Patienten wollen mit Inkretinmimetika abnehmen – doch der Erfolg ist nicht von Dauer. Was sollten ihnen Ärzte raten?

Jaime P. Almandoz

Interessenkonflikte

24. April 2023

Soziale Medien sind voll von Berichten über berühmte Persönlichkeiten, die mit der neuen Generation von Inkretin-Medikamenten wie Semaglutid (Ozempic® und Wegovy®) und Tirzepatid (Mounjaro®) Gewicht verloren haben.

Einige dieser Arzneimittel sind für die Adipositas-Behandlung zugelassen (Wegovy®), während andere für Typ-2-Diabetes zugelassen sind (Ozempic® und Mounjaro®). Tirzepatid wurde in diesem Jahr von der US Food and Drug Administration dem Schnellverfahren für die Zulassung zur Gewichtsabnahme zugewiesen. In der SURMOUNT-1-Studie zeigte Tirzepatid einen durchschnittlichen Gewichtsverlust von etwa 22% bei Menschen ohne Diabetes, was zu einem erheblichen Off-Label-Einsatz geführt hat. Die Praxen sind voll von Patienten, die diese Medikamente eingenommen haben und deren Gewicht, kardiometabolische Gesundheit und Lebensqualität sich verbessert haben. Was aber passiert, wenn Patienten die Pharmakotherapie wieder beenden? Oder, noch wichtiger, warum sollten sie sie absetzen?

Obwohl diese Medikamente bei der Gewichtsabnahme und der Behandlung von Diabetes sehr wirksam sind, können unerwünschte Wirkungen auftreten, vor allem gastrointestinale, die die Fortsetzung der Behandlung einschränken. Übelkeit ist die häufigste Nebenwirkung; sie lässt in der Regel mit der Zeit nach. Durch langsame Dosistitration und Ernährungsumstellung können unerwünschte gastrointestinale Nebenwirkungen außerdem minimiert werden.

Die medikamenteninduzierte akute Pankreatitis, eine seltene Nebenwirkung, die einen Therapieabbruch erfordert, wurde in klinischen Studien bei etwa 0,2% der Patienten beobachtet.

Wirksame Medikamente, aber zu hohe Kosten?

Abgesehen von unerwünschten Wirkungen können US-amerikanische Patienten gezwungen sein, die Behandlung aufgrund von Medikamentenkosten, Änderungen im Versicherungsschutz oder Problemen mit der Verfügbarkeit von Medikamenten abzubrechen.

Zwei derzeit für die Behandlung von Adipositas zugelassene Inkretintherapien, nämlich Liraglutid (Saxenda®) und Semaglutid (Wegovy®), kosten rund 1.400 US-Dollar pro Monat. Versicherungsschutz und Herstellerrabatte können die Behandlung bezahlbar machen, aber Medikamente gegen Adipositas werden weder von Medicare noch von vielen arbeitgeberfinanzierten Versicherungen übernommen.

Änderungen in der Beschäftigung oder im Versicherungsschutz können dazu führen, dass Patienten die Therapie abbrechen oder wechseln müssen. Die zunehmende Verschreibung und die Gesamtkosten dieser Medikamente haben dazu veranlasst, darüber nachzudenken, ob die Kostenübernahme für diese Medikamente langfristig tragbar ist.

Die eingeschränkte Kostenübernahme hat in den USA zu einer erheblichen Off-Label-Verschreibung von Inkretintherapien geführt, die nicht für die Behandlung von Adipositas zugelassen sind. Die hohe Nachfrage nach diesen Medikamenten hat im vergangenen Jahr zu erheblichen Lieferengpässen geführt, so dass viele Menschen für längere Zeit ohne Behandlung waren.

Ärzte berichten etwa von einer Patientin, die mit Semaglutid (Wegovy®) über 13 kg abgenommen hatte. Dann wechselte sie den Arbeitgeber; die Kosten für das Medikament wurden nicht mehr übernommen. Sie nahm innerhalb von 3 Monaten wieder fast 4 Kilogramm zu und bekam Tirzepatid (Mounjaro®) als Off-Label-Medikament zur Gewichtsabnahme verschrieben, wobei sie ein Rabattsystem des Herstellers nutzte, um sich das Medikament leisten zu können. Die Patientin kam mit der neuen Therapie gut zurecht und nahm etwa 90 kg ab. Aber die Apotheke löste das Rezept nicht mehr ein, nachdem das Rabattsystem geändert worden war. Aus Angst vor einer erneuten Gewichtszunahme kam sie in die Arztpraxis, um ihre Möglichkeiten angesichts der fehlenden Kostenübernahme für Medikamente gegen Adipositas zu besprechen.

Absetzen ist gleichbedeutend mit erneuter Gewichtszunahme

Zum Hintergrund: Adipositas ist wie die arterielle Hypertonie eine chronische Erkrankung. Sie spricht auf Pharmakotherapien an. Sobald Patienten ihre Medikamente absetzen, geht dies in der Regel mit gesteigertem Appetit und geringerem Sättigungsgefühl einher, und es kommt zu einer erneuten Gewichtszunahme und einem Wiederauftreten von Komplikationen in Zusammenhang mit Übergewicht.

Die Verlängerung der STEP-1-Studie ergab eine anfängliche mittlere Körpergewichtsreduktion von 17,3% bei wöchentlicher Gabe von 2,4 mg Semaglutid über 1 Jahr. Im Durchschnitt nahmen die Teilnehmer innerhalb nach Absetzen von Semaglutid und Beendigung der Lebensstilintervention der Studie 2 Drittel des verlorenen Gewichts innerhalb eines Jahres wieder zu. Viele der Verbesserungen, die bei kardiometabolischen Variablen wie Blutzucker und Blutdruck beobachtet wurden, kehrten in ähnlicher Weise zum Ausgangswert zurück.

Es gibt auch 2-Jahres-Daten aus der STEP-5-Studie mit Semaglutid, 3-Jahres-Daten aus der SCALE-Studie mit Liraglutid und nicht-randomisierte 5-Jahres-Daten mit mehreren Wirkstoffen, die eine dauerhafte, klinisch signifikante Gewichtsabnahme durch medikamentöse Therapien bei Adipositas zeigen.

Diese Daten belegen, dass Medikamente zu einer dauerhaften Gewichtsabnahme führen können, wenn sie dauerhaft eingenommen werden. Allerdings wird Adipositas derzeit nicht auf diese Weise behandelt. Medikamente gegen Adipositas werden in den USA weniger als 3% der in Frage kommenden Personen verschrieben, und die durchschnittliche Therapiedauer beträgt weniger als 90 Tage. Diese Behandlungsdauer reicht nicht aus, um Vorteile der meisten Medikamente voll auszuschöpfen, und ist sicherlich nicht geeignet, um das Gewicht langfristig zu halten.

Eine kürzlich durchgeführte Studie hat gezeigt, dass inkretinhaltige Medikamente gegen Adipositas nicht nur zur Aufrechterhaltung des Gewichtsverlusts durch medikamentöse Therapien, sondern auch zur Behandlung einer erneuten Gewichtszunahme und zur Förderung eines gesünderen Gewichts nach einer bariatrischen Operation wirksam sind.

Keine Frage des Willens – vielmehr eine Frage der Biologie

Eine dauerhafte Therapie ist für die Gewichtserhaltung erforderlich, da aufgrund der Gewichtsabnahme mehrere neurohormonelle Veränderungen auftreten. Unter metabolischer Adaptation versteht man den relativen Rückgang des Energieverbrauchs unter das erwartete Niveau nach einer Gewichtsabnahme. Wenn dies mit physiologischen Veränderungen kombiniert wird, welche den Appetit steigern und das Sättigungsgefühl vermindern, entsteht bei vielen Menschen eine positive Energiebilanz, die zu einer erneuten Gewichtszunahme führt. Dies wurde in Reality-TV-Shows wie „The Biggest Loser“ beobachtet: Es liegt an der Biologie, nicht an der Willenskraft.

Leider verstehen viele Menschen – auch Ärzte – nicht, wie diese Veränderungen eine erneute Gewichtszunahme begünstigen, und die Patienten werden allzu oft kritisiert, wenn ihr Gewicht nach dem Absetzen der Medikamente wieder steigt. Diese Schuldzuweisung beruht auf der falschen Annahme, dass Menschen mit Adipositas faul seien und keine Selbstkontrolle hätten. Es würde niemanden überraschen, dass der Blutdruck eines Menschen ansteigt, wenn seine antihypertensiven Medikamente abgesetzt werden. Warum denken wir bei der Behandlung von Adipositas-Patienten so anders?

Die Lösung – ein leichterer Zugang zu evidenzbasierten Therapien

Die Adipositas-Prävalenz liegt in den USA und in einigen westlichen Ländern bei über 40%, Tendenz steigend. Ärzte und Patienten haben das Glück, über neue Medikamente zu verfügen, die in Verbindung mit einer Lebensstiländerung im Durchschnitt zu einer Gewichtsabnahme von 15% oder mehr führen.

Diese Medikamente sind jedoch teuer, und die derzeitige begrenzte Kostenübernahme durch die Krankenkassen wird sich möglicherweise nicht verbessern. Aus Sicht der Patienten ist es erschütternd, wenn sie Behandlungen, die ihnen geholfen haben, ein gesünderes Gewicht zu erreichen, absetzen müssen und dann wieder zunehmen.

Die Menschen brauchen einen besseren Zugang zu evidenzbasierten Adipositas-Behandlungen, zu denen Lebensstilmaßnahmen, Anti-Adipositas-Medikamente und bariatrische Verfahren gehören. Eine erfolgreiche Behandlung sollte einen individuellen, patientenzentrierten Ansatz enthalten; dafür kann eine Kombination von Therapien wie Medikamenten und chirurgischen Eingriffen erforderlich sein.

Dieser Beitrag ist im Original erschienen auf Medscape.com und von Dr. Petra Kittner übersetzt. worden. Er ist im Original erschienen auf Univadis.de.

 

Kommentar

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