Im Onko-Blog dieser Woche geht es u.a. um die Assoziation zwischen einer akuten Blinddarmentzündung und dem Risiko, an Kolonkarzinom zu erkranken. Die Behandlung mit Antiandrogenen der 2. Generation ist bei Patienten mit Prostatakarzinom mit einem erhöhten Risiko kognitiver Nebenwirkungen, von Fatigue und Stürzen verbunden. Wir stellen erste Daten vom Jahreskongress 2023 der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vor, der vom 2. bis 6. Juni in Chicago und online stattfindet, und zwar zum Mammakarzinom, zum Zervixkarzinom und zum Pankreaskarzinom.
Kolonkarzinom: Appendizitis als Warnsignal
Prostatakarzinom: Neuere Antiandrogene mit erhöhtem Risiko kognitiver und funktioneller Nebenwirkungen assoziiert
Mammakarzinom: Telefoncoaching hilft beim Abnehmen
Zervixkarzinom: Neuer Therapiestandard in der First-Line-Therapie
Pankreaskarzinom: Minimal invasive Operation im frühen Stadium wirksam und sicher
Hautkrebs: Stationäre Behandlungen binnen 20 Jahren um 75% gestiegen
Kolonkarzinom: Appendizitis als Warnsignal
Eine akute Blinddarmentzündung kann ein Warnsignal für ein Kolonkarzinom sein. Dies ergab eine bevölkerungsbasierte Studie in Frankreich, die bislang als Preprint des Lancet erschienen ist. Sie zeigte, dass sich das Darmkrebs-Risiko nach einer akuten Blinddarmentzündung vervierfacht hat.
Ziel der französischen Arbeitsgruppe war, landesweit die Häufigkeit von Hospitalisierungen wegen Darmkrebs nach einer Blinddarmentzündung zu ermitteln.
Anhand der Daten von 230.512 Patienten mit akuter Appendizitis, die mit einer Kontrollgruppe von 461.024 Patienten verglichen wurden, ergab eine univariate Analyse, dass im ersten Jahr nach der Appendizitis deutlich mehr Patienten an einem Kolonkarzinom erkrankten (5 pro 10.000 vs. 2 pro 10.000, p<0,0001). Dies wurde in einer multivariaten Analyse mit einer bereinigten Hazard-Ratio von 3,93 bestätigt.
Noch häufiger war eine Assoziation der Appendizitis mit rechtsseitigem Kolonkarzinom (HR 8,21), das damit auf der gleichen Seite wie der Blinddarm liegt. Jüngere Patienten mit Appendizitis hatten ein 6-fach höheres Risiko, innerhalb eines Jahres an einem Kolonkarzinom zu erkranken.
Doch wie kann das sein? Die Autoren erörtern 3 Hypothesen, und zwar eine Änderung des Mikrobioms durch die Appendektomie, die Appendizitis als frühe Manifestation eines Kolonkarzinoms sowie die Appendizitis als Folge einer lymphoiden Hyperplasie als Reaktion auf das Kolonkarzinom.
Sie schlussfolgern: „Unabhängig vom Mechanismus (Manifestation oder Folge) zeigen unsere Ergebnisse, dass die Appendizitis eher ein Warnsignal für ein bestehendes Kolonkarzinom ist als ein Risikofaktor für dessen Entstehung.“ Ihrer Meinung nach wäre zu überlegen, ob bei allen Erwachsenen mit akuter Blinddarmentzündung eine entsprechende diagnostische Abklärung z. B. mit einer Koloskopie sinnvoll sein könnte.
Prostatakarzinom: Neuere Antiandrogene mit erhöhtem Risiko kognitiver und funktioneller Nebenwirkungen assoziiert
Die Behandlung von Prostatakarzinom-Patienten mit Antiandrogenen der 2. Generation (Abirateron, Enzalutamid, Apalutamid und Darolutamid) ist mit einem erhöhten Risiko für kognitive Störungen (RR 2,10) und für Fatigue (RR 1,34) assoziiert. Dies ergab eine systematische Übersicht und Metaanalyse mit 12 Studien und 13.524 Teilnehmern, die eine Arbeitsgruppe aus Houston (Texas) in JAMA Oncology publiziert hat.
Die 12 internationalen doppelblinden Studien stammten aus den Jahren 2008 bis 2021 und hatten Patienten mit metastasiertem und mit nicht metastasiertem Prostatakarzinom in einem medianen Alter zwischen 67 bis 74 Jahren eingeschlossen.
Die Analyse ergab ein erhöhtes Risiko für kognitive toxische Wirkungen (RR 2,10, p=0,002) und Fatigue (RR 1,34, p<0,001) mit den Antiandrogenen der 2. Generation im Vergleich zu den Kontrollarmen. Außerdem waren sie mit einem erhöhten Risiko für Stürze (RR 1,87, p<0,001) verbunden.
Bei höherem Alter war das Risiko für eine Fatigue höher. Diese Befunde stimmen mit bereits bekannten Daten überein, nach denen die Behandlung mit Antiandrogenen der 2. Generation mit einem erhöhten Risiko für Depression und kognitiver Einschränkung assoziiert ist.
Die Autoren des begleitenden Editorials weisen darauf hin, dass in der Metaanalyse nur Daten von Studienpatienten berücksichtigt worden sind. Möglicherweise könnte die unerwünschte Wirkung der neueren Antiandrogene unter Alltagsbedingungen mit älteren, sozioökonomisch unterversorgten Patienten noch ausgeprägter sein.
Die Ergebnisse würden die Bedeutung einer sorgfältigen Abwägung der Behandlungsoptionen bei Patienten mit Prostatakarzinom und die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen zu möglichen Nebenwirkungen der Antiandrogene unterstreichen.
Mammakarzinom: Telefoncoaching hilft beim Abnehmen
Übergewichtige oder adipöse Frauen mit einem Mammakarzinom nahmen mit Hilfe einer Telefon-basierten Intervention 4,8% an Körpergewicht in 12 Monaten ab im Vergleich zur Kontrollgruppe mit einer Zunahme von 0,9%.
„Unsere Studie liefert überzeugende Beweise dafür, dass Interventionen zur Gewichtsreduktion das Gewicht bei Brustkrebspatientinnen erfolgreich reduzieren können. Im nächsten Schritt werden wir untersuchen, ob dieser Gewichtsverlust zu einer geringeren Rezidiv- und Sterberate führt“, so Prof. Dr. Jennifer A. Ligibel, Dana Farber Cancer Insitute, Boston, bei einer Vorab-Pressekonferenz zur ASCO-Jahrestagung (Abstract 12001).
In der Phase-3-Studie BWEL (Breast Cancer Weight Loss) waren 3.181 Frauen mit HER2-negativem Mammakarzinom im Stadium II-III und einem BMI von mindestens 27 kg/m2 randomisiert mit Telefonintervention plus Gesundheitsaufklärung oder nur Gesundheitsaufklärung behandelt worden. Das Telefon-Coaching konzentrierte sich vor allem auf die Kalorienreduktion und auf vermehrte körperliche Bewegung.
Zervixkarzinom: Neuer Therapiestandard in der First-Line-Therapie
Die Erstlinientherapie von Frauen mit fortgeschrittenem Zervixkarzinom beinhaltet die Kombination von Pembrolizumab mit Platin-basierter Chemotherapie ohne oder mit Bevacizumab. Diese Einordnung basiert auf den finalen Ergebnissen der Phase-3-Studie KEYNOTE-826, die bei einer Vorab-Pressekonferenz zur Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) präsentiert wurden (Abstract 5500).
617 Frauen mit persistierendem, rezidiviertem oder metastasiertem Zervixkarzinom, die noch keine systemische Chemotherapie erhalten hatten, wurden randomisiert mit Pembrolizumab plus Platin-haltiger Chemotherapie mit oder ohne Bevacizumab oder mit Placebo plus Platin-haltiger Chemotherapie mit oder ohne Bevacizumab behandelt.
Wie Prof. Dr. Bradley J. Monk, Abteilung für gynäkologische Onkologie an der Creighton University School of Medicine in Phoenix, Arizona, berichtete, verbesserte die Zugabe von Pembrolizumab bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 39,1 Monaten das Gesamtüberleben (OS) und das progressionsfreie Überleben (PFS) jeweils signifikant, und zwar unabhängig von der PD-L1-Expression und unabhängig davon, ob Bevacizumab zusätzlich eingesetzt wurde oder nicht.
Die Zugabe von Pembrolizumab zu Chemotherapie ± Bevacizumab verringerte das Sterberisiko signifikant um 40% in der Gruppe mit PD-L1-CPS ≥1, um 37% in der Gesamt-Population und um 42% in der Gruppe mit PD-L1-CPS ≥10.
Pankreaskarzinom: Minimalinvasive Operation im frühen Stadium wirksam und sicher
Eine minimalinvasive Pankreatektomie mit Splenektomie ist bei Patienten mit resezierbarem Pankreaskarzinom einer offenen Operation nicht unterlegen. Dies ergab die 1. randomisierte, Patienten-verblindete Stude DIPLOMA, deren Ergebnisse bei einer Vorab-Pressekonferenz zur ASCO-Jahrestagung präsentiert wurden (Abstract 4163).
In der internationalen Nichtunterlegenheitsstudie der Phase 3 wurden 231 Patienten randomisiert minimal invasiv (n=117, MIDP-Gruppe) oder offen operiert (n=114, ODP-Gruppe).
Eine R0-Resektion wurde bei 83 (73%) Patienten in der MIDP-Gruppe und bei 76 (69%) Patienten in der ODP-Gruppe erreicht. Die mittlere Lymphknoten-Resektionsrate war mit 22,0 versus 23,0 Knoten vergleichbar, ebenso wie die Rate intraperitonealer Rezidive (41% vs. 38%). In beiden Gruppen dauerte es im Mittel 5 Tage, bis sich die Patienten funktionell erholt hatten.
Die Kurven für das Gesamtüberleben und für das krankheitsfreie Überleben zeigten mit einer Hazard-Ratio von 0,99 und 0,97 einen nahezu identischen Verlauf.
Schwere unerwünschte Wirkungen wurden bei 18% in der MIDP- und bei 22% in der ODP-Gruppe beobachtet
Prof. Dr. Mohammad Abu Hilal, Direktor der Chirurgischen Abteilung am Instituto Ospedaliero Fondazione Poliambulanza in Brescia, Italien, erläuterte, dass in der Studie mit der MIDP kein Nutzen hinsichtlich kürzerer Krankenhausaufenthalte oder hinsichtlich einer besseren funktionellen Erholung gezeigt worden sei. Er vermutete jedoch, dass dies auf Unterschiede in der postoperativen Versorgung in den teilnehmenden Zentren zurückzuführen sein könnte.
Er betonte auch, dass „die besten Ergebnisse in Zentren erzielt werden, in denen Chirurgen mehr als mindestens 50 Pankreasresektionen pro Jahr durchführen“, weil der minimalinvasive Ansatz „ziemlich komplex und schwierig“ sei, mehr noch als die offene Operation.
Hautkrebs: Stationäre Behandlungen binnen 20 Jahren um 75% gestiegen
In den vergangenen 20 Jahren hat die Zahl der Krankenhausbehandlungen wegen Hautkrebs stetig zugenommen. 2021 wurden 75% mehr Fälle als 2001 im Krankenhaus stationär behandelt und 55% mehr Patienten starben, heißt es in einer Mitteilung des Statistischen Bundesamts (Destatis).
Im Jahr 2021 wurden 105.700 Menschen mit der Diagnose Hautkrebs im Krankenhaus stationär behandelt. Zugenommen haben vor allem die Behandlungsfälle aufgrund des hellen Hautkrebses (Plattenepithel- und Basalzellkarzinom), und zwar um 114% von 38.400 Fällen im Jahr 2001 auf 82.100 im Jahr 2021. Wegen eines Melanoms wurden in 2021 genau 23.700 Menschen stationär behandelt. Das waren 7,0% mehr als 2001.
An Hautkrebs starben im Jahr 2021 etwa 4.100 Menschen und damit 55% mehr als im Jahr 2001 mit rund 2.600 Toten. Im selben Zeitraum ist die Zahl der Todesfälle wegen Krebserkrankungen insgesamt lediglich um 10% gestiegen. Die Hälfte der 2021 an Hautkrebs Gestorbenen waren mindestens 80 Jahre alt, mehr als 1 Drittel war mindestens 85 Jahre alt.
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Photographer: © Evgeny Nekrasov
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Diesen Artikel so zitieren: Appendizitis als Vorbote eines Kolonkarzinoms?; Zahl der stationären Hautkrebs-Therapien steigt in 20 Jahren um 75% - Medscape - 30. Mai 2023.
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