Ein 18-jähriger Patient stellt sich wegen Bauchschmerzen, postprandialem Erbrechen sowie dünnem, gelblichem Stuhlgang vor. Mit Beginn der seit Wochen bestehenden Symptome hat der zuvor gesunde und sportliche junge Mann zirka 10 kg Gewicht verloren [1].
Körperliche und apparative Untersuchungen
Die Körperliche Untersuchung ist unauffällig. Bei der Labor-Diagnostik zeigt sich ein mäßig erhöhte Cholestaseparameter. Eine Gastroskopie muss wegen nicht passierbarer, zirkulärer Enge an der Bulbusspitze abgebrochen werden.
Verwertbare Ergebnisse liefert die Abdomen-Sonografie. Sie zeigt eine 3 cm große, echoarme Formation in Projektion auf den Pankreaskopf mit erweitertem Ductus wirsungianus und erweiterten Gallenwegen. Computertomografie sowie MRT mit Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie (MRCP) bestätigten den Ultraschall-Befund.
Diagnose und Verlauf
Bei unklarer Pankreasraumforderung ohne Anhalt für Irresektabilität und Fernmetastasen im Falle eines Malignoms wird der junge Mann schließlich operiert (Operation nach Whipple). Die postoperative Gewebe-Untersuchung zeigt ein duktales Adenokarzinom des Pankreas (TNM-Stadium: pT2 pN0 (0/30) pMX, G2, L1, V1, R0).
Der weitere Verlauf ist zunächst bis auf eine postoperativ verzögerte Magenentleerung komplikationslos. Nach Fertilitätserhalt mittels Kryokonservierung erhält der Patient eine adjuvante Chemotherapie mit Gemcitabin und Capecitabin über 6 Zyklen. In den Nachsorgeuntersuchungen nach zirka 1 Jahr ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein Rezidiv des Adenokarzinoms.
Diskussion
Die Differenzialdiagnose von Raumforderungen des Pankreas sei, wie Peter Becker und Dieter Schilling im Fallbericht erklären, „sehr breit und umfasst solide Tumoren, zystische Läsionen und (pseudotumoröse) entzündliche Veränderungen“. Generell sei der mit Abstand häufigste Pankreastumor das duktale Adenokarzinom; alle weiteren Neoplasien träten mit einer Häufigkeit von unter 1 bis 3% auf (Neuroendokrine Neoplasie, Azinuszellkazinom, muzinös-zystische, serös-zystische sowie solid- pseudopapilläre Neoplasie) oder seien Raritäten (Pankreatoblastom, Lymphome, Metastasen, Sarkome und Hamartome).
Bei jungen Menschen seien Pankreas-Malignome sehr selten. So seien von 17.127 Pankreas-Neoplasien nur 66 (0,004%) bei Patienten unter 35 Jahren aufgetreten, Stand 2024. Zahlen kommen von der Krebsstatistik des Robert Koch-Instituts.
Das durchschnittliche Erkrankungsalter habe bei 75 (Frauen) und 72 (Männern) Jahren gelegen, so die Autoren. Die einzige der genannten Tumorarten, die typischerweise bei jungen Erwachsenen auftrete, sei die solid-pseudopapilläre Neoplasie; betroffen seien hiervon allerdings mit einer Häufigkeitsverteilung von fast 10:1 vor allem Frauen (Durchschnittsalter: 29 Jahre).
Aufgrund des jungen Alters habe bei dem 18-Jährigen eine familiäre oder genetische Komponente nahegelegen. Tatsächlich hätten sich in der Familienanamnese des 18-Jährigen verschiedene maligne Erkrankungen gefunden, welche den Verdacht auf einen genetischen Zusammenhang erhärtet hätten, schreiben die Autoren.
Eine Analyse (Next-Generation-Sequencing) habe 4 Genmutationen ergeben (BRCA1, NF1, CDKN2A, SMAD4). In einer humangenetischen Beratung hätten jedoch weder diese noch andere mit Pankreaskarzinomen assoziierte Mutationen in Form einer Keimbahnmutation nachgewiesen werden können. Von der Familienkonstellation waren laut Becker und Schilling die Kriterien für ein familiäres Pankreaskarzinom nicht erfüllt, ein familiäres atypisches multiples Muttermal- und-Melanom-Syndrom (FAMMM) wäre möglich gewesen (Melanom beim Vater). Die hiermit assoziierte entsprechende Mutation (CDKN2A) sei aber nur im Tumorgewebe selbst und nicht als Keimbahnmutation nachgewiesen worden. Dennoch scheine auch ohne Mutationsnachweis eine hereditäre Komponente weiterhin wahrscheinlich.
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Univadis.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Fall: Überraschende Diagnose bei einem 18-jährigen, vermeintlich gesunden Mann – was erklärt seinen Gewichtsverlust? - Medscape - 31. Jul 2023.
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