Erdnussallergie: Allergenpflaster schützt Kleinkinder vor schweren allergischen Reaktionen – noch keine Langzeitdaten

Nicola Siegmund-Schultze  

Interessenkonflikte

26. Mai 2023

Für Kleinkinder mit Erdnussallergie hat sich ein neues Konzept zur Toleranzinduktion als sicher und wirksam erwiesen: die epikutane Immuntherapie. 2 Drittel der Kinder, denen täglich ein Pflaster zwischen die Schulterblätter geheftet wurde, erreichten in einer prospektiv randomisierten, placebokontrollierten Phase-3-Studie nach 12 Monaten eine Desensibilisierung, in der Placebogruppe war es 1 Drittel [1,2]

Damit halbierte sich das Risiko für anaphylaktische Reaktionen auf unbeabsichtigt verzehrte Erdnussbestandeile. Die Prophylaxe mit dem Allergenpflaster wird als sicher bewertet. Schwere unerwünschte Therapieeffekte waren selten und mit Epinephrin schnell kontrollierbar.

Erdnuss-Allergien häufig Ursache von Anaphylaxien

Zum Hintergrund: Erdnüsse sind die häufigsten Auslöser nahrungsmittelinduzierter Anaphylaxien im Kindesalter. Erdnussallergien entwickeln sich typischerweise in den ersten Lebensjahren und halten bei 70-80% der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter an. Das bedeutet für Jahrzehnte, erdnusshaltige Lebensmittel vermeiden zu müssen, da es bislang keine etablierte langzeitwirksame Desensibilisierungstherapie gibt. 

Außer oralen Immuntherapien werden auch epikutane Konzepte geprüft. In der Phase-3-Studie EPITOPE ist das Peanut-Patch Viaskin von DBV Technologies bei Kindern zwischen 1 und 3 Jahren untersucht worden. 

Design der Studie

Die Forscher führten eine internationale, prospektiv randomisierte, placebokontrollierte und doppelblinde Phase-3-Studie durch. Eingeschlossen wurden pädiatrische Patienten zwischen 1 und 3 Jahren mit Erdnussallergie, die in einem placebkontrollierten, doppelt verblindeten Setting diagnostisch abgesichert wurde (Provokationstest mit 1 bis 300 mg Protein). 

Die Randomisierung erfolgte im Verhältnis 2 : 1 in eine Gruppe mit epikutaner Immuntherapie (Allergenpflaster Viaskin® Peanut 250 µg zwischen die Schulterblätter geklebt mit einem Wechsel pro Tag) oder mit Placebo (Pflaster in identischer Form und Größe ohne Wirkstoff).

Primärer Endpunkt war ein Provokationstest im Monat 12 mit bis zu 2.000 mg Erdnussprotein, der einen sicheren Verzehr von mindestens 1.000 mg Erdnussprotein belegte. Die kumulative Dosis betrug maximal 3.444 mg. 

Das Pflaster ist laut Studie sicher und wirksam

362 Probanden im durchschnittlichen Alter von 2,4 Jahren wurden randomisiert, gut 2 Drittel von ihnen waren Mädchen. 307 Patienten beendeten die Studie, davon waren 208 in der Verumgruppe und 99 im Placeboarm.

67,0% in der Verumgruppe erreichten nach 12 Monaten den primären Endpunkt und 33,4% waren es im Placeboarm (p<0,001). 1.000 mg Erdnussprotein entspricht 3-4 Erdnüssen, die beim Erreichen des Endpunkts sicher aufgenommen werden konnten. 37% der Probanden in der EPITOPE-Studie vertrugen auch mindestens 10 Erdnüsse ohne allergische Reaktion, verglichen mit 10% im Placeboarm. Der Anstieg des Anteils der Patienten mit Desensibilisierung im Placeboarm wird auf einen spontanen Rückgang der Allergie zurückgeführt.

1,6% der Probanden in der Verumgruppe (n=4) hatten behandlungsassoziierte anaphylaktische Reaktionen. Bei 3 von ihnen ließen sich diese mit einer Epinephrin-Dosis lösen. Der 4. Patient benötigte kein Epinephrin.

Neue Strategie der Risikominimierung 

Eine epikutane Densensibilierungstherapie reduziert bei Kleinkindern mit Erdnussallergie das Risiko für allergische Reaktionen in einem klinisch relevanten Ausmaß, so das Fazit des Studienteams. Außerdem sei die Behandlung sicher, schreiben die Autoren. Allerdings sei in der Studie nicht geprüft worden, ob und wenn ja, wie lang der Schutzeffekt über die Behandlungsdauer von 12 Monaten hinaus anhalte.

Das Fehlen längerfristiger Daten zur Effektivität des Allergenpflasters wird auch im Kommentar kritisch angemerkt, schließlich sei das Ziel einer Desensibilisierung die anhaltende Toleranzinduktion. Im Vergleich mit den bisherigen Studien zur oralen Immuntherapie von Erdnussallergien im Kindesalter aber induziere die epikutane Applikation seltener allergische Reaktionen, die einer Epinephrin-Behandlung bedürften. Dies sei ein Vorteil und es sei außerdem denkbar, dass sich das epikutane System zur Toleranzinduktion auch bei verschiedenen anderen Nahrungsmittelallergien eigne.

Die Pflaster enthalten ein Depot mit dem Allergen. Durch das Tragen auf der Haut entwickelt sich eine kleine feuchte Kammer, aus der das Allergen in die Epidermis eindringt. Es wird dann von migratorischen Langerhans- und/oder dendritischen Zellen aufgenommen, die in die Lymphknoten wandern und eine Immunmodulation auslösen. 

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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