Die Ergebnisse von 2 Cochrane-Reviews, die die Evidenz von Stuhltransplantationen untersucht hatten, zeigen: Fäkaler Mikrobiomtransfer (FMT) ist bei Patienten mit Clostridioides difficile-Infektionen sehr effektiv, und auch für Patienten mit Colitis ulcerosa werden positive Effekte beschrieben.
Wie wirksam und sicher FMT ist und welche Optionen zur Behandlung von Darmerkrankungen er bietet, wird viel diskutiert. Nicht zuletzt, weil sich 2019 2 US-amerikanische Patienten infolge einer Stuhltransplantation mit einem multiresistenten E.-coli-Stamm infiziert haben und einer der Patienten sogar daran starb.
Die Auswahlkriterien und Sicherheitsvorkehrungen für eine Stuhlspende wurden seitdem massiv verschärft. Im November 2022 wurde in den USA das erste fäkale Mikrobiota-Präparat Rebyota™ als Arzneimittel zugelassen. In Europa liegt noch keine Zulassung für FMT vor; es kann bislang nur in klinischen Studien oder individuellen Heilversuchen angewandt werden.
Die Cochrane Collaboration hat nun in 2 Reviews die Evidenz zu FMT bei verschiedenen Darmerkrankungen zusammengetragen.
FMT bei C. difficile hocheffektiv und sicher, für Colitis ulcerosa positive Effekte
In einem der Reviews kamen Dr. Nathan Zev Minkroff vom Valley Children´s Hospital Madera, USA, und Kollegen zu dem Schluss, dass FMT bei immungesunden Personen wahrscheinlich zu einer höheren Heilungsrate bei wiederholten C. difficile-Infektionen führt als andere untersuchte Behandlungen, wie z.B. Antibiotika wie Vancomycin. Für ihre Metaanalyse werteten die Wissenschaftler 6 klinische Studien mit insgesamt 320 Personen aus [1].
Der 2. Review von Dr. Aamer Imdad, Suny Upstate Medical University in Syracuse, USA, und Kollegen ist ein Update eines Cochrane-Reviews von 2018. Analysiert wurden 12 Studien: 11 Studien, die FMT zur Behandlung von Colitis ulcerosa untersuchten, und eine zur Behandlung von Morbus Crohn [2].
Die Wissenschaftler resümieren, dass FMT bei aktiver Colitis ulcerosa den Anteil von Patienten erhöhen kann, bei denen die Krankheit in Remission ist. Allerdings ist die Evidenz zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen und zur Lebensqualität unsicher. Noch nicht geklärt ist auch, ob ein FMT längerfristig zu einer anhaltenden Remission beitragen kann.
FMT bei rezidivierenden C. difficile-Infektionen in Leitlinien
„Die beiden Analysen fassen den Forschungsstand sehr gut zusammen. Die klinische Wirksamkeit des FMTs ist für die Sekundärprophylaxe der rezidivierenden C. difficile-Infektion bereits Teil aller wichtigen Leitlinien zu dieser Erkrankung“, kommentiert Prof. Dr. Maria Vehreschild, Leiterin des Schwerpunkts Infektiologie an der Medizinischen Klinik II, Universitätsklinikum Frankfurt, die Ergebnisse der beiden Reviews.
„Die Ergebnisse bestätigen die bisherige Einschätzung, dass FMT insbesondere bei einer Infektion mit C. difficile hocheffektiv und sicher ist“, sagt Prof. Dr. Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV, Universitätsklinikum Jena. Derzeit, so Stallmach, werde intensiv zu fäkalem Mikrobiomtransfer und zur Bedeutung der Mikrobiota in der Medizin geforscht. Dementsprechend bestehe eine hohe Datendichte: Insbesondere zur Anwendung von FMT bei C. difficile-Infektionen gebe es viele Studien.
Der FMT habe die Behandlung von C. difficile-Infektionen in den vergangenen 10 Jahren revolutioniert, betont Prof. Dr. Alexander Link, Leiter der Sektion Molekulare Gastroenterologie und Mikrobiota-assoziierte Erkrankungen am Universitätsklinikum Magdeburg. „Praktisch alle Empfehlungen und Leitlinien national und international empfehlen mit gewissen Abweichungen einen FMT spätestens nach dem zweiten Rezidiv“, erklärt Link.
FMT bei Morbus Crohn: Die Daten reichen nicht aus
Bezüglich des Einsatzes des FMTs zur Therapie entzündlicher Darmerkrankungen deckten sich die Ergebnisse ebenfalls mit der Betrachtung der Einzelstudien, sagt Vehreschild. „Für die Beurteilung der Situation bei Morbus Crohn reichen die Daten nicht aus, und es gibt wahrscheinlich einen klinisch relevanten Effekt in der Therapie der Colitis ulcerosa, aber der ist in seiner Ausprägung nicht so stark wie der Effekt in der Indikation der rezidivierenden C. difficile-Infektion“, fügt Vehreschild hinzu.
Nach Einschätzung von Link „deutet die Auswertung der verfügbaren Daten auf einen positiven Effekt des FMT bei Patienten mit Colitis ulcerosa hin, während es noch an Studien mangelt, um die Rolle des FMTs bei Morbus Crohn zu evaluieren“.
Für Morbus Crohn gab es bisher keine Evidenz, dass FMT effektiv ist, „das zeigt auch die Zusammenfassung kontrollierter Studien in Form dieses Reviews“, erklärt Stallmach. Für Patienten mit Colitis ulcerosa sei das Ergebnis wie erwartet gewesen: „Der Review bestätigt, dass es sich um ein effektives und sicheres Behandlungsverfahren handelt.“
Rebyota™ als Alternative zum FMT?
In Deutschland wird FMT als Gabe eines Medikaments bewertet, allerdings gibt es derzeit keine zugelassenen Arzneimittel, die darauf basieren. „Wenn ich FMT als Arzt verwenden möchte, geht das bisher also nur im Rahmen eines individuellen Heilversuches“, erklärt Stallmach. Da FMT nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgeführt sei, weil es keine anerkannte Behandlung, sondern eben ein individueller Heilversuch sei, müsse der Patient selbst zahlen.
Das von der FDA zugelassene Rebyota™ könnte eine Möglichkeit sein, einen Rückfall einer durch C. difficile verursachten Darmentzündung zu verhindern. Stallmach betont aber, dass das für die Patienten sehr aufwändig sei: Das Fertigpräparat müsse tiefgefroren aus einer Apotheke abgeholt und zuhause selbst aufgetaut werden. Der verflüssigte Stuhl von sorgfältig ausgewählten Spendern werde dann mit einem Applikationsset verabreicht.
„Aufgrund der komplexen und schwierigen Zubereitung sowie der Liefer- und Applikationsbedingungen bin ich mir nicht sicher, ob kurzfristig eine Ausweitung nach Europa stattfindet. Zudem war die Effektstärke in den Zulassungsstudien überraschend niedrig, der Unterschied zur Placebogruppe betrug nur etwa 15%. Die Effektivität eines klassischen FMTs ist in den Studien höher“, erklärt Stallmach.
Nach Einschätzung von Link ist es „fraglich, ob sich der FMT als alleinige Therapie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen durchsetzen wird. Die multifaktorielle Optimierung zum Beispiel durch Kombination mit Diät und immunmodulierenden Medikamenten wird sicherlich die nächste Generation von Studien darstellen.“
Fanden Sie diesen Artikel interessant? Hier ist der Link zu unseren kostenlosen Newsletter-Angeboten – damit Sie keine Nachrichten aus der Medizin verpassen.
Credits:
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2023 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Evidenz für Transplantation von Stuhl: Fäkaler Mikrobiomtransfer wirkt bei C. difficile und Colitis ulcerosa - Medscape - 4. Mai 2023.
Kommentar