Fall: Ein 7-jähriges Kind mit Schmerzen im Nacken und zwischen den Schulterblättern – was steckt dahinter?

Dr. Thomas Kron

Interessenkonflikte

8. Mai 2023

Die Eltern stellen ein 7-jähriges Mädchen in der Ambulanz der Abteilung für Pädiatrie der Landes-Frauen- und Kinderklinik in Linz vor, weil es über Nackenschmerzen und Schmerzen zwischen den Schulterblättern klagt. Die Beschwerden haben in den 3 zurückliegenden Wochen zu einer progredienten Bewegungseinschränkung geführt [1].

Hinweise auf ein Trauma oder eine Infektion gibt es nicht. Die klinische Untersuchung und die laborchemische Diagnostik bleiben bei Voruntersuchungen auch ohne Befund. Auch eine Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule liefert nichts Auffälliges. 

2 Monate nach den Erstuntersuchungen wird das Mädchen aufgrund einer rasch progredienten neurologischen Symptomatik in einer anderen pädiatrischen Abteilung (Neurologie) der Klinik vorgestellt.

Körperliche und apparative Untersuchungen 

Dabei finden Ärzte einige Auffälligkeiten.  

  • Hypästhesie ab Dermatom Th5 und spastische Paraparese

  • Muskeleigenreflexe der unteren Extremitäten bis zum Klonus gesteigert, Babinski-Reflex beidseits positiv

  • Restharn: 90 ml

  • MRT der Wirbelsäule: fast symmetrische tumoröse Auftreibung der dorsalen Partien des 4. Brustwirbels; Ausbreitung des tumorösen Prozesses in den Spinalkanal, Verlagerung des Duralsacks nach ventral; homogene Kontrastmittelaufnahme, diskrete Signalalteration des Myelons.

Therapie

Nach Indikationsstellung zur Operation wegen des progredienten klinischen Befundes nehmen Ärzte eine Laminektomie Th3-5 und eine Resektion des epiduralen Tumorgewebes vor. Ihre Diagnose lautet aufgrund des histologischen Befundes: Osteoblastom.

Die neurologischen Ausfallserscheinungen bilden sich postoperativ rasch zurück. Ein MRT mit Kontrastmittel 2 Monate nach der Operation liefert keinen Hinweis auf einen Rest- oder Rezidivtumor.

Bei der letzten Kontrolle gibt die inzwischen 17-jährige Patientin an, beschwerdefrei zu sein. Radiologisch finden Ärzte nur eine leicht progrediente Brustkyphose.

Diskussion

Rückenschmerzen seien bei Kindern eher selten und hätten meist ein organisches Korrelat, erklären die Autoren des Fallberichts. Differenzialdiagnostisch zu berücksichtigen seien insbesondere entzündliche Prozesse und Tumoren.

So muss bei Kindern mit bewegungsabhängigen Rücken- und auch Bauchschmerzen, paravertebralem Muskelhartspann, der Weigerung zu laufen oder Hinken zum Beispiel an eine Spondylodiszitis gedacht werden. Die Erkrankung ist relativ selten; betroffen sind vor allem Kinder zwischen 1 Jahr und 5 Jahren. Zudem sollte eine Osteomyelitis oder eine Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis in Betracht gezogen werden.

Eine häufige Ursache für thorakale Rückenschmerzen im Teenageralter ist der Morbus Scheuermann. Auch an eine Spondylolisthese sollte gedacht werden. 

Zu den Tumoren, die differenzialdiagnostisch relevant sind, zählen spinale Tumoren, etwa Astrozytome sowie Ependymome. Infrage kommen auch spinale Abtropfmetastasen von primären Hirntumoren (etwa Medulloblastomen und Ependymomen), außerdem Schwannome, Meningeome, Neurofibrome, Dermoide, Epidermoide oder Lipome. Darüber hinaus sind primäre Knochentumoren zu erwägen, zum Beispiel Osteoidosteome, Osteoblastome, Ostechondrome oder Ewing-Sarkome.

Zu den häufigsten gutartigen Neubildungen des Knochens der Wirbelsäule zählen außer dem Osteoidosteom und dem Osteoblastom die aneurysmatische Knochenzyste. Von einem Osteoblastom sind junge Erwachsene (20. bis 30. Lebensjahr), und dabei häufiger Männer als Frauen, betroffen. Der histologisch ähnliche Tumor, das Osteoidosteom, tritt bereits bei Kindern und Jugendlichen auf.

Osteoblastome manifestierten sich vor allem in der Wirbelsäule (zervikal > lumbal > thorakal). Typische Symptome sind lokale Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Fehlhaltung. Der biologisch aggressive Tumor zerstört den Knochen und infiltriert das Weichteilgewebe. Somit zeigten sich bereits in 43 bis 70% der Fälle zum Zeitpunkt der Diagnose neurologische Ausfälle.

Das Osteoblastom wächst überwiegend im spongiösen Bereich des Knochens und kann mehrere Zentimeter groß werden. Hingegen lokalisiert sich das meist unter 1,5 cm große Osteoidosteom meist in der Kortikalis der unteren Extremität. Charakteristisch für diese Tumorentität sind in der Nacht auftretende Schmerzen, die auf Acetylsalicylsäure meist gut ansprechen. Beim Osteoblastom hingegen ist das Ansprechen viel geringer ausgeprägt.

Ebenso wie bei Erwachsenen mit Rückenschmerzen sollte laut Eder und ihren Kollegen auch bei Kindern gezielt nach folgenden „red flags“ gefragt werden: akute Schmerzen, chronisch-progredienter Verlauf, Bewegungseinschränkung, fehlendes Trauma und neurologische Störungen. Zu berücksichtigen seien außerdem Erkrankungen, die mit einer Projektion der Schmerzen in den Rücken einhergehen könnten, etwa eine Pneumonie oder Pyelonephritis.

Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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