Wiesbaden – Nicht alle Synkopen sind harmlos. Aber lässt sich eine Synkope auch sicher ambulant abklären? Dieser Problematik widmete sich eine Pro-und-Contra-Diskussion auf dem 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) [1].
Synkopen, also kurzzeitige Bewusstseinsverluste, treten bei etwa 1% aller Notfallpatienten in einer Zentralen Notaufnahme (ZNA) auf, berichtete Prof. Dr. Andreas Schuchert, Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster. Er hält eine stationäre Abklärung grundsätzlich für sinnvoll und verweist auf die „Rule of Fifteen“: Denn bei 15% der Patienten mit schweren Erkrankungen wie Myokardinfarkt, Lungenembolie, Aortendissektion oder auch Eileiterschwangerschaft stellt sich im Nachhinein die Synkope als Kardinalsymptom heraus.
Leitsymptome erkennen
Die Hauptaufgabe der ZNA für Schuchert ist die Risiko-Stratifizierung. Denn es müssen natürlich auch diejenigen Patienten identifiziert werden, die keiner weiteren Abklärung bedürfen und ambulant betreut werden können.
Eine gute Anamnese ist essenziell, um verdächtige Patienten zu identifizieren. Insbesondere Personen mit Palpitationen, bekannten strukturellen Herzerkrankungen, höherem Alter oder einem auffälligen Auskultationsbefund sind als verdächtig zu betrachten.
Langzeit-EKG
Um die bestmögliche Versorgung von Menschen mit Synkopen zu gewährleisten, hat es sich in der Neumünsteraner ZNA bewährt, kritische Patienten für etwa 3 Stunden am Monitor zu überwachen und auf Arrhythmie-Zeichen zu achten. Studien zeigten, dass bei 11% der Patienten tatsächlich pathologische Befunde im EKG gefunden werden.
Schuchert wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass etwa die Hälfte der über 50-Jährigen, die eine Synkope erleiden, Merkmale einer Hochrisikogruppe aufweisen. Dass höheres Alter und kardiale Vorerkrankungen entscheidende Risikofaktoren sind, bestätigen auch dänische Registerdaten.
Risikopatienten aufnehmen
Die Bedeutung der stationären Abklärung begründete der Münsteraner Kardiologe auch mit einer in Nürnberg durchgeführten Registerstudie. Diese zeigte, dass bei ca. 50% der stationär abgeklärten Synkopen-Fälle im Nachbeobachtungszeitraum (30 Tage) tatsächlich kardiale oder lebensbedrohliche Ereignisse auftraten. Ein Ergebnis, das für den Referenten die Bedeutung der stationären Abklärung besonders unterstreicht.
Als Faustregel forderte Schuchert die stationäre Aufnahme aller älterer Patientinnen und Patienten (über 65 Jahre) mit kardialer Vorerkrankung.
Diagnose nach Leitlinie
Schuchert plädierte aber auch für eine möglichst leitliniengerechte Abklärung der Synkope. Die Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) seien hier vorbildlich. Denn nur eine gut strukturierte Abklärung verhindert unnötige Untersuchungen, die meist aus Unsicherheit durchgeführt werden.
Auch wenn es sich bei der Synkope um ein scheinbar triviales Problem handelt, so gehört es aus seiner Sicht unbedingt in die Hände von Fachärztinnen und Fachärzten.
MVZ als Alternative
Als Contra-Anwalt plädierte Prof. Dr. Gregor Simonis, MVZ Praxisklinik Herz und Gefäße, Dresden, dafür, Synkopen nicht grundsätzlich stationär abzuklären. Alles, was das Krankenhaus an Diagnostik biete, könne auch ein gut ausgestattetes kardiologisches Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) leisten.
Er kritisierte, dass im Krankenhaus oft nur die Unsicherheit der unerfahrenen Berufsanfänger in der Rettungsstelle kompensiert werde und es oft keine praktizierten Standards (SOPs) zum Umgang mit der Synkope gebe.
3 Entitäten
Bei der Abklärung ist für Simonis die korrekte Erhebung der Anamnese der entscheidende Punkt. 3 Entitäten sind zu unterscheiden:
Zum einen ist dies die orthostatische Synkope, die anamnestisch als Rezidiv-Ereignis auffällt und mit typischen Situationen (morgendliches Aufstehen) verbunden ist. Auch Diuretika und blutdrucksenkende Medikamente sind hier zu berücksichtigen.
Die Reflexsynkope ist an signifikante Trigger-Reize (z.B. Geruch) gebunden. Typischerweise versuchen die Betroffenen minutenlang zu kompensieren, bis es zum Kollaps kommt. Bekanntes Beispiel: der Student am Operationstisch. Auch das Alter ist ein entscheidender Punkt: Insgesamt treten 70 bis 75% der Synkopen bei Patienten unter 55 Jahren auf und sind dann meist harmlos.
Kritisch sind jedoch kardiale Synkopen, die unbedingt erkannt werden müssen, da sie die Mortalität im weiteren Verlauf um ca. 10% erhöhen.
Ambulanter Schrittmacher
Neben dem Myokardinfarkt sind hier die Lungenembolie, aber auch Herzrhythmusstörungen abzugrenzen. Ein besonderes Warnzeichen ist der Wechsel zwischen Rechts- und Linksschenkelblock, der im EKG auffällt.
Aber selbst bei hochgradigen AV-Blockaden muss der Patient nicht stationär behandelt werden. In kardiologischen Zentren besteht die Möglichkeit, einen Herzschrittmacher ambulant und noch am selben Tag zu implantieren.
Kardiologischer Check
Simonis wies darauf hin, dass in seinem MVZ die gesamte kardiovaskuläre Untersuchung innerhalb von 20 Minuten durchgeführt werden kann. Dazu gehört nicht nur der Schellong-Test, sondern auch ein Point-of-Care-Labor (z.B. Troponin) und das Echokardiogramm (z.B. Ausschluss Lungenembolie).
Abschließend sprach der Dresdener Kardiologe noch ein extremes Missverhältnis bei der Vergütung an: Während die stationäre Synkopen-Abklärung mit 2.061 € abgerechnet wird, zahlen die Kassen für die ambulante Abklärung primär nur 63 €.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de..
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Diesen Artikel so zitieren: Synkopen-Diagnostik – ambulant oder stationär, was ist besser? Wichtig ist die Risiko-Stratifizierung - Medscape - 16. Mai 2023.
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