ChatGPT, ein Chatbot, der künstliche Intelligenz nutzt, um mit Nutzern zu kommunizieren und Fragen zu beantworten, war nur der Anfang einer neuen Ära in der Informationsgesellschaft.
Im Februar hat Google den KI-Chatbot Bard angekündigt. Bard spielt auf den „Bard of Avon“, ein Synonym William Shakespeares, an. Meta zieht mit dem KI-Sprachmodell LLaMA (Large Language Model Meta AI) nach.
Das Innenleben solcher Anwendungen ist aber weitgehend unbekannt; sie sind Black Boxes. Das macht es für Ärzte und Wissenschaftlern gleichermaßen schwierig, die Algorithmen einzusetzen und ihnen zu vertrauen. „Die fehlende Transparenz – sowohl was die Modelle als auch die Herkunft der Daten und damit verbundene Urheber- oder Persönlichkeitsschutzrechte anbelangt – macht die direkte Forschung an den kommerziell angebotenen Systemen unmöglich“, sagte Dr. Sven Schmeier. Er arbeitet am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI), Berlin.
Mögliche Antworten kommen aus der Open-Source-Szene. Zahlreiche Labore arbeiten an Lösungen, die zum Teil auch auf LLaMA basieren und deren Quelltext einsehbar ist. Doch was leisten sie wirklich? Und welche Grenzen gibt es? Zu diesen Fragen hat das Science Media Center Germany (SMC) mehrere Experten befragt [1].
Vom Nutzen der Open-Source-Modelle
Vorteile von Open-Source-Modellen lägen größtenteils auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse, auf schnellerer Innovation, Qualität und gesteigerter Sicherheit, so Schmeier.
Zusätzlich gehe es um Kosteneffizienz und um Unabhängigkeit von kommerziellen Anbietern. „Im Kontext der wissenschaftlichen Arbeit können die Open-Source-Modelle für Ausbildung und Lehre sowie für interdisziplinäre Kollaboration genutzt werden“, hofft der Experte.
Nachteile der Open-Source-Anwendungen
Schmeier weist jedoch auf mögliche Schwächen der Open-Source-Technologien hin. Dazu zählen vor allem die Ressourcen, diese zu entwickeln. Anbieter von Open-Source-Ansätzen können sich eben nicht mit Google oder Microsoft vergleichen.
„Open-Source-Sprachmodelle sind immer noch nicht so leistungsstark wie GPT-4“, bestätigte auch Prof. Dr. Hinrich Schütze von der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Ich denke, es gibt keine ernsthaften Evaluationen, die bei den momentan veröffentlichten Open-Source-Modellen eine Performance beim Chat zeigen, die mit GPT-4 vergleichbar ist.“
Er spekuliert: „Es kann gut sein, dass es in wenigen Jahren so weit ist, dass Open-Source-Sprachmodelle von der Leistung her an die proprietären Modelle der großen Tech-Firmen wie OpenAI/Microsoft oder Google herankommen.“ Momentan sei dies aber Wunschdenken.
Anwendungen in spezifischen Bereichen sind vielleicht auch schneller einsatzbereit. „Kleinere Open-Source-Modelle können prinzipiell nützlich sein – zum Beispiel in spezifischen Bereichen wie der Medizin“, sagte Prof. Dr. Holger Hoos, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), Aachen.
Die internationale Entwicklung nicht verschlafen
Hoos gibt jedoch zu bedenken: „Open-Source-Modelle sind nur ein Teil der Lösung, wenn sie bezüglich ihrer Leistungsstärke und breiten Einsetzbarkeit mit den kommerziellen Produkten mithalten können – und Ähnliches gilt für andere Schlüsseltechnologien aus dem Bereich der KI, sowie für die Rechenressourcen, die in diesem Zusammenhang benötigt werden.“
Deutschland und Europa dürfe sich nicht nur auf kleine Sprachmodelle und andere spezialisierte KI-Methoden verlassen, sondern müsse „jetzt entschieden und wirksam in die KI investieren, um sicherzustellen, dass diese Schlüsseltechnologie ‚Made in Europe‘, basierend auf europäischen Werten und Anforderungen … in echter Konkurrenz zu Entwicklungen in den USA und anderswo stehen können.“
Effekte auf den Arbeitsmarkt
Jenseits von Forschung und Entwicklung werden Tools der künstlichen Intelligenz auch den Arbeitsmarkt revolutionieren. Mehrere der vom SMC befragten Experten weisen auf die aktuell recht schlechte Datenlage hin [2]. Klar ist jedoch: Wie bei jeder innovativen Technologie werden neue Berufsbilder entstehen.
Welche Jobs verschwinden im Gegenzug? Prof. Dr. Wolfgang Dauth vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB), Nürnberg, spricht vor allem Routinetätigkeiten an. „Durch neue Technologien wie KI wird sich die Zahl der Tätigkeiten weiter steigern, die in diese Kategorie fallen und damit automatisierbar sind.“
Allerdings seien mehr als zuvor kognitive Tätigkeiten betroffen. „Beispiele sind das Steuern von Fahrzeugen, die Buchhaltung, aber auch sehr anspruchsvolle Tätigkeiten wie das Programmieren von Software oder die medizinische Diagnostik“, so Dauth.
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Credits:
Photographer: © Wrightstudio
Lead Image: Dreamstime
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Diesen Artikel so zitieren: Forschung und Medizin könnten stark von KI profitieren, die transparenter sind als ChatGPT: die Chancen von Open Source-Modellen - Medscape - 17. Mai 2023.
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