 278 StGB erheblich erweitert hat, um Strafbarkeitslücken zu schließen.
Welche weiteren Konsequenzen können sich für Ärzte ergeben, die Gefälligkeitsatteste ausstellen?
Neben den strafrechtlichen Konsequenzen können Ärzte auch berufsrechtliche Folgen erleiden. Gemäß § 25 der Musterberufsordnung der Ärzte (MBO) müssen sie bei der Ausstellung von Gutachten und Zeugnissen mit Sorgfalt handeln und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung ausdrücken. Das Ausstellen von Gefälligkeitsattesten verstößt gegen diese Bestimmungen und kann zu berufsrechtlichen Maßnahmen führen, einschließlich des Entzugs der Approbation oder der Zulassung.
Welche Auswirkungen kann das Ausstellen von Gefälligkeitsattesten auf den Praxisbetrieb haben?
Das Ausstellen falscher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren führen, die den Praxisbetrieb erheblich beeinträchtigen können. Dies kann Durchsuchungen der Praxisräume, die Beschlagnahme von Behandlungsakten und Praxiscomputern oder andere strafverfolgungsbezogene Maßnahmen umfassen.
Fazit: Besser keine falschen Bescheinigungen ausstellen
Wenn aus ärztlicher Sicht offensichtlich keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, sind Ärzte gut beraten, keine AU auszustellen. Ärztinnen und Ärzte, die sich – aus welchen Gründen auch immer – auf das Ausstellen von Gefälligkeitsattesten einlassen, gefährden nicht nur ihre berufliche Reputation, sondern setzen sich auch strafrechtlichen und berufsrechtlichen Risiken aus.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Entzug der Approbation, Geld- oder Gefängnisstrafe: Was Ärzten, die falsche Atteste oder Aus ausstellen, droht - Medscape - 7. Jun 2023.
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