Mannheim – Die Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) hat die Überlebenschancen von Krebspatienten erheblich verbessert. Es wird geschätzt, dass fast die Hälfte der Krebspatienten in naher Zukunft für eine Immuntherapie in Frage kommen wird. Die durch die Krebstherapie verursachte kardiovaskuläre Toxizität (CTR-CVT: cancer treatment-related cardiovascular toxicity) unter ICI-Therapie könnte die Morbidität und Mortalität der Patienten allerdings erheblich erhöhen.
Bislang waren die tatsächliche Inzidenz und die Auswirkungen der CTR-CVT auf das Überleben nur unvollständig beschrieben. Erste Antworten liefert nun eine Arbeit von PD Dr. Raluca Mincu von der Klinik für Kardiologie und Angiologie des Universitätsklinikums Essen und Kollegen. Die Forscher hatten 353 Krebspatienten unter ICI-Therapie untersucht und nachverfolgt.
Sie stellten bei Krebspatienten dann eine erhöhte Sterblichkeitsrate fest, wenn diese im Therapieverlauf eine schwere Krebstherapie-bedingte kardiale Dysfunktion, eine Myokarditis, Arrhythmien oder eine QTc-Verlängerung entwickelten. Die Studienergebnisse wurden auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim vorgestellt [1].
38% der Probanden waren weiblich, im Schnitt waren die Studienteilnehmer 63 ± 13 Jahre alt und 72,5% wiesen eine metastasierten Krebserkrankung auf.
74,2% der Patienten litten an einem malignen Melanom,
7,1% an nicht-kleinzelligem Lungenkrebs,
6,5% an Plattenepithelkarzinomen,
5,4% an Merkelzell-Karzinomen,
3,4% an Leberkarzinomen,
1,1% an Oropharynxkarzinomen und
2,4% an anderen Krebsarten.
Die Inzidenz kardiovaskulärer Vorerkrankungen lag in dieser Kohorte bei 27,2%.
Vaskuläre Toxizität und Hypertonie beeinflussten Überleben nicht
PD-1-Inhibitoren waren bei 93,8% der Patienten die Therapie der Wahl, CTLA-4-Inhibitoren bei 43,1% der Patienten und PD-L1-Inhibitoren bei 10,2% der Patienten. Nach den Definitionen der ICOS (International Cardio-Oncology Society) für CTR-CVT gab es:
68 Fälle (62 leichte, 4 mittelschwere und 2 schwere) von Krebstherapie-bedingter kardialer Dysfunktion (CTR-CD),
11 Fälle von Myokarditis,
38 Fälle von vaskulärer Toxizität,
14 Fälle von arterieller Hypertonie und
62 Fälle von Arrhythmien oder QTc-Verlängerung.
Bei Patienten mit schwerer CTR-CD (p<0,001), Myokarditis (p<0,001) und Herzrhythmusstörungen oder QTc-Verlängerung (p=0,013) war die Sterblichkeitsrate nach 24 Monaten erhöht.
Eine CTR-CD aller Grade (p=0,153), vaskuläre Toxizität (p=0,069) und arterielle Hypertonie (p=0,680) hatten hingegen keinen Einfluss auf die 24-Monats-Überlebensrate.
In weiteren Studien sollen nun die Prädiktoren für CTR-CVT bestimmt werden, um die kardio-onkologische Versorgung von Krebspatienten zu verbessern.
Anthrazykline bei Brustkrebs: Kardiotoxizität nimmt über 9,5 Jahre nicht zu
Anthrazykline werden in der Chemotherapie als Zytostatika eingesetzt, zeichnen sich durch vielseitige Wirkungsmechanismen aus und greifen v.a. Zellen mit einer hohen Mitoserate – wie Krebszellen – an. Allerdings ist eine Chemotherapie auf Anthrazyklinbasis mit einer lebenslangen dosisabhängigen Kardiotoxizität verbunden.
Frühere onkologische Studien haben gezeigt, dass dosisdichte und intensiv dosisdichte Therapieschemata mit Anthrazyklinen bei Patientinnen mit Hochrisiko-Mammakarzinom eine positive Wirkung haben. Über die langfristigen kardialen Auswirkungen dieser Strategie – verglichen mit der herkömmlichen Anthrazyklintherapie – war bislang jedoch wenig bekannt.
Dr. Markus Heckmann von der Klinik für Innere Medizin III der Universität Heidelberg und seine Kollegen konnten jetzt zeigen, dass kürzere Dosierungsintervalle (dosisdichte Anwendung) von Anthrazyklinen bei Brustkrebspatientinnen selbst langfristig – nach knapp 9,5 Jahren – nicht mit einer Zunahme der Kardiotoxizität verbunden sind, während die positiven Auswirkungen auf die Krebsresultate erhalten blieben. Die Forscher hatten 123 Patientinnen mit Mammakarzinom untersucht.
In der multizentrischen Kohortenkontrollstudie wurden 66 Probandinnen auf die dosisdichte Anthrazyklintherapie randomisiert und 57 auf eine herkömmliche Behandlung. Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit betrug 113 Monate.
Während der Nachbeobachtung starben 14 (21,2%) der Patientinnen in der Gruppe mit der dosisintensiven Behandlung und 20 (35,1%) der Patientinnen in der Kontrollgruppe. Am Ende der Nachbeobachtung wurden 35 Patientinnen kardiologisch untersucht (16 aus der Gruppe mit hoher Dosis und 19 aus der Kontrollgruppe).
In Bezug auf die linksventrikuläre Funktion, die linksventrikuläre Belastung, die Erregungsleitung, die Repolarisationszeit, die Nierenfunktion und auf kardiale Biomarker gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Allerdings wurde in der dosisdichten Kohorte eine signifikante Reduktion der Gesamtmortalität und des Krebsrezidivs festgestellt – selbst nach Adjustierung für Rezeptorstatus, Alter, Lymphknotenstatus, den Prozentwert für das nukleäre Protein Ki67, das in proliferierenden Zellen exprimiert wird (ki67%), Grading und ECOG-Status (der Eastern Co-operative Oncology Group).
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Diesen Artikel so zitieren: Vergiftetes Herz durch Krebstherapie: Wie sich die Kardiotoxizität von Immun-Checkpoint-Inhibitoren und Anthrazyklinen auswirkt - Medscape - 25. Apr 2023.
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