Fall: Nach einem Kobrabiss beim Toilettengang: So haben Ärzte Penis und Hoden rekonstruiert

Dr. Nina Mörsch

Interessenkonflikte

11. Mai 2023

Ein 47-jähriger, gesunder Mann aus den Niederlanden ist im Urlaub in Südafrika, als ihn beim Toilettengang eine Schlange in seine Genitalien beißt. Es handelte es sich um eine Gebänderte Kobra (Naja annulifera[1]

Der Mann muss 3 Stunden warten, bis er aus dem Naturschutzgebiet in das nächstgelegene Traumazentrum (350 km) transportiert werden kann. Während dieser Zeit verspürt er ein brennendes Gefühl in seinen Genitalien sowie einen Schmerz, der durch die Leiste bis in die Flanke, die obere Brust und den Bauch aufsteigt. Erbrechen kommt hinzu; neurologische Symptome treten jedoch nicht auf. 

Therapie

Bei seiner Ankunft im Krankenhaus ist der Patient hämodynamisch stabil, bei vollem Bewusstsein und hat geschwollene Genitalien mit einer tiefvioletten Verfärbung, was auf eine Skrotalnekrose hindeutet.

5 Stunden nach dem Biss erhält er erstmals ein Schlangengift-Antiserum (8 Dosen) sowie eine Tetanusprophylaxe. Die Ärzte verlegen ihn zur Beobachtung auf die Intensivstation.

Im weiteren Verlauf des Krankenhausaufenthalts bekommt er gegen das Fieber Piperacillin/Tazobactam (4,5 g intravenös alle 8 Stunden über 7 Tage). Ab dem 2. Tag benötigt er eine intermittierende Hämodialyse aufgrund einer akuten Nierenschädigung.

Der nekrotische Defekt in seinen Genitalien stabilisiert sich innerhalb einer Woche, woraufhin ein Urologe ein chirurgisches Debridement durchführt. Die Nekrose des Skrotums betrifft die gesamte Faszie (Haut bis zum inneren Samenstrang). Postoperativ folgt ein Wundverschluss, wobei eine Drainage in situ belassen wird.

Den Defekt im Penisschaft behandeln Ärzte mit einem oberflächlichen Debridement und mit einer vakuumunterstützte Verschlusspumpe. Nach 9 Tagen kann der Patient in die Niederlande ausgeflogen werden.

Bei der Ankunft sieht die Wunde am Skrotum stabil aus. Als das Ärzteteam die Vakuumpumpe entfernt, zeigt sich eine granulomatöse Wunde am Penis.

Diese wird zunächst mit Fusidinsäure-imprägnierter Gaze behandelt. Der Laborbefund zeigt eine normozytäre Anämie (Hämoglobin, 4,8 mmol/L), eine Leukozytose (Leukozytenzahl, 23,2 × 10 9/l), eine Hypokaliämie (Kalium, 3,0 mmol/l) und eine Nierenfunktionsstörung (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate [eGFR], 23 ml/min/1,73m2), die durch eine Erythrozyten- und Kaliumsupplementierung behandelt wird. Elektrokardiographie, Thoraxröntgen und Nierenultraschall sind normal. 

2 Tage nach der Rückführung entwickelt der Patient Fieber. Ärzte verabreichen ihm Meropenem (500 mg alle 12 Stunden für 6 Tage), nachdem aus Wundkulturen Klebsiella pneumoniae und Enterobacter cloacae isoliert worden waren.

6 Tage nach dem Rücktransport führt ein plastischer Chirurg ein Debridement des Penisschafts durch. Er entfernt abgestorbenes Gewebe bis in das Corpus spongiosum und die Präputiumfalte. Nach weiteren 6 Tagen entnimmt er ein Vollhautransplantat aus der Leiste und legt es über den Penisdefekt. Die Nierenfunktion verbessert sich allmählich bis 2 Wochen nach seiner Rückkehr aus Südafrika (eGFR 43 ml/min/1,73m2). Deshalb entscheiden sich Ärzte, den Patienten zu entlassen. 

Bei der Nachuntersuchung nach 1 Jahr sind die Wunden gut verheilt. Auch die Funktion des Penis ist wieder vollständig hergestellt. Wegen eines ziehenden Gefühls an den Narben führt der plastische Chirurg eine Z-Plastik durch. Die Nierenfunktion bleibt leicht beeinträchtigt (eGFR 52 ml/min/1,73m2) und wird nephrologisch überwacht.

Diskussion

Beim Nationalen Giftinformationszentrum in den Niederlanden gingen im vergangenen Jahr nur 37 Meldungen über Schlangenbisse ein, von denen nur 15 den Einsatz von Schlangengift-Antisera erforderten.

Weltweit verursachen Schlangenbisse jedes Jahr 81.000 bis 138.000 Todesfälle und weitere 400.000 führen zu dauerhaften Behinderungen. Die Dunkelziffer ist vermutlich höher, da sich viele Vorfälle sich in ländlichen Gebieten ereignen und nicht gemeldet werden.

Schlangenbisse betreffen meist die Extremitäten, und es gibt nur wenige Berichte über Bisse an den Genitalien (alle erhielten das Gegenmittel, bei 3 war ein chirurgisches Debridement erforderlich, und alle erholten sich vollständig).

„Hier handelt es sich um den ersten Fall, in dem eine Vergiftung mit N. annulifera an den Genitalien beschrieben wurde“, schreiben die Autoren des Fallberichts. Die Behandlung erfordert die Gabe eines Antiserums sowie die Verabreichung eines Breitspektrum-Antibiotikums, wobei in einigen Fällen auch ein chirurgisches Debridement, die Behandlung von Nieren oder Atemwegsversagen und möglicherweise sogar eine Wiederbelebung erforderlich sind. Bei frühzeitiger Behandlung ist die Prognose für Genitalfunktion und Ästhetik gut; ästhetische Operationen sollten erst nach der akuten Phase durchgeführt werden. 

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.

 

Kommentar

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