Fall: Eine 63-jährige Frau mit Bauchschmerzen und unklarem radiologischem Befund. Wie helfen Sie ihr?

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

31. August 2023

Eine 63-jährige Frau wird wegen chronischer Unterleibsschmerzen, die in letzter Zeit zugenommen haben, in die chirurgische Abteilung des Sina-Krankenhauses in Teheran eingeliefert. An weiteren Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust leidet sie nicht. Die Anamnese einschließlich der Familienanamnese ist unauffällig [1]

Körperliche und apparative Untersuchungen

Die Ärzte schreiben zu ihren Untersuchungsergebnissen: 

  • Unauffällige Vitalparameter, Abdomen weich, kein auffallender Tastbefund.

  • Laboranalyse: außer einer leichten Leukozytose unauffällig.

  • Radiologische Diagnostik (keine Angaben der Methode): unklare Masse im Zökum.

Aufgrund der klinischen Symptomatik und des radiologischen Befundes nehmen sie eine Hemikolektomie rechts und eine paraortale Lymphknotendissektion vor. Die histopathologische Untersuchung (einschließlich immunhistochemischer Färbung) von Gewebe aus Kolon, Zökum, des terminalem Ileum und Appendix zeigt eine Mastozytose. Nach der Operation wird die Patientin aufgrund ihres kritischen Zustands auf die Intensivstation verlegt. Dort stirbt sie nach einigen Tagen. 

Diskussion

Zum Hintergrund: Eine isolierte Mastozytose im Gastrointestinaltrakt ist selten. Bei der Differenzialdiagnose verschiedener gastrointestinaler Tumore ist jedoch Vorsicht geboten.

Unter Mastozytosen fallen nach Angaben von Dr. Karin Jäger (Medizinische Universität Wien) mehrere seltene Erkrankungen, welche durch die klonale Vermehrung von Mastzellen in unterschiedlichen Geweben gekennzeichnet sind. Meist sind Haut und/oder Knochenmark befallen; es können aber auch Gastrointestinaltrakt, Leber, Milz und Lymphknoten betroffenen sein 

Die WHO-Klassifikation teilt die Erkrankung in kutane und systemische Mastozytosen und Mastzellsarkome ein. Auf die Haut limitierte Erkrankungen bezeichnet man als kutane Mastozytose; bei der Beteiligung eines extrakutanen Organs wird von einer systemischen Mastozytose gesprochen.

Die Mastozytose zählt zu den seltenen Erkrankungen. Ihre Prävalenz liegt etwa bei 1:10.000, bei einer jährlichen Inzidenz von ca. 1:100.000 Personen. Sie könne bereits bei Geburt vorhanden sein oder in jedem anderen Lebensalter auftreten.

Die Behandlung verfolge in Abhängigkeit der Erkrankungskategorie unterschiedliche Ziele und reicht von einer symptomatischen Therapie mit dem Ziel der Beschwerdekontrolle bis hin zu zytoreduktiven Therapien bei den fortgeschrittenen Formen der systemischen Mastozytose. Das erläutert Dr. Frank Siebenhaar vom Institut für Allergieforschung Charité. Da kurative Therapie-Optionen bislang fehlen, steht die Symptomkontrolle im Fokus der Behandlung der kutanen und indolenten systemischen Mastozytose.

Basis der symptombezogenen Therapie ist die Behandlung mit oralen H1-Antihistaminika der 2. Generation in Kombination mit H2-Rezeptorblockern. Experten empfehlen, alle erwachsenen Patienten mit einem Notfallset inklusive Epinephrin-Autoinjektor und mit einem Notfallpass auszustatten.

Bei gastrointestinalen Beschwerden sprechen einige Patienten gut auf Dinatriumcromoglycat an. Bei Patienten mit Anaphylaxie sollte möglichst eine spezifische Immuntherapie eingeleitet und lebenslang fortgeführt werden. Zur Behandlung der sekundären Osteoporose empfehle sich eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Trotz des Einsatzes hochdosierter Kombinationstherapien lassen sich klinischen Beschwerden bei vielen Patienten nicht ausreichend gut kontrolliert. Dies weist auf den hohen Bedarf an neuen und besseren Therapieoptionen hin.

Mittlerweile nehmen die Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) vermehrt Einzug in die Behandlung der systemischen Mastoztose. Seit 2017 ist der Multikinaseinhibitor Midostaurin zugelassen, eine neue Substanz ist Avapritinib. Die neuere TKI-Generation zeichnet sich durch eine erheblich bessere Verträglichkeit aus und erlaubt erstmals auch deren Verwendung zur Behandlung der indolenten Formen der Mastozytose. 

Avapritinib als 1. Vertreter dieser Gruppe, durchläuft aktuell die klinische Entwicklung. Aufgrund ihres Wirkspektrums am Entstehungsort der Mastozytose, nämlich der KIT-D816V-Mutation könnten diese Medikamente „einen echten Wandel in der Therapie der Mastozytose hervorrufen“, so Siebenhaar.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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