Fall: Ein Patient stirbt vermeintlich an gastrointestinalen Blutungen – doch der Arzt hat etwas übersehen 

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

13. Juli 2023

Angehörige haben einen 90-jährigen, seit kurzer Zeit alleine lebenden Mann am Vortag besucht, ohne dass es Auffälligkeiten gegeben hätte. Am nächsten Tag findet ihn seine Tochter jedoch leblos in einer Blutlache liegend vor [1]

Ein Arzt führt die Totenschau durch. Er vermerkt einen hämorrhagischen Schock bei Verdacht auf rektalen Blutabgang nach langjähriger Schmerzmittel-Einnahme als ungeklärte Todesart.

Die Kriminalpolizei zieht jedoch den rechtsmedizinischen Bereitschaftsdienst hinzu, weil in der Umgebung des Leichnams ausgedehnte „blutsuspekte Antragungen und eine mit Küchenpapier umwickelte, blutbehaftete Rasierklinge“ gefunden worden. Eine Blutungsquelle am Leichnam finden sie jedoch bei der Leichenschau vor Ort nicht. 

Auffällig erscheint auch eine Schüssel mit teils geronnenem, teils flüssigem Blut neben einer Sitzgelegenheit. Oberflächlich zeigt sich beim Toten lediglich eine kleine Verletzung auf der linken Kniescheibe. 

Körperliche und apparative Untersuchungen

Bei der gerichtsmedizinischen Untersuchung finden Ärzte als Blutungsquelle eine etwa 2 cm lange, oberflächliche Hautverletzung mit glattrandiger Durchtrennung der Hautschichten. Auffällig ist eine glatte Eröffnung eines geschlängelt verlaufenden, oberflächlichen Hautgefäßes im Durchmesser von maximal 0,2 cm.

Das Kniegelenk wurde nicht eröffnet, das umgebendes Weichgewebe ist nur minimal eingeblutet. Es gibt keine alternative Blutungsquelle, insbesondere keine gastrointestinale Blutung. Hinweise auf eine Medikamenteneinnahme, eine Injektion oder auf Fremdeinwirken fehlen. Gerinnungshemmer oder Ibuprofen hat der Mann nicht eingenommen. Andere NSAR erfassen die verfügbaren Methoden nicht. Keine Anhaltspunkte gibt es für eine angeborene oder erworbene Hämophilie A.

Diskussion

Wie die Rechtsmediziner zusammenfassend berichten, sei der Mann durch Verbluten nach außen gestorben. Die einzige mögliche Blutungsquelle ist eine kleine Verletzung einer oberflächlichen Hautvene am linken Knie, ein venöser Zufluss zur V. saphena magna. 

Die Verletzung sei „plausibel durch Selbstbeibringung mittels einer Rasierklinge mit mehrfachen, sich überlagernden Schnitt- bzw. Ritzverletzungen“ zu erklären, heißt es im Fallbericht. Das linke Knie habe der Rechtshänder problemlos erreicht.

Sie vermuten, dass es infolge der Selbstverletzung wohl „zu einem über längere Zeit (bis zu mehreren Stunden) andauernden Blutaustritt“ aus der verletzten Vene gekommen sei. Die zahlreichen Blutspuren in der Wohnung des Mannes könnten dadurch erklärt werden, dass der Mann in verwirrtem Zustand durch den zunehmenden Blut- und Sauerstoffmangel des Gehirns durch die Wohnung gelaufen sei.  

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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