Alzheimer: „Erster überragender Behandlungserfolg mit einem Antikörper“ – aber schwere Nebenwirkungen möglich

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

8. Mai 2023

Der Amyloid-Antikörper Donanemab kann die kognitive Verschlechterung bei Patienten in frühen Stadien der Alzheimer-Krankheit um 35% verlangsamen. Fast die Hälfte der mit Donanemab behandelten Studienteilnehmer zeigten in der Phase-3-Studie TRAILBLAZER-ALZ-2 nach 1 Jahr keine klinische Progression der Erkrankung.

Die Ergebnisse der Studie veröffentlichte das US-Pharmaunternehmen Eli Lilly in einer Pressemitteilung [1]. Eine ausführliche Darstellung der Studiendaten in einem wissenschaftlichen Fachjournal mit Peer Review wird in den kommenden Monaten erwartet.

Der Antikörper Donanemab erkennt eine Form des Peptids Beta-Amyloid, das bei Alzheimer-Erkrankten im Gehirn in Amyloid-Plaques angehäuft ist. Donanemab zielt darauf ab, diese abgelagerten Plaques zu entfernen, anstatt nur die Ablagerung neuer oder das Wachstum bestehender Plaques zu verhindern.

Donanemab wirkt besser als andere Alzheimer-Antikörper

„In meinen Augen ist das der erste überragende Behandlungserfolg der Alzheimer-Erkrankung mit einem Antikörper und Donanemab ist dem Antikörper Lecanemab in allen Parametern weit überlegen“, sagt Prof. Dr. Hans-Ulrich Demuth, Leiter der Außenstelle Halle (Saale) für Molekulare Wirkstoffbiochemie und Therapieentwicklung, Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig.

 
In meinen Augen ist das der erste überragende Behandlungserfolg der Alzheimer-Erkrankung mit einem Antikörper und Donanemab ist dem Antikörper Lecanemab in allen Parametern weit überlegen. Prof. Dr. Hans-Ulrich Demuth
 

Dass sich Donanemab als derart potent erwiesen hat, hängt Demuth zufolge mit dem Target des Antikörpers zusammen. „pyroGluAβ ist verantwortlich für die Aggregationsstimulation und ist besonders neurotoxisch“, erklärt er.

Der Alzheimer-Antikörper Lecanemab, der im Januar 2023 von der US-Arzneimittelbehörde FDA zur Behandlung von Alzheimer zugelassen wurde, bindet dagegen an die löslichen Beta-Amyloid-Moleküle und verhindert so die Entstehung der Plaques.

Bestätigung der Amyloid-Hypothese

„Donanemab ist nun der zweite Beta-Amyloid-Antikörper, der ganz klar den Gedächtnisverlust verlangsamt … Die Reduzierung von Amyloid ist damit sicherlich der richtige Ansatz, um die Krankheit zumindest zu verlangsamen. Die Amyloid-Hypothese ist keine Hypothese mehr, sondern ein Fakt“, sagt Prof. Dr. Christian Haass, Standortsprecher des Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen in München und Leiter der Abteilung für neurodegenerative Erkrankungen an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

 
Die Amyloid-Hypothese ist keine Hypothese mehr, sondern ein Fakt. Prof. Dr. Christian Haass
 

An der doppelblinden, randomisiert-kontrollierten TRAILBLAZER-ALZ-2-Studie nahmen Patienten mit früher, symptomatischer Alzheimer-Erkrankung teil. Sie wiesen eine leichte kognitive Beeinträchtigung oder eine leichte Demenz auf und zeigten in der Bildgebung eine charakteristische Alzheimer-Neuropathologie. Verglichen wurde das per Infusion verabreichte Donanemab mit einem Placebo.

Behandlung nur bis zur ausreichenden Amyloid-Entfernung

Die Studienteilnehmer wurden anhand der Tau-Level im Gehirn – ein prädiktiver Biomarker für das Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit – stratifiziert. Die Primäranalyse, für die die Studie gepowert war, umfasste 1.182 Patienten mit mittleren Tau-Konzentrationen und klinischen Alzheimer-Symptomen.

Die Probanden wurden so lange mit dem Amyloid-Antikörper behandelt, bis ein vorher festgelegter „Normalwert“ an Amyloid-Beladung des Gehirns erreicht war. 52% der Patienten konnten ihre Behandlung nach 1 Jahr und 72% nach 18 Monaten beenden.

Der primäre Endpunkt der Studie war die Veränderung auf der integrierten Alzheimer's Disease Rating Scale (iADRS) über 18 Monate. Diese Skala misst Kognition sowie Alltagsaktivitäten wie Management der eigenen Finanzen, Ausübung von Hobbys und Unterhaltungen über aktuelle Ereignisse.

Fast die Hälfte nach einem Jahr progressionsfrei

Die Studienergebnisse zeigten nach 18 Monaten und im Vergleich zu Placebo einen Nutzen von Donanemab sowohl hinsichtlich der Kognition als auch der Funktion:

  • Die kognitive Verschlechterung – der primäre Endpunkt - war um 35% verlangsamt (iADRS).

  • 47% der mit Donanemab behandelten Patienten zeigten nach 1 Jahr keine klinische Progression (CDR-SB). In der Placebogruppe waren es 29%.

  • Die Fähigkeit, Alltagsaktivitäten zu erledigen, verschlechterte sich um 40% weniger (ADCS-iADL)

  • Das Risiko, zum nächsten Stadium der Alzheimer-Erkrankung fortzuschreiten, war um 39% verringert (CDR-Global Score).

Basierend auf diesen Ergebnissen plant Eli Lilly schnellstmöglich eine Zulassung von Donanemab zu beantragen, zunächst bei der US-Arzneimittelbehörde FDA, danach auch bei anderen Zulassungsbehörden.

Was passiert in fortgeschrittenen Stadien der Alzheimer-Krankheit?

In die Studie war auch eine kleinere Zahl von 552 Patienten eingeschlossen worden, die ein hohes Level an Tau im Gehirn aufwiesen – die sich also in einem fortgeschritteneren Stadium der Krankheit befanden.

Die Pressemitteilung des Herstellers liefert keine separate Auswertung dieser stärker betroffenen Population. Allerdings hätten sich bei Kombination beider Studienpopulationen – mit mittlerer und hoher Tau-Beladung – über alle klinischen Endpunkte hinweg ebenfalls positive Resultate gezeigt, berichtet Eli Lilly. Der iADRS zeigte in der Gesamtpopulation eine Verlangsamung der kognitiven Verschlechterung um 22%.

Der unter Donanemab beobachtete langsamere Abbau von Kognition und Funktion ging einher mit einer signifikanten Reduktion der Amyloid-Plaques. Bereits nach 6 Monaten sei der Effekt der Behandlung im Amyloid-PET sichtbar gewesen, heißt es in der Pressemitteilung. Viele Patienten erreichten ein Amyloid-Niveau, das einer negativen Alzheimer-Pathologie entspricht – 34% nach 6 Monaten und 71% nach 12 Monaten.

Nebenwirkungen sind häufig und teils schwer

Eine der wichtigsten Nebenwirkungen von Amyloid-Antikörpern, das zeigte auch schon die Studie zu Lecanemab, sind in der Bildgebung erkennbare Signalveränderungen im Gehirn: Amyloid-related Imaging Abnormalities (AIRA). Hierbei lassen sich Ödeme (AIRA-E) und Mikrohämorrhagien (AIRA-H) unterscheiden, die meistens klinisch stumm bleiben und deswegen nur mittels MRT detektiert werden können.

In der mit Donanemab behandelten Gesamtpopulation traten bei 24% der Patienten ARIA-E auf, darunter 6,1% mit Symptomen. ARIA-H traten bei 31,4% der mit Donanemab behandelten Patienten auf. In der Placebogruppe waren 13,6% davon betroffen.

Laut Hersteller Eli Lilly sei die Mehrzahl der ARIA-Fälle leicht bis mittelschwer gewesen und habe sich mit geeignetem Management zurückgebildet oder stabilisiert.

Tatsächlich sind ARIA üblicherweise asymptomatisch, können aber auch schwer und lebensbedrohlich verlaufen. In TRAILBLAZER-ALZ-2 lag die Inzidenz schwerer ARIA bei 1,6%, darunter waren 2 Studienteilnehmer, deren Tod auf ARIA zurückzuführen waren und 1 Studienteilnehmer, der nach einer schweren ARIA starb.

Schwere Nebenwirkungen gegen noch geringe Effektstärke abwägen

Laut Prof. Dr. Stefan Teipel, Leiter der Forschungsgruppe Klinische Demenzforschung, Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen, Rostock/Greifswald, „sind die Nebenwirkungen von Donanemab ebenso wie die von Lecanemab insbesondere bezüglich Hirnschwellungen und Hirnblutungen sehr hoch zu gewichten“, da die Effektstärken dieser Medikamente bisher gering seien.

 
Für den einzelnen Patienten wird die positive Wirkung nach 18 Monaten kaum spürbar sein, die Hoffnung ist, dass die Effekte über längere Zeiträume anhalten, was bislang aber noch nicht gezeigt wurde. Prof. Dr. Stefan Teipel
 

„In der Zusammenschau sprechen alle bisherigen Ergebnisse zu Amyloid-Antikörpern zwar für einen nachweisbaren, aber geringen Effekt der Amyloid-Antikörper auf die kognitive Leistung über 18 Monate“, ergänzt Teipel. „Für den einzelnen Patienten wird die positive Wirkung nach 18 Monaten kaum spürbar sein, die Hoffnung ist, dass die Effekte über längere Zeiträume anhalten, was bislang aber noch nicht gezeigt wurde.“

Möglicherweise eröffnen die Ergebnisse aber eine Perspektive für künftige Kombinationstherapien: In TRAILBLAZER-ALZ 2 wurde der Antikörper nur gegeben, bis das Amyloid im Gehirn auf Normalwerte reduziert war. Dann wurde die Behandlung pausiert. „Zukünftig könnten in einer solchen Behandlungspause andere Therapieansätze, die zum Beispiel die Amyloid-Produktion hemmen, zum Einsatz kommen“, so Teipel.

Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der  Link  zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....