Mannheim – Das überall verfügbare und leicht anzuwendende EKG ist eines der Eckpfeiler in der Diagnose von Arrhythmien und myokardialer Ischämie. Allerdings sollte man sich bei der Interpretation Gedanken darüber machen, ob es bei einem Mann oder einer Frau abgeleitet wurde. Worauf zu achten ist, erläuterte Prof. Dr. Carsten Jungbauer von der Inneren Medizin II am Universitätsklinikum Regensburg auf dem Kardiologie-Kongress [1].
Wohin mit den Elektroden?
Schon beim Anlegen der Elektroden gibt es erhebliche anatomisch bedingte Unterschiede, erklärte Jungbauer.
In den Lehrbüchern ist hier meist ein männlicher Torso ohne Brüste abgebildet. Soll man nun die Elektroden unter die Brust oder auf die Brust kleben? Überragt die Brust die anatomischen EKG-Positionen wird empfohlen, die Brust sanft anzuheben und die Elektroden unter die linke Brust zu kleben.
Häufig werden sie aber auf die Brust geklebt, was auch die Mehrheit der Patientinnen in einer Umfrage bevorzugt. Dies kann aber zu fälschlichen ST-Strecken-Senkungen im EKG führen.
Bekannte Geschlechterunterschiede beim EKG
Die p-Wellen unterscheiden sich im EKG nicht zwischen Männern und Frauen – weder in Bezug auf die Amplitude noch auf die Dauer. Die Variabilität des QTS-Komplexes ist dagegen relativ hoch, hier gibt es nicht nur Unterschiede zwischen den Geschlechtern, sondern auch zwischen verschiedenen Ethnien und Altersgruppen.
Geschlechterunterschiede zeigen sich hier sowohl in der Dauer als auch in der Amplitude. Männer haben eine höhere Amplitude, die mit dem Alter abfällt, bei Frauen bleibt die Amplitude und auch die linksventrikuläre Masse konstant.
Auch ST-Streckenhebungen gehen bei Männern mit dem Alter zurück. Bei unter 40-Jährigen sind hier Werte ≥ 2,5 mm in mindestens 2 Ableitungen pathologisch, ab 40 Jahren bereits Werte ≥ 2 mm.
Bei Frauen ändert das Alter hier nichts – als pathologisch gelten Werte ≥ 1,5 mm in den Ableitungen V2-V3 und ≥ 1,0 mm in den anderen Ableitungen. Bei der QT-Zeit liegt die mittlere Differenz zwischen Männern und Frauen bei 10 msec, was dazu führt, dass der obere Grenzwert bei Frauen bei 460 msec und bei Männern bei 450 msec liegt.
Vorhofflimmern wird bei Frauen später diagnostiziert als bei Männern
Studien zu kardialen Arrhythmien sind bisher sehr männerdominiert, sagte der Kardiologe. Prävalenz und Symptomatik können sich aber zwischen den Geschlechtern deutlich unterscheiden und sind bei Frauen zudem auch noch zyklusabhängig.
Vorhofflimmern (VHF) ist z.B. bei Frauen etwas seltener als bei Männern, geht aber häufiger mit Palpitationen und Angst einher und ist häufiger mit HFpEF, Hypertonie, Klappenerkrankungen, höherem Alter und geringerer Lebensqualität assoziiert. Frauen werden hier später diagnostiziert als Männer und auch seltener an spezialisierte Zentren überwiesen.
Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Coliquio.de .
Credits:
Photographer: © István Csák
Lead Image: Dreamstime
Medscape Nachrichten © 2023 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Der kleine große Unterschied: Diese Geschlechtsunterschiede beim EKG sollten Sie unbedingt beachten - Medscape - 24. Apr 2023.
Kommentar