So lange schützen Vakzine vor COVID-19; Sicherheit von Protein-Vakzin; Long-COVID-Patienten reagieren anders auf Impfung

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

4. Mai 2023

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 4. Mai 2023

Heute Morgen hat das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 7,8 Infektionen pro 100.000 Einwohner angegeben. Am 3. Mai lag der Wert bei 7,5.

Unsere Themen heute:

  • Corona-App: Seit 1. Mai keine Warnungen mehr

  • USA: Bald wieder Einreise ohne Nachweis von Impfnachweis

  • „Arcturus“ breitet sich in den USA aus – vereinzelte Nachweise in Deutschland

  • Intensivmediziner ziehen Lehren aus der Pandemie

  • Proteinbasierter Impfstoff sicher, „akzeptabel“ wirksam – und gut lagerfähig

  • Wie lange hält die Immunität nach COVID-19-Impfungen an?

  • Long-COVID-Patienten und Genesene reagieren unterschiedlich auf COVID-19-Impfstoffe

  • Corona-Screening von Schulkindern mit Hunden – warum das Sinn macht

Corona-App: Seit 1. Mai keine Warnungen mehr

Zum 1. Mai haben Entwickler wie geplant ein Update der Corona-Warn-App gelauncht. Nutzern steht die Risiko-Ermittlung nicht mehr zur Verfügung. Auch das Abrufen von Testergebnissen sowie das Warnen anderer wurden jetzt entfernt. Anwender haben aber wie gehabt Zugriff auf Impf- und Genesenenzertifikate; sie können diese weiterhin exportieren. Auch das persönliche Kontakttagebuch ist noch vorhanden. 

Zum 1. Juni soll die App dann in eine „Schlafmodus“ gehen und nicht mehr aktualisiert werden. Die Pflege des Kontakttagebuch und der Abruf von Impfzertifikaten sollen weiterhin möglich sein. Neue Zertifikate lassen sich jedoch nicht hinzufügen. 

Seit ihrem Start am 16. Juni 2020 wurde die App mehr 48 Millionen Mal heruntergeladen. Bis zu 35 Millionen Bürger haben sie genutzt. Insgesamt wurden über 9 Millionen Warnungen versendet. 

USA: Bald wieder Einreise ohne Nachweis von Impfnachweis

Ab 11. Mai müssen Reisende in die USA keine Impfungen mehr nachweisen. Joe Bidens erklärtes Ziel ist, SARS-CoV-2 nur noch als endemische Krankheit einzustufen und wieder zu einer gewissen Normalität zurückzukehren. 

„Obwohl ich glaube, dass Impfvorschriften einen enormen Nutzen hatten, sind wir jetzt an einem Punkt angelangt, an dem wir es für sehr sinnvoll halten, diese Vorschriften zurückzunehmen“, sagte Dr. Ashish Jha. Er ist Corona-Koordinator des Weißen Hauses. 

„Arcturus“ breitet sich in den USA aus – vereinzelte Nachweise in Deutschland

XBB.1.16 („Arcturus“) breitet sich so schnell auf der ganzen Welt aus, dass die Weltgesundheitsorganisation die Subvariante offiziell in ihre Liste der „Variants of Interest“ aufgenommen hat, wie  Medscape.com  schreibt. 

Seit dem Auftreten in Indien im Januar hat die Zahl der Nachweise exponentiell zugenommen; die Variante macht nun 4,2% der weltweiten Fälle und 9,6% der Fälle in den USA aus. 

In der jüngsten WHO-Zusammenfassung betonen Forscher, die Variante zeige eine gewisse Immunflucht. Es gebe jedoch „keine Anzeichen für eine Zunahme des Schweregrads“ von COVID-19, so die WHO. 

In der WHO-Region Südostasien ist die Zahl der Fälle um 654% gestiegen, in der Region Östliches Mittelmeer um 96%. Auch die Zahl der Todesfälle nimmt zu. Zur WHO-Region Süd-Ost gehören Indien, Nepal, Korea und acht weitere Länder. Zur östlichen Mittelmeerregion zählen Iran, Ägypten, Pakistan und 18 weitere Länder.

Weltweit prägt weiterhin XBB.1.5 das Geschehen. Laut Angaben der WHO sind 51% der Fälle auf diesen Stamm zurückzuführen, und das CDC schreibt ihm 79% der Fälle in den USA zu. 

Das RKI nennt im letzten Wochenbericht 24 Nachweise von XBB.1.16- Sequenzen zwischen den Kalenderwochen 5 und 14.

Intensivmediziner ziehen Lehren aus der Pandemie

Was lässt sich aus der Corona-Pandemie für den Umgang mit möglichen neuen viralen Bedrohungen lernen? Darüber werden Experten auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e.V. (DGIIN) vom 14. bis 16. Juni 2023 in Berlin diskutieren. 

„Die Corona-Pandemie hat einerseits gezeigt, wie leistungsfähig unsere Notfall- und Intensivmedizin ist“, sagt Prof. Dr. Christian Karagiannidis, Präsident der DGIIN. „Sie hat aber auch den gravierenden Personalmangel in der Intensiv- und Notfallpflege demaskiert“, betont Victoria König, Tagungskoordination Pflege der DGIIN Jahrestagung. „Um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, müssen die Arbeitsbedingungen in der Intensiv- und Notfallpflege besser werden“, ergänzt Karagiannidis.

Darüber hinaus sieht die DGIIN große Chancen, aber viele Hürden bei der Nutzung von Daten. „Sowohl die Erhebung von Daten als auch die Möglichkeiten, sie zu Forschungszwecken zu nutzen, müssten dringend verbessert werden“, fordert Prof. Dr. Stefan Kluge, Tagungskoordinator der DGIIN. Veraltete Technik und ein überzogener Datenschutz behinderten die rasche Umsetzung klinischer oder epidemiologischer Studien, auch zentrale Impf- und Erkrankungsregister gebe es bis heute nicht. 

Proteinbasierter Impfstoff sicher, „akzeptabel“ wirksam – und gut lagerfähig

Soberana-2 (auch: FINLAY-FR-2, Soberana 02) ist ein COVID-19-Impfstoff, der vom kubanischen Finlay Institute hergestellt wird. Das SARS-CoV-2 Spike-Protein liegt dabei mit Tetanustoxoid konjugiert vor. FINLAY-FR-1A (Soberana Plus) wiederum basiert auf der Spike-Glykoprotein-Rezeptor-Bindungsdomäne (RBD) von SARS-CoV-2. Beide Vakzine zeigten in Phase-1- und Phase-2-Studien eine gute Sicherheit und Immunogenität, doch ist die klinische Wirksamkeit des Impfstoffs nach wie vor unbekannt. Offene Fragen wollten Forscher jetzt klären; Details haben sie in  JAMA Network Open  veröffentlicht. 

Untersucht wurden ein 2-Dosis-Schemas von FINLAY-FR-2 (Kohorte 1) und ein 3-Dosis-Schemas von FINLAY-FR-2 mit FINLAY-FR-1A (Kohorte 2) bei iranischen Erwachsenen. Zu den Teilnehmern gehörten Personen im Alter von 18 bis 80 Jahren ohne Begleiterkrankungen, ohne Gerinnungsstörungen, ohne Schwangerschaft, ohne kürzlich durchgeführte Immunglobulin- oder Immunsuppressionstherapie und ohne klinisches Bild oder labortechnisch bestätigte COVID-19 bei der Rekrutierung.

Die Studie wurde vom 26. April bis zum 25. September 2021 durchgeführt. In Kohorte 1 wurden 2 Dosen FINLAY-FR-2 (n=13.857) oder Placebo (n=3.462) im Abstand von 28 Tagen verabreicht. In Kohorte 2 waren es 2 Dosen FINLAY-FR-2 plus 1 Dosis FINLAY-FR-1A (n=4.340) oder 3 Dosen Placebo (n=1.081) im Abstand von 28 Tagen. 

In Kohorte 1 erhielten insgesamt 17.319 Personen 2 Dosen und in Kohorte 2 insgesamt 5.521 Personen 3 Dosen des Impfstoffs oder Placebo. Kohorte 1 umfasste 60,1% Männer in der Impfstoffgruppe und 59,1% Männer in der Placebogruppe; in Kohorte 2 waren 59,8% Männer in der Impfstoffgruppe und 59,9% in der Placebogruppe. 

Das Durchschnittsalter betrug 39,3 Jahre in Kohorte 1 und 39,7 Jahre in Kohorte 2, wobei es keinen signifikanten Unterschied zwischen der Impfstoff- und der Placebogruppe gab. Die mediane Nachbeobachtungszeit lag in Kohorte 1 bei 100 Tagen und in Kohorte 2 bei 142 Tagen. 

In Kohorte 1 traten 461 (3,2%) Fälle von COVID-19 in der Impfstoffgruppe und 221 (6,1%) in der Placebogruppe auf. Die Wirksamkeit des Impfstoffs lag bei 49,7% (95%-KI 40,8%-57,3%). In Kohorte 2 gab es 75 (1,6%) versus 51 (4,3%) Infektionen, was zu einer Wirksamkeit von 64,9% führt (95%-KI 49,7-59,5%). Die Inzidenz schwerwiegender unerwünschter Ereignisse lag in beiden Kohorten unter 0,1%; es gab keine impfstoffbedingten Todesfälle.

„In dieser … Phase-3-Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit von FINLAY-FR-2 und FINLAY-FR-1A zeigten 2 Dosen FINLAY-FR-2 plus die 3. Dosis FINLAY-FR-1A eine akzeptable Wirksamkeit des Impfstoffs gegen symptomatische COVID-19-Infektionen sowie gegen COVID-19-bedingte schwere Infektionen“, schreiben die Autoren. „Die Impfung war im Allgemeinen sicher und wurde gut vertragen.“ Und weiter: „Daher könnte Soberana aufgrund seiner Lagerfähigkeit und seines erschwinglichen Preises eine nützliche Option für die Massenimpfung der Bevölkerung sein, insbesondere in ressourcenbeschränkten Gebieten.“ Die Vakzine können bei Kühlschranktemperatur aufbewahrt werden. 

Wie lange hält die Immunität nach COVID-19-Impfungen an?

Die Frage, wie lange COVID-19-Vakzine schützen, ist wichtiger denn je, um zu entscheiden, wann Auffrischungsimpfungen erforderlich sind. In  JAMA Network Open  berichten Forscher jetzt über Ergebnisse einer systematischen Überprüfung und Metaanalyse der Literatur. Bei den ausgewählten Studien handelte es sich um Originalartikel, die über Schätzungen des Schutzniveaus und seiner Abnahme gegen eine im Labor bestätigte SARS-CoV-2-Infektion und symptomatische Erkrankung berichten. 

Die Autoren haben insgesamt 799 Originalartikel und 149 Übersichtsarbeiten aus Fachzeitschriften mit Peer-Review sowie 35 Preprints identifiziert. Davon wurden 40 Studien in die Analyse einbezogen. 

Gepoolten Schätzungen der Effektivität eines primären Impfzyklus über alle Vakzine hinweg gegen eine im Labor bestätigte Omikron-Infektion und eine symptomatische Erkrankung lagen 6 Monate nach Verabreichung der letzten Dosis beide unter 20%. Durch Auffrischungsimpfungen wurde die Effektivität wieder auf ein Niveau gebracht, das mit dem kurz nach der Verabreichung des 1. Zyklus erreichten Wert vergleichbar war. 

9 Monate nach der Verabreichung der Auffrischungsdosis lag die Impfeffektivität gegen Omikron bei weniger als 30% gegenüber einer im Labor bestätigten Infektion und symptomatischen Erkrankung.

Die Halbwertszeit der Impfeffektivität gegen symptomatische Infektionen wurde für Omikron auf 87 Tage (95%-KI 67-129 Tage) geschätzt, verglichen mit 316 Tagen (95%-KI 240-470 Tage) für Delta. Als Halbwertszeit definieren Forscher eine Spanne, innerhalb derer sich die Impfeffektivität halbiert. 

Wenig überraschend gab es Unterschiede zwischen einzelnen Impfstoffen. 1 Monat nach Verabreichung der 2. Dosis wurde eine höhere Impfeffektivität für mRNA-1273 von Moderna (61,9%; 95% KI 46,8%-76,9%) und für BNT162b2 von BioNTech/Pfizer (59,3%; 95%-KI 54,3%-64,4%) gefunden. Bei ChAdOx1 nCoV-19 von AstraZeneca (45,9%; 95%-KI 38,0%-54,1%) und bei CoronaVac von Sinovac (32,4%; 95%-KI 23,7%-36,8%) waren die Effektivitäten niedriger. 9 Monate nach der Verabreichung der 2. Dosis von BNT162b2, mRNA-1273 und ChAdOx1 nCoV-19 und 6 Monate nach der zweiten Dosis von CoronaVac lag die Impfeffektivität unter 5%. 

„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Wirksamkeit von COVID-19-Impfstoffen gegen im Labor bestätigte Omikron- oder Delta-Infektionen und symptomatische Erkrankungen im Laufe der Zeit nach dem 1. Impfzyklus und der Auffrischungsdosis rasch abnimmt“, heißt es als Fazit. 

Long-COVID-Patienten und Genesene reagieren unterschiedlich auf COVID-19-Impfstoffe

Eine neue Studie zeigt, dass Menschen mit oder ohne Long-COVID unterschiedlich auf COVID-Impfstoffe reagieren und dass die Erkrankung möglicherweise durch eine Fehlfunktion des Immunsystems verursacht wird. Die Ergebnisse könnten erklären, warum manche Menschen monatelang unter Symptomen leiden, während andere sich erholen und wieder ein normales Leben führen. Darüber hat  Medscape.com  berichtet. 

Die neue Analyse wurde in  BMC Infectious Diseases  veröffentlicht und umfasste 245 Personen, die an Long-COVID erkrankt waren, sowie 86 Personen, die sich ohne langfristige Symptome von der Infektion erholt hatten. 

Die Autoren definierten Long-COVID als Symptome, die länger als 12 Wochen andauerten. Häufige Beschwerden sind Müdigkeit, Kurzatmigkeit und Hirnfunktionsstörungen wie Verwirrung und Vergesslichkeit.

Beide Gruppen waren vor Beginn der Studie noch nicht geimpft worden. Als die Forscher Blutproben analysierten, nachdem die Personen eine 1. Impfdosis erhalten hatten, stellten sie fest, dass Personen mit Long-COVID und Personen, die sich bereits von dem Virus erholt hatten, anfangs ähnliche Immunreaktionen zeigten. Nach 8 Wochen war die Immunreaktion der Gruppe mit Long-COVID jedoch weiterhin erhöht, während sie bei der anderen Gruppe normalisiert hatte.

Alle Probanden wiesen einen anfänglichen Anstieg von Antikörpern im Blut auf, die sich in erster Linie gegen das Spike-Protein richten. Die Long-COVID-Gruppe zeigte jedoch eine anhaltende, verstärkte Immunreaktion.

Die Autoren erklärten, es sei unklar, warum die beiden Gruppen unterschiedliche Immunreaktionen hätten, und wiesen auch darauf hin, dass ihre Studie durch eine kleine Stichprobengröße begrenzt gewesen sei. 

Corona-Screening von Schulkindern mit Hunden – warum das Sinn macht

Das kalifornische Gesundheitsamt fördert ein landesweites, schulbasiertes COVID-19-Antigen-Testprogramm. Obwohl die Maßnahmen effektiv sind, erfordern sie Personal und viele Schnelltests. Außerdem nehmen die Untersuchungen viel Zeit in Anspruch. Spürhunde sind eine Strategie für ein schnelles, nicht-invasives, kostengünstiges und umweltfreundliches COVID-19-Screening. Über die Praxistauglichkeit solcher Riechtests berichten Forscher jetzt in  JAMA Pediatrics

Trainer haben 2 Spürhunde ausgebildet, die flüchtige organische Verbindungen (VOC) bei COVID-19 erkennen. Das Hundescreening wurde vor der eigentlichen Praxisphase bei Freiwilligen an Tagen durchgeführt, an denen ohnehin Antigentests in Schulen geplant waren. Die Teilnehmer standen in einem Abstand von 1,5 m voneinander entfernt, und die Hunde schnüffelten, geführt von Hundeführern, an den Knöcheln und Füßen. Nach einem 2-monatigen Training an COVID-19-Geruchsproben im Labor erreichten die Hunde eine Sensitivität und Spezifität von mehr als 95% für den Nachweis des Virus. 

Das Hundescreening wurde anschließend in der Praxis erprobt. Vom 1. April bis 25. Mai 2022 hat das Studienteam 50 Besuche an 27 Schulen durchgeführt. Von 1.558 Teilnehmern (mittleres Alter 13 Jahre; 870 Frauen) waren die meisten (89%) Schüler; 68%) wurden mindestens 2-mal untersucht. Insgesamt wurden 3.897 gepaarte Antigen- und Hunde-Screenings durchgeführt. 

Die Hunde zeigten 85 Infektionen korrekt an und schlossen 3.411 Infektionen aus (Gesamtgenauigkeit: 90%). Allerdings zeigten sie in 383 Fällen eine Infektion ungenau an und übersahen 18 Infektionen, was eine Sensitivität von 83% (95%-KI 75%-90%) und eine Spezifität von 90% (95%-KI 89%-91%) ergab. 

Doch warum hat in Zeiten von Antigen-Tests diese Methode immer noch Bedeutung? Ein Hundescreening auf eine COVID-19-Infektion könne in wenigen Sekunden durchgeführt werden, auch bei vielen Personen, so die Autoren. Aufwändig sei jedoch, die Tiere zu trainieren. 

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