Im Onko-Blog dieser Woche berichten wir u.a. über häufige Zufallsbefunde beim Lungenkrebs-Screening mit Low-Dose-CT und über das höhere Sterberisiko von MGUS-Patienten durch COVID-19. Eine dänische Zwillingsstudie ergab, dass ein Trauma das Risiko für Krebs, immunvermittelte Krankheiten und vorzeitigen Tod erhöhen kann. HIV-Patienten mit Krebs sind in Studien in der Regel nicht zugelassen, Real-World-Daten ergaben nun, dass Immuncheckpoint-Inhibitoren bei ihnen vergleichbar gut wirken und vertragen werden wie bei Patienten ohne HIV. Erschreckend ist, dass bei fast 20% der onkologischen Phase-3-Studien der primäre Endpunkt im Verlauf der Studie geändert wird, dies aber bei der Mehrzahl in der Publikation nicht mitgeteilt wird.
Lungenkrebs-Vorsorge: Häufig Zufallsbefunde bei CT-Screening
MGUS: Höheres Sterberisiko durch COVID-19
Trauma: Risiko für Krebs, immunvermittelte Krankheiten und vorzeitigen Tod erhöht
Ungewollter Gewichtsverlust: Häufig nicht erkannt
Immuncheckpoint-Inhibitoren: Bei Krebspatienten mit HIV wirksam und sicher
Onkologische Phase-3-Studien: Primärer Endpunkt bei fast 20% geändert
Lungenkrebs-Vorsorge: Häufig Zufallsbefunde bei CT-Screening
Bei 34% der Teilnehmer an einem Lungenkrebs-Screening mit Low-Dose-CT wurden bedeutsame Zufallsbefunde wie Emphyseme, Koronarkalk und Raumforderungen bzw. verdächtige Läsionen an Nieren, Leber, Nebennieren oder Brust entdeckt. Dies ergab eine retrospektive Fallserien-Analyse von 26.455 Teilnehmern des US-amerikanischen National Lung Screening Trial, deren Ergebnisse in JAMA Internal Medicine erschienen sind.
Ein CT-Screening auf Lungenkrebs kann die Sterblichkeit an dieser Erkrankung senken. Die retrospektive Fallserie analysierte nun, wie häufig welche Zufallsbefunde dabei festgestellt wurden.
Jeder der 26.455 Teilnehmer hatte sich im Verlauf der Studie 3 Untersuchungen unterzogen; insgesamt wurden 75.126 CT-Screening-Untersuchungen durchgeführt. Bei 8.954 (33,8%) der 26.455 Teilnehmer wurde 1 Zufallsbefund gemeldet.
Zu den am häufigsten Zufallsbefunden zählten Emphyseme (43,0%), Koronarkalk (12,1%) und Raumforderungen oder verdächtige Läsionen (7,4%). Zu den Raumforderungen zählten Nieren- (3,2%), Leber- (2,1%), Nebennieren- (1,3%) und Brustveränderungen (0,8%).
Ärzte sollten Teilnehmer an diesen CT-Screenings darauf hinweisen, dass relativ häufig Zufallsbefunde erhoben werden, die zu weiteren diagnostischen Maßnahmen führen können.
MGUS: Höheres Sterberisiko durch COVID-19
Patienten mit einer monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) haben zwar ein geringeres Risiko, an COVID-19 zu erkranken als Personen ohne MGUS. Wenn sie jedoch erkranken, ist ihr Sterberisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht und ihre Überlebenszeit verkürzt. Dies berichtet eine amerikanische Arbeitsgruppe in Clinical Lymphoma Myeloma & Leukemia .
In einer retrospektiven Kohortenanalyse identifizierte sie mit Hilfe des TriNetX Global Collaborative Network 58.668 MGUS-Patienten mit COVID-19 und verglichen sie mit 58,668 gematchten COVID-19-Patienten ohne MGUS.
MGUS-Patienten hatten ein geringeres Risiko (10,34%) an COVID-19 zu erkranken als die Patienten der Vergleichsgruppe (11,72%, RR 0,88).
Die Sterblichkeit an COVID-19 war mit einem Risiko von 9,77% in der MGUS-Gruppe höher als bei Nicht-MGUS-Patienten mit 8,61%. Eine Kaplan-Meier-Analyse ergab eine signifikant verringerte Überlebensrate bei MGUS-Patienten mit COVID-19 im Vergleich zu Nicht-MGUS-Patienten (Hazard-Ratio 1,14, p=0,03).
Nach Meinung der Autoren rechtfertigen diese Ergebnisse besondere Vorsichtsmaßnahmen bei MGUS-Patienten, z.B. mit angemessenen Impf- und Behandlungsplänen.
Trauma: Risiko für Krebs, immunvermittelte Krankheiten und vorzeitigen Tod erhöht
Ein mittelschweres oder schweres Trauma erhöht das Risiko eines vorzeitigen Todes, einer immunvermittelten Erkrankung oder von Krebs. Dies ergab eine kontrollierte dänische Kohortenstudie mit Zwillingen, die in JAMA Surgery publiziert wurde.
Die Autoren analysierten mit Hilfe von Daten aus dem dänischen Zwillingsregister und dem nationalen Patientenregister 2.290 Zwillingspaare im mittleren Alter von 36,4 Jahren, von denen 1 Zwilling ein Trauma erlitten hatte. Sie wurden nachbeobachtet, bis bei einem Zwilling ein Ereignis des primären Endpunkts wie Tod oder eine von 24 vordefinierten Krebs- oder immunvemittelten Erkrankungen auftrat. im Median wurden die Zwillinge 8,6 Jahre nachbeobachtet.
Ein koprimärer Endpunkt wurde bei 1.268 Zwillingspaaren registriert, und zwar war in 32% der Fälle der traumatisierte Zwilling und in 24% der Fälle der nicht traumatisierte Zwilling als erster betroffen (HR 1,33).
Für Tod ergab sich eine HR von 1,91, für eine immunvermittelte Erkrankung oder Krebs von 1,28. Nach Meinung der Autoren könnte das erhöhte Risiko für Krebs oder immunvermittelte Erkrankungen auf die rasche Inaktivierung des Immunsystems durch ein Trauma zurückzuführen sein.
„Die Studie ist äußerst aufschlussreich“, heißt es im begleitenden Editorial. Da es zwischen ein- und zweieiigen Zwillingen keine Unterschiede gab, vermuten die Editorialisten neben genetischen Einflüssen noch viele weitere Faktoren, die für langfristigen Ergebnisse wichtig sein könnten.
Ungewollter Gewichtsverlust: Häufig nicht erkannt
Ein ungewollter Gewichtsverlust wird in der Primärversorgung häufig nicht erkannt. Wie eine amerikanische Arbeitsgruppe in Diagnosis berichtet, wurde ein nicht beabsichtigter Gewichtsverlust bei 290 von 29.494 Patienten nur in 21% der Fälle nachgewiesen.
Die Arbeitsgruppe untersuchte Häufigkeit eines ungewollten Gewichtsverlust (UGV), Erkennungsrate, Diagnosepraktiken und Krebserkrankungen bei 29.494 Erwachsenen in der Grundversorgung. Nach vordefinierten Kriterien litten davon 290 (1%) an einem UGV, der von den Ärzten aber nur in 21% der Fälle (n=60) erkannt wurde. Ein UGV war bei älteren Menschen häufiger und wurde bei ihnen auch häufiger erkannt.
3 häufige Maßnahmen als Reaktion auf den erkannten UGV waren ein komplettes Blutbild, ein komplettes metabolisches Profil und die Messung der Schilddrüsenparameter.
Bei 5 Patienten wurde innerhalb von 12 Monaten nach Erkennung des UGV eine Krebserkrankung diagnostiziert, davon hatte der Arzt in der Grundversorgung den UGV in 3 Fällen erkannt, in 2 Fällen nicht erkannt.
Immuncheckpoint-Inhibitoren: Bei Krebspatienten mit HIV wirksam und sicher
In Studien sind Krebspatienten mit HIV-Infektion ausgeschlossen. In einer retrospektiven Real-World-Studie konnte nun gezeigt werden, dass sie ebenso wie Patienten ohne HIV mit Immuncheckpoint-Inhibitoren sicher und wirksam behandelt werden können.
Wie die internationale Arbeitsgruppe im Journal of Clinical Oncology berichtet, analysierte sie die Daten von 390 HIV-infizierten Patienten mit Krebs im fortgeschrittenen Stadium, die mit einem Immuncheckpoint-Inhibitor behandelt worden sind. Sie waren v.a. an Lungenkarzinomen (28%), Leberkrebs (11%) sowie Kopf-und-Hals-Tumoren (10%) erkrankt.
Bei 20% traten immunvermittelte unerwünschte Ereignisse aller Schweregrade und bei 7,7% vom Grad ≥3 auf. Die Aktivität der Immuncheckpoint-Inhibitoren war bei Patienten mit HIV ähnlich wie bei historischen und gematchten Kontrollen ohne HIV.
Bei NSLCL betrugen die 24-Monats-OS-Raten 42,3% für HIV-Infizierte gegenüber 41,5% für Patienten ohne HIV, während die 24-Monats-PFS-Raten 17,8% bzw. 18,4% betrugen. Auch die objektiven Ansprechraten (ORR) waren zwischen den Gruppen ähnlich (28% vs. 36%, p=0,31).
Onkologische Phase-3-Studien: Primärer Endpunkt bei fast 20% geändert
Änderungen des primären Endpunkts nach Studienbeginn sind bei onkologischen Phase-3-Studien mit fast 20% relativ häufig. In den Publikationen wurden die Endpunkt-Änderungen jedoch nur selten mitgeteilt. Dies berichtet eine amerikanische Arbeitsgruppe in JAMA Network Open aufgrund in einer Querschnittsstudie mit 755 Phase-3-Studien.
Änderungen des primären Endpunkts (PEP) einer aktiven klinischen Studie können die Studienqualität in Frage stellen und das Risiko einer Verzerrung der Ergebnisse erhöhen.
In der Querschnittstudie wurden öffentlich verfügbare Daten zu onkologischen Phase-3-Studien analysiert, die bis Februar 2020 in ClinicalTrials.gov registriert waren. Die Veränderungen des PEP wurden anhand der in ClinicalTrials.gov, der in der Publikation sowie der im Protokoll erwähnten Änderungen erfasst.
Bei 145 (19,2%) von 755 Studien wurden PEP-Veränderungen festgestellt, wobei die meisten Änderungen mit Hilfe der veröffentlichten Protokolle entdeckt wurden. In 102 von 145 Fällen (70,3%) waren diese Änderungen nicht im Manuskript offengelegt. Bei Studien mit mehreren Protokoll-Versionen wurden häufiger Änderungen des PEP festgestellt.
Am häufigsten wurde ein primärer Endpunkt zum sekundären Endpunkt (33,8%). In 17,2% der Fälle wurde eine neuer PEP definiert, in 30,3% der Fälle wurde ein sekundärer zum primären Endpunkt.
89 der 145 Studien mit PEP-Änderung (61,4%) hatten einen positiven Outcome, während dies bei 309 von 610 Studien ohne PEP-Änderung nur in 50,7% der Fall war.
„Es reicht möglicherweise nicht aus, sich darauf zu verlassen, dass Autoren PEP-Änderungen in Veröffentlichungen selbst melden“, so die Arbeitsgruppe. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass die aktuellen Richtlinien möglicherweise nicht optimal sind, um wichtige Änderungen im Studiendesign und in den Endpunkten zu erkennen.“
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Credits:
Photographer: © Piyapong Sintutan
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2023 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Änderung des Endpunkts bei jeder 5. onkologischen Phase-3-Studie; oft Zufallsbefunde im CT-Lungenscreening - Medscape - 23. Mai 2023.
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