Deutscher Ärztetag: Delegierte fordern mehr Mitsprache bei der gematik, mehr digitale Therapien und mehr Datenschutz

Dr.  Thomas Kron

Interessenkonflikte

23. Mai 2023

Die Ärzteschaft lehnt die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geplante vollständige Übernahme der gematik-Trägerschaft durch den Bund strikt ab. Die Ausgrenzung der bisherigen Gesellschafter aus der gematik passe nicht zu der Stärkung der Nutzerorientierung, die das BMG mit der neuen Digitalstrategie für das Gesundheitswesen angekündigt habe, kritisierten Delegierte des Ärztetages laut einer Mitteilung der Bundesärztekammer [1]. Stattdessen müsse die Bundesärztekammer (BÄK) weiterhin Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte in der gematik haben, die der Rolle der Ärzteschaft im Gesundheitswesen gerecht werden.

„Digitale Lösungen im Nachhinein an die Versorgungsrealitäten anzupassen, wird … erneut zu Frust und Zeitverzögerungen führen. Wir werden jedenfalls alles daransetzen, dass die Ärzteschaft auch zukünftig wirkungsvoll an der digitalen Transformation des Gesundheitswesens mitwirken kann“, betonte PD Dr. Peter Bobbert, Co-Vorsitzender des BÄK-Ausschusses „Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung“. Die Einrichtung einer ersten dauerhaften Testregion in Hamburg sei ein richtiger Schritt. 

 
Digitale Lösungen im Nachhinein an die Versorgungsrealitäten anzupassen, wird … erneut zu Frust und Zeitverzögerungen führen. PD Dr. Peter Bobbert
 

Um die Nutzer- und Praxisorientierung bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu stärken, müsse aus Sicht der Delegierten zudem ein Panel eingerichtet werden, bei dem sich Ärzte und Patienten für die Test-Nutzung von digitalen Anwendungen registrieren könnten. Diese könnten konstant und frühzeitig die Phasen „Identifikation prioritärer digitaler Anwendungen“, „Erhebung von Anforderungen“ und „Bewertung und Nachjustierung umgesetzter Anforderungen“ begleiten.

Außerdem sei eine Roadmap der gematik mit realistischen Planungsannahmen und priorisierten medizinischen Anwendungen zu entwickeln, die die bisherigen gesetzlich vorgegebenen Einführungstermine und fachlich-inhaltlichen Vorgaben für einzelne Anwendungen ersetze (Beschluss Vc – 03). 

Medizinische Apps: Arztberuf im Wandel digitaler Transformation

Medizinische Apps – vor allem Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) – gehören immer mehr zum Versorgungsalltag. Damit das Potenzial von DiGA für die Versorgung genutzt werden kann, sind aus Sicht der Ärzteschaft mehrere Anforderungen zu erfüllen. Basierend auf dem Positionspapier der Bundesärztekammer „Der Arztberuf im Wandel digitaler Transformation – eine Standortbestimmung zum Einsatz medizinischer Apps in der Versorgung“ forderte der 127. Deutsche Ärztetag, DiGA stärker in die ärztliche Therapie zu integrieren.

„Digitale Gesundheitsanwendungen dürfen nicht zu einem eigenen Versorgungsbereich parallel zu anderen medizinischen Versorgungsbereichen werden“, warnte Erik Bodendieck, ebenfalls Co-Vorsitzender des BÄK-Ausschusses. Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten bleibe, externe Evidenz und die Beurteilung einer Therapie für ihre Patientinnen und Patienten miteinander abzuwägen – basierend auf der eigenen ärztlichen Erfahrung.

 
Digitale Gesundheitsanwendungen dürfen nicht zu einem eigenen Versorgungsbereich parallel zu anderen medizinischen Versorgungsbereichen werden. Erik Bodendieck
 

Der Ärztetag forderte die Politik deshalb auf, die Rolle der Ärzteschaft bei der Beurteilung von digitalen Anwendungen in der Medizin für ihre Patientinnen und Patienten zu stärken. Eine Genehmigung der Anwendung von DiGA allein durch Krankenkassen lehnt die Ärzteschaft ab.

Darüber hinaus müssten ärztliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit digitalen Anwendungen angemessen honoriert werden (Beschluss Vc – 01). 

Patientenrechte im EU-Gesundheitsdatenraum schützen

In einem weiteren Beschluss hat der 127. Deutsche Ärztetag die Pläne der EU-Kommission für einen europäischen Gesundheitsdatenraum begrüßt. Zugleich forderten die Abgeordneten Nachbesserungen an dem EU-Verordnungsvorschlag, insbesondere bei den Rahmenbedingungen zur Nutzung von Patientendaten für Forschungszwecke.

Entscheidend für den Erfolg des EU-Gesundheitsdatenraums sei, dass Patienten ein sofortiger und einfacher Zugang zu ihren Gesundheitsdaten ermöglicht werde und dass sie einer Datenweitergabe zu Forschungszwecken widersprechen könnten, ohne dass ihnen dadurch Nachteile entstünden, betonten die Abgeordneten. Auch müsse die unerwünschte Re-Identifizierung von Patienten anhand ihrer Gesundheitsdaten verboten und wirksam sanktioniert werden. Dafür seien alle technischen und organisatorischen Maßnahmen zu treffen.

Kritisch sieht die Ärzteschaft mit Blick auf den zunehmenden Fachkräftemangel im Gesundheitswesen, dass Angehörigen von Gesundheitsberufen umfangreiche Datenlieferungspflichten auferlegt würden. Der Ärztetag forderte deshalb den Gesetzgeber auf, alle im Gesundheitswesen Tätigen vor einer Überforderung durch kostenintensive Anforderungen an Infrastruktur und Interoperabilität sowie durch Datenlieferungspflichten zu schützen. Insbesondere Arztpraxen seien von der Pflicht auszunehmen, Daten für die Sekundärnutzung zu liefern (Beschluss Vc – 02). 

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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