Wiesbaden – Antinukleäre Antikörper (ANA) sind Autoantikörper, die gegen intrazelluläre Strukturen (Kern und Zytoplasma) gerichtet sind und ein charakteristisches Merkmal von systemischen Autoimmunerkrankungen darstellen. Insbesondere für die Diagnostik von Kollagenosen wie z.B. des systemischen Lupus erythematodes (SLE), der Mixed Connetive Tissue Disease (MCTD) oder des Sjögren-Syndroms (SJS) ist das ANA-Screening von Bedeutung.
„Das mit den ANA ist ja immer so eine ganz diffizile Frage – auch für uns Konsilärzte, weil wir dann gerne durch die Klinik rennen und darüber philosophieren, wenn andere ANA bestimmt haben“, leitet Dr. Kristin Wiefel von der Medizinischen Klinik und Poliklinik III., Bereich Rheumatologie, der Universitätsklinik Carl Gustav Carus, Dresden, ihren Vortrag ein auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) ein [1].
Im Kopf behalten: Prävalenz von ANA
Als Goldstandard der ANA-Bestimmung gilt die indirekte Immunfluoreszenztechnik (IFT) an humanen Tumorzelllinien (meist Hep2-Zellen). Dabei liefere die IFT 2 Ergebnisse, erinnert die Referentin:
In welcher Titerstufe sind ANA nachweisbar?
In welchem Muster liegen ANA vor?
Doch es gebe einen weiteren wichtigen Faktor, der für die korrekte Einordnung bedacht werden sollte, erklärt Wiefel: die allgemeine Prävalenz von ANA. In einer im Jahr 1997 veröffentlichten multizentrischen Studie mit freiwilligen Gesunden zwischen dem 20. und 60. Lebensjahr konnten ANA in niedrigeren Titern von 1:40 bei bis zu 32% und 1:160 (geringe Sensitivität) bei 5% der Teilnehmenden nachgewiesen werden.
Demgegenüber steht eine etwa 1-prozentige Prävalenz für ANA-assoziierte Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung. Das bedeute, so die Expertin, dass niedrig-titrisch positive ANA häufig falsch-positive Ergebnisse seien und keinerlei Krankheitswert hätten. Niedrig-titrige ANA können allerdings auch am Beginn oder in der Remission einer Kollagenose oder einer autoimmunen Lebererkrankung auftreten.
Prävalenz von ANA
hohe Prävalenz (ca. 30%) von niedrig-titrigen ANA bei gesunden Personen
ca. 1% als Prävalenz ANA-assoziierter Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung
Ein niedrig-titriger positiver ANA-Nachweis ist oft ein falsch positives Ergebnis ohne pathogenetische Relevanz.
Diagnostik ja, Monitoring nein
Im weiteren Krankheitsverlauf, wenn denn eine ANA-assoziierte Erkrankung diagnostiziert wurde, seien ANA in der Regel nicht zum Monitoring der Krankheitsaktivität geeignet, erklärt die Rheumatologin weiter. Eine wiederholte Bestimmung, auch im hausärztlichen Bereich, sei daher nicht unbedingt sinnvoll.
Als Ausnahme nennt sie das Monitoring der Krankheitsaktivität des SLE. Hier könne man durch Veränderungen der Antikörper gegen Doppelstrang-DNA (ds) einen gewissen Verlauf abschätzen.
Immunfluoreszenzmuster sind typisch, aber nicht spezifisch
Zusätzlich zur Titerstufe ergibt sich je nach Antigenlokalisation ein charakteristisches ANA-Fluoreszenzmuster, das bestimmte Hinweise auf den/die zugrunde liegenden Autoantikörper geben können.
Die Beschreibung dieser Muster war bis zur Einführung der ICAP (International Consensus on Antinuclear Antibody Pattern)-Nomenklatur nicht einheitlich (z.B. nukleär gesprenkelt – nukleär granulär). Auch war die Angabe zytoplasmatischer Fluoreszenzmuster auf dem ANA-Befund nicht geregelt. Um einen Konsens bezüglich der Vielfalt an auf der Hep2-Zelle erkannten Fluoreszenzmustern (nukleär, zytoplasmatisch, mitotisch) zu finden, wurde die ICAP-Nomenklatur eingeführt.
Mit Hilfe der ICAP-Klassifikation (International Consensus on Antinuclear Antibody Pattern) konnte vor einigen Jahren ein Konsens für die einheitliche Nomenklatur der unterschiedlichen ANA-Immunfluoreszenzmuster erzielt werden.
Durch die Einführung von Code-Nummern soll eine gemeinsame Nomenklatur mit einer von der Sprache unabhängigen Vergleichbarkeit erzielt werden.
Wiefel nennt als relevante und häufigste Immunfluoreszenzmuster:
nukleär
homogen (AC-1)
dicht fein gesprenkelt (AC-2)
zentromer (AC-3)
gesprenkelt (AC-4,5)
nukleolär (AC-8,9,10)
zytoplasmatisch
gesprenkelt (AC-19,20)
Das ANA-Immunfluoreszenzmuster allein ist in der Regel aber nicht spezifisch für eine bestimmte Kollagenose. Daher sollte je nach diagnostischer Fragestellung und ANA-Muster die Bestimmung der ANA-Spezifitäten durch eine entsprechende Subdifferenzierung mit einem Solid-Phase Assay folgen (Stufendiagnostik). Zu wissen, welcher der zahlreichen Assays sich im konkreten Fall eigne, sei allerdings Aufgabe der Rheumatologen, betont Wiefel.
Wann ist die Bestimmung von ANA sinnvoll?
„75% meiner Konsiltätigkeit macht aus, dass einfach mal ANA angeklickt wurden und dann sind sie da – und was machen wir denn jetzt damit?“ wirft die Konsilärztin in den Raum – und plädiert dafür, sich vorab die kritische Frage zu stellen, wann eine Bestimmung von ANA überhaupt sinnvoll ist. Grundsätzlich gilt: Je höher die klinische Wahrscheinlich ist, dass eine Patientin oder ein Patient eine systemische Autoimmunerkrankung hat, umso mehr kann das Ergebnis der ANA-Testung hilfreich bei der Diagnosestellung sein.
Die evidenzbasierte Guideline besagt: Ein ANA-Screening ist:
sehr sinnvoll bei Verdacht auf SLE und Systemische Sklerose (SSc),
sinnvoll bei Verdacht auf SJS und Polymyositis/Dermatomyositis (PM/DM),
hilfreich bei der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA) mit asymptomatischer Uveitis und zur Abklärung eines sekundären Raynaud-Phänomens.
Krankheiten, die mit positiven ANA assoziiert sein können
ANA sind typischerweise bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises zu beobachten, können jedoch auch in unterschiedlicher Frequenz bei zahlreichen anderen Autoimmunerkrankungen sowie Malignomen nachweisbar sein:
Systemische Autoimmunerkrankungen
SLE, SSc, SJS, MCTD, drug-induced SLE
Rheumatoider Arthritis (RA), PM/DM, JIA
Infektionen
Epstein-Barr-Virus, HIV, Hepatitis-C-Virus, Parvovirus B19
subakute bakterielle Endokarditis
Syphilis
Malignome
lymphproliferative Erkrankungen
paraneoplastische Syndrome
Organspezifische Autoimmunerkrankungen
Hashimoto-Thyreoiditis („gar nicht so selten“)
Autoimmunhepatitis
primär biliäre Zirrhose
Morbus Basedow
Andere
chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
idiopathische Lungenfibrose
Der Beitrag ist im Original erschienen auf Coliquio.de.
Credits:
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Diesen Artikel so zitieren: Nachweis antinukleärer Antikörper: Welche Informationen liefern Tests wirklich? Und welche Grenzen hat die Diagnostik? - Medscape - 27. Apr 2023.
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