Fall: Dieser 50-jährige Mann hat tumorartige Herde in der Leber – aber es ist kein Krebs. Ihre Vermutung?

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

4. Mai 2023

Ein 50-jähriger Mann kommt wegen starker Unterbauchschmerzen in die Klinik. Er leidet an Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und COPD. In seiner Vorgesichte ist auch eine operierte Leistenhernie [1]

Körperliche und apparative Untersuchungen

Bei den Untersuchungen zeigt sich: 

  • Druckschmerzhafter Unterbauch.

  • Geringe Leukozytose und minimal erhöhter CRP-Wert.

  • Abdomen-Sonographie: unregelmäßig begrenzte echogemischte Struktur am Colon sigmoideum mit umgebenden Flüssigkeitslamellen und Lymphadenopathie; mehrere Leberrundherde.

  • Kontrastmittel-Sonographie: leichte randständige arterielle Hyperperfusion, zentrale Aussparung sowie ein venöses „wash-out“ mit Verdacht auf Malignität.

  • Computertomographie: Verdacht auf ein in die Leber metastasiertes Malignom; auffällig war den Autoren zufolge ein langstreckig thrombosierter Seitenast der V. mesenterica inferior links parakolisch mit entzündlicher Umgebungsreaktion.

  • Koloskopie: ausgedehnter Befall mit Enterobius vermicularis in allen Kolonabschnitten; kein Tumor; im Sigma mehrere kleine, submuköse Raumforderungen mit ödematös erhabener Schleimhaut und punktförmigen Einsenkungen (histologisch ausgeprägte eosinophile Entzündungsreaktion ohne Malignitätsnachweis).

  • Mikroskopische Untersuchung von 2 entfernten oberflächlichen metastasensuspekten Erhabenheiten: ausgeprägte Nekrosen, umgeben von einem stark eosinophilen entzündlichen Infiltrat; in den Nekrosen Nachweis eines weiblichen Parasiten vom Typ Enterobius vermicularis mit prall gefülltem Uterus voller Madenwurmeier.

Therapie

Die Diagnose der Ärzte lautet: Enterobiose des Kolons mit tumorartiger hepatischer Beteiligung. Behandelt wird der Mann daher mit Albendazol (100 mg p.o. 3-mal in 14-tägigem Abstand als Einzelgabe). 

Nach 2 Monaten zeigt das Klebestreifenpräparat keine Madenwürmer mehr. Die sonographische Kontrolle ergibt auch keine Anhaltspunkte für persistierende hepatische Wurm-Manifestationen oder für eine Thrombose.

Diskussion

Enterobius vermicularis sei einer der häufigsten Parasiten weltweit und habe einen einzigartigen Lebenszyklus, erklärt Dr. Eva Schadelbauer von der Abteilung für Dermatologie und Venerologie der Medizinischen Universität Graz. „Nach oraler oder nasaler Ingestion infektiöser Eier schlüpfen Larven im proximalen Anteil des Dünndarms. Auf ihrem Weg zum Dickdarm häuten sich die Larven 2-mal, werden zu adulten Würmern und vermehren sich.“

Der männliche Wurm werde bis zu 50 Tage alt; er sterbe nach der Kopulation. Weibliche Exemplare könnten bis zu 100 Tage alt werden. Nur der schwangere Wurm, der bis zu 11.000 Eier produziere, wandere in die Perianal- und Perinealregion, um dort seine asymmetrischen ovalen Eier zu legen.

Das typische klinische Symptom sei nächtlicher, (peri)analer Pruritus, der zu unaufhörlichem Kratzen und zu bakterieller Superinfektion führen könne, erklärt die Dermatologin weiter. Enterobius vermiculariswerde über Kontakt mit kontaminierten Lebensmitteln, Kleidung, Bettwäsche und anderen Gegenständen bzw. durch direkten Hautkontakt und Sexualkontakt übertragen.

Die systemische extraintestinale Enterobiose mit Mehrorganbefall ist nach Angaben von Markus Zachäus, Helios Park-Klinikum Leipzig, und seinen Kollegen selten. Zugelassene Wirkstoffe zur Behandlung der Enterobiose seien Mebendazol, Pyrantelembonat und Pyrviniumembonat. Die Anwendung sei auf den enteralen Befall beschränkt. Bei extraintestinalem Befall sollen Albendazol und Ivermectin als „Off-label-Therapie“ sehr effektiv sein. Nur das Benzimidazolderivat Albendazol sei jedoch adultizid und ovizid.

Es sei notwendig, dass alle in einem Haushalt lebenden Personen und auch Sexualpartner der Patienten untersucht, getestet und gegebenenfalls ebenfalls behandelt würden, betont Schadelbauer. Auch nach erfolgreicher Therapie könne es jedoch zu Rezidiven kommen.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

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Kommentar

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