Hochdosiertes Vitamin D zeigt gegen MS-Rezidive keinen Effekt – doch das letzte Wort ist damit nicht gesprochen

Eve Bender

Interessenkonflikte

11. Mai 2023

Ergebnisse einer randomisierten Kontrollstudie zeigen, dass hochdosiertes Vitamin D Rückfälle bei Patienten mit schubförmiger, remittierender Multipler Sklerose („relapsing, remitting multiple sclerosis“, RRMS) nicht verhindert. Mindestens ein Experte ist jedoch der Ansicht, dass die Ausschlusskriterien der Studie möglicherweise zu weit gefasst waren [1]

Frühe Hinweise aus Beobachtungsstudien

Die Untersuchung von Vitamin D zur Vorbeugung von MS-Schüben basiere auf älteren Beobachtungsstudien mit Patienten, die bereits einen höheren Vitamin-D-Spiegel im Blut gehabt hätten und weniger wahrscheinlich an MS erkrankt seien, erklärte Studienleiterin Prof. Dr. Ellen Mowry gegenüber Medscape. Sie ist Professorin für Neurologie an der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore (Maryland). 

Neuere Untersuchungen, bei denen Teilnehmer Vitamin D als therapeutische Option für MS erhalten hätten, „waren enttäuschend, da das Vitamin D nur eine minimale Wirkung hatte“, sagte sie. „Wir waren zwar begeistert von den frühen Daten, die einen wichtigen Einfluss von Vitamin D auf MS nahelegten. Aber es ist unerlässlich, dass diesen Assoziationsstudien der klinische Goldstandard folgt, den wir hier haben“. Konkret meint sie randomisierte, kontrollierte klinische Studien. 

Kein Unterschied im Rezidivrisiko

An der multizentrischen, klinischen Phase-3-Studie „Vitamin D to Ameliorate MS“ (VIDAMS) nahmen zwischen 2012 und 2019 genau 172 Teilnehmer im Alter von 18 bis 50 Jahren mit RRMS teil. Die Einschlusskriterien umfassten Personen mit 1 oder mit mehreren klinischen Episoden von MS im letzten Jahr und mindestens 1 Hirnläsion im MRT im letzten Jahr. Hinzu kamen Personen mit 2 oder mehr klinischen Episoden im letzten Jahr. Teilnehmer mussten außerdem einen Wert von ≤ 4 auf der Kurtzke Expanded Disability Status Scale aufweisen.

Insgesamt 83 Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip für die Einnahme von niedrig dosiertem Vitamin D3 (600 IE/Tag) und 89 für die Einnahme von hoch dosiertem Vitamin D3 (5.000 IE/Tag) ausgewählt. Jeder Teilnehmer nahm das Vitamin zusammen mit einer Tablette mit Glatirameracetat ein. Dieses synthetisch hergestellte Polypeptid wird bei RRMS verordnet; der genaue Wirkmechanismus ist unbekannt. 

Alle 12 Wochen haben Ärzte den 25(OH)D-Serumspiegel der Teilnehmer gemessen, und alle 24 Wochen wurden eine Reihe von Bewegungs- und Koordinationstests sowie 2 klinische 3T-MRT-Untersuchungen des Gehirns zur Feststellung von Läsionen durchgeführt.

Nach 96 Wochen fanden Wissenschaftler keine Unterschiede im Rückfallrisiko zwischen der hoch- und der niedrigdosierten Gruppe (p=0,57). Auch bei den MRT-Ergebnissen gab es keine Unterschiede.

Haben Forscher die Ausschlusskriterien zu weit gefasst?

Prof. Dr. Alberto Ascherio, Professor für Epidemiologie und Ernährung an der Harvard T.H. Chan School of Public Health in Boston (Massachusetts), kommentierte die Ergebnisse für Medscape. Er sagte, ein Schlüsselprinzip zur Empfehlung von Vitaminpräparaten sei, dass sie nur für Personen mit Vitaminmangel von Nutzen seien. In der Studie hätten die Forscher jedoch „Patienten mit Vitamin-D-Mangel (25(OH)D<15 ng/ml, was 37,5 nmol/l entspricht) ausgeschlossen“. 

Vor allem habe der durchschnittliche 25(OH)D-Ausgangsspiegel bei etwa 30 ng/ml (75 nmol/l) gelegen, was als ausreichender Spiegel gelte. Das US-amerikanische Institute of Medicine (IOM) bewertet 20 ng/ml, sprich 50 nmol/l, als ausreichenden Spiegel. Ascherio: „Es wäre ein schwerwiegender Fehler, aus dieser Studie (oder einer der früheren Studien) zu schließen, dass eine Vitamin-D-Supplementierung bei MS-Patienten nicht wichtig ist.“ 

 
Es wäre ein schwerwiegender Fehler, aus dieser Studie (oder einer der früheren Studien) zu schließen, dass eine Vitamin-D-Supplementierung bei MS-Patienten nicht wichtig ist. Prof. Dr. Alberto Ascherio
 

Er fügte hinzu, dass viele MS-Patienten einen Serum-Vitamin-D-Spiegel von weniger als 20 ng/ml (50 nmol/l) hätten und dass dies der mittlere Serumwert in Studien mit MS-Patienten in Europa gewesen sei. „Diese Patienten würden mit ziemlicher Sicherheit von moderaten Dosen von Vitamin-D-Präparaten oder einer vernünftigen UV-Lichtexposition profitieren“, betont Ascherio. „Höchstwahrscheinlich würden sogar Patienten mit ausreichenden, aber suboptimalen 25(OH)D-Werten (zwischen 20 und 30 ng/ml bzw. 50 und 75 nmol/l) von einer Erhöhung profitieren.“ 

Der Beitrag ist im Original erschienen auf www.medscape.com. Er wurde von Dr. Petra Kittner für Univadis.de übersetzt. 

Kommentar

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