Keine Störung von Herzschrittmachern oder ICDs: Patienten können Schnelladesäulen für Elektroautos gefahrlos nutzen

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

27. April 2023

Träger eines Herzschrittmachers oder eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) können ihr Elektroauto an einem High Power Charger (HPC) an der Autobahn aufladen, ohne dass eine Störung ihres Implantats droht. Das zeigt eine neue Studie des Deutschen Herzzentrums in München [1]

„Die neuen Hochleistungsladestationen für Elektroautos haben das Potenzial, starke elektromagnetische Felder zu erzeugen und bei Schrittmachern und Defibrillatoren elektromagnetische Störungen zu verursachen, was zu Fehlfunktionen führen könnte“, erklärt Erstautor Dr. Carsten Lennerz die Motivation für die in EP Europace publizierte Studie.

Interferenzen durch elektromagnetisches Feld der Batterie befürchtet

Nicht zum 1. Mal werden Elektroautos und deren Infrastruktur auf ihre Sicherheit für Träger von elektrischen kardialen Implantaten (cardiac implantable electronic devices, CIEDs) wie Schrittmachern, ICDs und Systemen zur kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) überprüft.

„Sowohl die Interessenverbände der Autoindustrie als auch verschiedenste Internetforen beschäftigen sich schon seit Jahren damit, ob es Interferenzen zwischen dem von den Autobatterien erzeigten elektromagnetischen Feld und CIEDs geben kann“, berichtet Prof. Dr. Daniel Steven, Sprecher der Arbeitsgruppe Elektrophysiologie und Rhythmologie (AGEP) der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) im Gespräch mit Medscape.

Experten hatten befürchtet, dass Herzschrittmacher ausfallen oder ICDs fälschlicherweise Arrhythmien detektieren und unnötige schmerzhafte Stromstöße abgeben könnten. Ursprünglich war die Frage, ob es bereits beim Betrieb eines Elektroautos zu Interferenzen zwischen dem von den Hochvolt-Batterien erzeugten elektromagnetischen Feld und CIEDs kommen kann. „Ab einer Feldstärke von 300 µT kann man annehmen, dass Interferenzen mit den implantierten Systemen auftreten können“, so Steven, der am Herzzentrum der Universität zu Köln die Abteilung für Elektrophysiologie leitet.

 
Ab einer Feldstärke von 300 µT kann man annehmen, dass Interferenzen mit den implantierten Systemen auftreten können. Prof. Dr. Daniel Steven
 

Das Fahren und das Laden zu Hause erwiesen sich als sicher

Doch erste Studien gaben Entwarnung: Auch bei höherer Leistungsabgabe der Batterie während des Fahrens traten keine Interferenzen mit Schrittmachern auf. Die Feldstärken lagen bei 30-50 µT und stellten somit kein Risiko für die Patienten dar. „Die Hochvolt-Batterie ist von Seiten des Autoherstellers schon deshalb sehr gut abgeschirmt, weil Interferenzen mit den elektrischen Systemen des Autos vermieden werden sollen. Deshalb haben die Autohersteller ein intrinsisches Interesse die Feldstärke im Auto zu reduzieren“, erklärt Steven.

Weitere Untersuchungen beschäftigten sich mit dem Laden von Elektroautos zu Hause. Heimladestationen arbeiten mit Wechselstrom, haben eine Leistung von 11 kW und sind schlechter abgeschirmt als HPCs. „Aber auch hier wurde festgestellt, dass weder im Kontakt mit dem Kabel noch mit der Ladestation eine Feldstärke von 150-180 mT überschritten wurde. Also ebenfalls Werte im Bereich dessen, was für den Schrittmacher zumutbar ist“, so Steven.

Auch Schnelllader sind sicher

In der neuen Studie standen High Power Charger auf dem Prüfstand, die Elektroautos auf der Autobahn möglichst schnell wieder aufladen sollen. Diese Hochleistungsladestationen haben eine Ladeleistung von bis zu 350 kW und arbeiten mit Gleichstrom, wodurch sie schneller mehr Energie liefern können.

Lennerz und sein Team rekrutierten 130 Patienten mit einem Herzschrittmacher, ICD oder CRT-System. Sie waren im Schnitt 59 Jahre alt; fast 80% waren Männer. Die verwendeten Elektroautos waren ein Tesla Modell 3, ein Audi E-tron 55 Quattro, ein VW id.3 und ein Porsche Taycan Turbo. Da diese Autos noch nicht in der Lage sind, die maximale Ladung von 350 Watt aufzunehmen, wurden außerdem Ladevorgänge mit einem dafür ausgelegten Testwagen von Ionity durchgeführt.

Um jedes potenzielle Risiko auszuschließen, wurden Implantate der Studienteilnehmenden so programmiert, dass sich elektromagnetische Interferenzen optimal erkennen lassen. Darüber hinaus legten sich Probanden Ladekabel so über die Schulter, dass sie beim Ladevorgang direkt über Schrittmacher oder ICD befanden.

Keine Störungen trotz Worst-Case-Szenario

„Diese Studie war als Worst-Case-Szenario designt, mit maximaler Chance für elektromagnetische Interferenz. Trotzdem fanden wir keine klinisch relevante elektromagnetische Interferenz und keine Gerätefehlfunktionen während der Benutzung der HPC-Ladestationen“, berichtet Lennerz.

Insgesamt führten die Studienteilnehmenden 561 Ladevorgänge durch, während derer es weder zu Ausfällen der Schrittmacher noch zur fälschlichen Detektion von Arrhythmien kam. Auch Veränderungen der Programmierung oder Schäden an den Geräten selbst seien im Anschluss an die Ladevorgänge nicht zu beobachten gewesen, so die Forschungsgruppe.

„Durch die hohen Energiemengen, die HPC-Ladestationen abgeben, müssen auch die Kabel selbst stark isoliert und teils gekühlt sein. Und diese Isolationsdichte um die Kabel herum führt auch dazu, dass das elektromagnetische Feld sehr stark abgeschirmt wird“, erklärt Steven. Tatsächlich waren die höchsten Feldstärken, die die Münchner Forschenden maßen, 80-90 µT – und zwar an der Ladestation auf Kopfhöhe des Benutzers, also weit weg von Kabel und Auto selbst.

Eine gewisse Distanz kann dennoch nicht schaden

„Es scheint so zu sein, dass weder der Betrieb eines Elektroautos noch die Ladevorgänge zuhause an der Wechselstromladebox noch die Ladevorgänge an einem High Power Charger Interferenzen erzeugen, die für Schrittmacherträger gefährlich sein könnten“, so Steven.

Und Lennerz schlussfolgert: „Patienten mit CIEDs können beruhigt sein, dass das Laden von Elektroautos an HPC-Ladestationen sicher ist. Das Risiko für eine Fehlfunktion von Schrittmachern und ICDs ist extrem gering. Auch das Sitzen im Auto oder Stehen neben dem Ladekabel oder der Ladestation ist sicher. Dennoch würden wir empfehlen, das Ladekabel nicht direkt über das Implantat zu legen und eine gewisse Distanz zu den Ladeelementen einzuhalten.“

 
Es scheint so zu sein, dass weder der Betrieb eines Elektroautos noch die Ladevorgänge zuhause an der Wechselstromladebox noch die Ladevorgänge an einem High Power Charger Interferenzen erzeugen, die für Schrittmacherträger gefährlich sein könnten. Prof. Dr. Daniel Steven
 

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