Es sind diese Fragen, die sich viele abgabewillige niedergelassene Kolleginnen und Kollegen stellen: Lieber jetzt verkaufen oder später? Eine Anstellung in einem Medizinischem Versorgungszentrum (MVZ) wagen oder am Ende selbst die Türen absperren und die Praxis ganz schließen? Eine Abwägung von Hans-Joachim A. Schade, Fachanwalt für Medizinrecht und Wirtschaftsmediator.

Hans-Joachim A. Schade
5 Jahre – so lange sole man vor der gewünschten Praxisabgabe beginnen, sich mit all den Fragen rund um das Thema Praxisabgabe zu beschäftigen. So jedenfalls lautet der oft gehörte Ratschlag von Experten und Literatur. Man müsste sich also im Jahre 2023 damit beschäftigen, wie die Gesundheitswelt des ambulanten Sektors im jeweiligen Fachgebiet 2028 aussieht. Konkret heißt das:
Welche Eingriffe kommen in dieser Zeit aus Gesundheitspolitik und Gesetzgebung?
Welche statistischen Gegebenheiten werden sich verstärken?
Welche inneren Einstellungen werden die medizinischen Akteure beeinflussen?
2018 bis 2023: Pandemie, Krieg, Reformstau
Gestatten Sie einen Rückblick: Die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie wenig man Voraussagen machen kann. Die Pandemie und der öffentliche Fokus auf das Gesundheitssystem trugen in den letzten 5 Jahren zu massiven Veränderungen bei.
Und auch der Krieg in der Ukraine zeigt überdeutlich, wie schwer es ist, Vorhersagen zu treffen. Nicht zu reden von Diskussionen zu alternder Gesellschaft, Fachkräftemangel und Klimawandel.
Viele Baustellen im Gesundheitssystem
Hinzu kommt, dass niemand weiß, wie die Gesundheitsversorgung aussieht, sobald die Kliniklandschaft nach dem Krankenhauszukunftsgesetz umstrukturiert wird, und wie die ambulante Versorgung – ob mit oder ohne Investoren-getragene MVZ – aussehen wird. Ganz zu schweigen von der Praxisabgabewelle bei den Babyboomern, die ihren Höhepunkt in den kommenden Jahren erreichen wird.
Teilzeittendenz und der Trend zu angestellten Praxisärztinnen und Praxisärzten und Digitalisierung sind weitere Herausforderungen für ein System, dass schon heute mindestens strapaziert ist.
Zukunftseinschätzungen bleiben spekulativ
Klar ist nur: Wie es in 5 Jahren aussieht, ist ungewiss – Zukunftseinschätzungen bleiben also naturgemäß Spekulation. Umso mehr lohnt es sich für abgabewillige Medizinerinnen und Mediziner, sich genau jetzt zu informieren.
Womöglich kommen sie dabei zu dem Schluss, bereits jetzt zu verkaufen und die Zeit bis zum Berufsende angestellt zu arbeiten. Der Vorteil: Nach der Praxisabgabe hätten diejenigen, die sich jetzt für einen Verkauf entscheiden, ihren Praxiserlös zum begünstigten Steuersatz in der Tasche und zudem keine unternehmerische Verantwortung mehr.
Angestellt im MVZ: Eine Option bis zum Ruhestand?
Der Bedarf an Ärzten mit hohen medizinischen und organisatorischen Fähigkeiten für den MVZ-Bereich ist gegeben. So können praxisabgebende Kollegen einen lukrativen Verkaufspreis koppeln mit einer sehr guten Entlohnung als angestellte Ärzte.
Wer über eine Position als ärztliche Leitung nachdenkt, sollte allerdings bedenken, dass die Position immer stärker von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und Zulassungsausschüssen und der Rechtsprechung als strenges Aufsichtsorgan zur Einhaltung von KV-Pflichten uminterpretiert wird. Hier ist also Vorsicht geboten, gerade auch in der Bewertung, ob dies der beruflich-kollegialen Wertvorstellung entspricht.
Weitere Option: Arbeiten, bis es reicht
Und eine weitere Option bleibt schließlich auch: statt in 5 Jahren zu verkaufen, einfach einige Jahre weiterzuarbeiten und die Praxis nach Ablauf dieser Zeit ggf. schlicht zu schließen. Finanziell könnte dabei am Ende das Gleiche herauskommen.
Dieser Artikel ist im Original am 24. April 2023 erschienen auf Coliquio.de.
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Diesen Artikel so zitieren: „Es reicht!“ Pro und Contra Praxisabgabe: Lieber heute verkaufen, warten oder in ein MVZ wechseln? Tipps vom Anwalt - Medscape - 17. Mai 2023.
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