Personalnot steigert das Risiko zu erkranken. Das hat das Forsa-Institut im Auftrag der DAK-Gesundheit jetzt in einer groß angelegten Studie mit Zahlen belegt. Besonders betroffen: Kranken- und Altenpflegekräfte. Aber nicht nur sie leiden unter der dünnen Personaldecke, auch Ärztinnen und Ärzte in Kliniken und Praxen ächzen unter Personalnot und Arbeitslast.
„Ständiger Personalmangel ist kein Problem der Zukunft, sondern schon heute für fast die Hälfte der Beschäftigten Realität – mit gravierenden Gesundheitsrisiken. Die Arbeitswelt steht enorm unter Druck“, sagt Andreas Storm, Vorsitzender des Vorstands der DAK-Gesundheit. „Die Zusammenhänge zwischen Personalmangel und Krankenstand sind viel größer, als bisher vermutet. Deshalb müssen wir schnell gegensteuern.“
Für den Report „Gesundheitsrisiko Personalmangel – Arbeitswelt unter Druck“ hat die DAK 2,4 Millionen Datensätze ihrer Versicherten ausgewertet und rund 7.000 Erwerbstätige befragt.
Besonders Altenpflegekräfte arbeiten am Limit
Das Ergebnis: Durchschnittlich 45% der Befragten berichten von regelmäßigem Personalmangel an ihren Arbeitsplätzen. Das bedeutet Leistungsdruck, versäumte Pausen sowie Überstunden.
74% der Krankenpflegekräfte erklärten, ihre Arbeit nur unter großen Anstrengungen schaffen zu können. 65% der Altenpflegekräfte bestätigten das.
Außerdem hat die Befragung einen ausgeprägten Präsentismus der Arbeitnehmer zutage gefördert – je größer der Personalmangel, um so ausgeprägte der Präsentismus: 70% der Beschäftigten, die regelmäßig Personalmangel erlebten, haben in den letzten 12 Monaten gearbeitet, obwohl sie krank waren. In Betrieben ohne Personalnot waren es nur 41%.
Die Folgen des übermäßigen Arbeitens auf die Gesundheit sind offenbar enorm. Die Betroffenen können in ihrer Freizeit nicht „abschalten“ und leiden unter Erschöpfung (54%), Schlafstörungen (35%) oder Kopf-und Rückenschmerzen (23%). Kein Wunder, dass die Berufsgruppen mit den größten Fachkräftelücken einen erhöhten Krankenstand aufweisen, und zwar um 1,5 Prozentpunkte über dem Berufe-Durchschnitt von 5,5 Prozentpunkten. Den höchsten Krankenstand weisen die Beschäftigten in der Altenpflege auf.
Auch Ärztinnen und Ärzte sind betroffen, wenn sie auch nicht in den Ergebnissen der DAK-Studie auftauchen. Aber schon auf dem 122. Deutschen Ärztetag 2019 in Münster befassten sich die Delegierten mit dem Thema und stellten fest, dass „Personalnot, Arbeitsverdichtung und Wettbewerbsdruck zu körperlicher und auch emotionaler Überlastung von Ärzten führen“.
45% der Ärztinnen und Ärzte haben keinen Hausarzt
So beklagten 3 Viertel der Krankenhausärzte eine berufliche Überlastung. In einer Befragung von Ärztinnen und Ärzten zu ihrer Arbeits- und Gesundheitssituation aus dem Jahr 2019 ermittelte der Marburger Bund, dass 69% der befragte Ärzte mehrfach am Tag oder ständig unter Zeitdruck stehen. 30% berichteten von schlecht organisierten Abläufen im Krankenhaus.
Im vergangenen Jahr hat auch der Arbeitskreis junge Ärztinnen und Ärzte des Hartmannbundes (HB) im Rahmen einer Umfrage gezeigt, dass die hohe Arbeitsbelastung in den Kliniken auf die Gesundheit der Ärzte durchschlägt.
Hinzu kommt, dass viele Ärzte sich relativ wenig um ihre eigene Gesundheit kümmern, wie die Befragung durch den HB ergab. So haben 45% der 850 befragte Ärztinnen und Ärzte keinen Hausarzt, weil sie keine Zeit hatten, eine Praxis zu suchen oder der Ansicht sind, keine zu brauchen (60,76%). Statt zu einem Hausarzt zu gehen, „setzen sie kritischerweise auf Selbstmedikation“ oder gehen einfach krank zur Arbeit – 39,88% taten dies häufig, so die Umfrageergebnisse.
Dabei scheint der Medizinsektor bei der Verbesserung der Arbeitsumstände nachzuhängen. „Was auffällt, ist, dass in vielen Unternehmen seit Jahren zum Beispiel Führungsprogramme installiert sind (…)“, sagte Dr. Harald Gündel vom Universitätsklinikum Ulm auf dem Münsteraner Ärztetag. Aber in Krankenhäusern gebe es vergleichbare Programme nur sehr selten, bedauerte Gündel. Eine Situation, die auch die Befragten der DAK-Umfrage beklagen. Von den Beschäftigten, die regelmäßig unter Personalmangel arbeiten, sagen nur 31%: „Mein Betrieb engagiert sich für das Wohlergehen seiner Mitarbeiter.“
Was tun? Lange Zeit sei die Arbeitsorganisation der Ärzteschaft hierarchisch organisiert gewesen, berichtete Gündel auf dem Münsteraner Ärztetag. In flacheren Hierarchien gehe es inzwischen eher darum, die Potenziale der Gruppe und der einzelnen Mitarbeiter zu entfalten, sagte Gündel.
Auch die jungen Ärztinnen und Ärzte aus der Hartmannbund-Umfrage forderten, was eigentlich längst bekannt ist: Um ein gesundes und glückliches Arbeitsleben zu haben, braucht es unter anderem weniger Bürokratie, verlässliche Dienstplanung, kürzere Arbeitszeiten und ein wertschätzendes Miteinander.
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Medscape Nachrichten © 2023
Diesen Artikel so zitieren: DAK-Umfrage deckt auf: So wirkt sich der Personalmangel auf die Gesundheit von Ärzten und Pflegekräften aus - Medscape - 26. Apr 2023.
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