Tödliche Kombi zu wenig beachtet: Herzinsuffizienz plus Nierenprobleme – so erkennt man CKD früher und schont das Herz

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

20. April 2023

Mannheim – Bei über 50% der Patienten mit Herzinsuffizienz liegt eine Niereninsuffizienz vor. Mit abnehmender Nierenfunktion steigt der Schweregrad der Herzinsuffizienz an. Vor diesem Hintergrund sei es „erschreckend, dass Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) häufig nicht leitliniengerecht behandelt werden“, erinnerte Prof. Dr. Felix Mahfoud, Leitender Oberarzt der Kardiologie, Angiologie und internistischen Intensivmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar, auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim [1].

Mahfoud verwies auf eine US-Analyse mit Herzinsuffizienz-Patienten, von denen 64% eine geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) < 60 ml/min aufwiesen. Mit der Abnahme der Nierenfunktion stieg für die Patienten das Risiko für Tod im Krankenhaus. Allerdings zeigten sich unterschiedliche Cut-off-Kriterien:

  • Für Patienten mit HFpEF (Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion) stieg das Sterblichkeitsrisiko bei einer eGFR von < 45 ml/min,

  • bei den Patienten mit HFrEF (mit reduzierter Ejektionsfraktion) war das schon früher der Fall – bei einer eGFR von < 60 ml/min.

„ACE-Hemmer, Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) oder ARNIs – die Rate an Verschreibungen bei Patienten mit CKD ist viel niedriger als erwartet. Möglicherweise aus Angst vor Komplikationen an der Niere“, sagte Mahfoud. Dabei gebe es gute Daten, die die Sicherheit gerade auch der Triple-Therapie (RAAS-Blockade, Betablocker & MRA) zeigen. Von den Patienten in der Analyse mit einer eGFR von 30 bis 45 ml/min hatten nur 15% eine Triple-Therapie erhalten.

Neben der eGFR auch die UACR miteinbeziehen

Auf dem DGK-Kongress warb Mahfoud dafür, bei Herzinsuffizienz-Patienten nicht nur auf die eGFR zu achten, sondern auch die Urin-Albumin-Creatinin-Ratio (UACR) in die Diagnostik miteinzubeziehen. „Es ist wichtig, dass wir Kardiologen auch die Urin-Albumin-Creatinin-Ratio im Auge behalten“, betonte Mahfoud.

 
Über die Urin-Albumin-Creatinin-Ratio gelingt es uns, Patienten mit Niereninsuffizienz in einem frühen Stadium …zu identifizieren. Prof. Dr. Felix Mahfoud
 

Mit der UACR (>°30 mg/g) als zusätzliches Kriterium gelinge es, deutlich mehr Patienten mit CKD zu entdecken. „Über die Urin-Albumin-Creatinin-Ratio gelingt es uns, Patienten mit Niereninsuffizienz in einem frühen Stadium – nämlich zu einem Zeitpunkt, an dem die eGFR noch erhalten ist – zu identifizieren. Und das sind genau die Patienten, die ein besonders hohes Risiko tragen“, betonte Mahfoud. Denn liegt eine UACR-Erhöhung vor, ist das Risiko für Herzinsuffizienz-Ereignisse deutlich erhöht, wie eine Auswertung von Daten der Framingham Heart Study (FHS) aus 2017 zeigt.

Schon eine Mikroalbuminurie erhöht das Risiko für Herzinsuffizienz-Patienten deutlich

Die Organisation KDIGO (Kidney Disease – Improving Global Outcomes) definiert Niereninsuffizienz als anhaltende oder strukturelle funktionelle Veränderung der Niere, die länger als 3 Monate anhält. Mit einer eGFR <°60 ml/min ist die Definition der Niereninsuffizienz erfüllt.

Die KGDIO klassifiziert die CKD aber nicht nur anhand der eGFR, 2012 hat sie die Urin-Albumin-Creatinin-Ratio (UACR) als zusätzliches Definitionskriterium eingeführt. Liegt die UACR bei 2 Bestimmungen über 3 Monate hinweg über 30 mg/g, liegt eine Niereninsuffizienz vor.

Schon bei Patienten mit Mikroalbuminurie nimmt die Ereignisrate unter Herzinsuffizienz-Patienten deutlich zu. 24.000 Patienten wurden über 9 Jahre nachverfolgt, 881 Herzinsuffizienz-Ereignisse traten auf. Die Studienergebnisse zeigen, dass es nicht nur eine Abhängigkeit dieser Ereignisse von der eGFR gibt, gerade die UACR liefert zusätzliche Informationen für das Auftreten von Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisierung.

„Nimmt man die Hazard Ratio eines Patienten mit einer eGFR >°60 ml/min und einer normalen UACR (>°10 mg/g) als Referenz, behält die normale eGFR bei, steigert aber die UACR in den Bereich der Makro-Albuminurie (300 mg/g), dann verfünffacht sich das Risiko des Patienten für eine Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisation. Nimmt man jetzt noch eine eingeschränkte eGFR dazu, dann ist das Risiko dieses Patienten um das 8- bis 9-Fache erhöht“, erklärte Mahfoud.

Eine Analyse mit 3.000 Patienten aus 2023 hat gezeigt, dass die Albuminurie bei Patienten mit neuauftretender oder sich verschlimmernder Herzinsuffizienz durchweg mit klinischen, echokardiografischen und zirkulierenden Biomarkern der Stauung verbunden ist. „Je höher die UACR, desto höher ist das Risiko eines Patienten zu sterben, wahrscheinlich ist die UACR ein Risikomarker“, so Mahfoud.

SGLT2-Hemmer und MRA halbieren die UACR

SGLT2-Hemmer verbessern die Prognose bei Patienten mit CKD, Herzinsuffizienz und Diabetes. So zeigen die Ergebnisse der EMPA-KIDNEY-Studie (6.600 Patienten, im Median 64 Jahre alt, eGFR 37°ml/min, UACR 330°mg/g), dass das Relative Risiko (RR) für kardiovaskulären Tod oder Progression der zugrunde liegenden Niereninsuffizienz bei 28% liegt. Für den Endpunkt der Progression der Niereninsuffizienz liegt die RR bei 29% und für terminale Niereninsuffizienz und kardiovaskulärer Tod bei 27%.

Die Kombination aus SGLT2-Hemmer und Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist (MRA) wirkt additiv auf die Reduktion der UACR bei chronischer Nierenerkrankung. In einer im August 2022 erschienenen Studie wurde erstmals die Kombination MRA und SGLT2-Hemmer systematisch untersucht. Eingeschlossen waren 46 Patienten mit einer UACR von 400°mg/g, die eGFR lag etwas unter 60°ml/min, 70% der Patienten litten an Diabetes.

Die Patienten wurden zunächst mit Dapagliflozin (10 mg) behandelt. Nach einer Auswaschphase folgte Eplerenon (50 mg), dann die Kombination Dapagliflozin (10 mg) + Eplerenon (50 mg). Unter der Kombination beider Medikamente wurde eine Abnahme der UACR um 53% erreicht.

Die UACR kann entweder mittels Teststreifen gemessen werden (weniger genaue Variante) oder man kann das Verhältnis Albumin zu Creatinin direkt im Labor bestimmen lassen. Für Tests sollte der erste Morgenurin verwendet werden (Vorsicht bei Harnwegsinfektionen). Weil es eine Varianz und Variabilität in der Messung gibt, schlägt die KDIGO eine zweimalige Messung vor.

„Wichtig ist auch, dass die Veränderungen über 3 Monate bestehen müssen, wenn man anhand der Testergebnisse eine Therapie initiieren will“, sagte Mahfoud. Für die Praxis riet Mahfoud für das erste Screening Teststreifen zu verwenden. „Zeigt sich da ein pathologischer Befund, sollte man die UACR im Labor bestimmen lassen.“

Screening auf CKD: Noch reichlich Luft nach oben

Das möglichst frühzeitige Erkennen und Behandeln einer CKD bei Typ-2-Diabetes ist essenziell, um das Fortschreiten der Niereninsuffizienz zu verhindern. Wichtig für die Risikoabschätzung ist aber, dass UACR und eGFR als unabhängige Faktoren auftreten können, erinnerte Prof. Dr. Christoph Wanner, Leiter der Nephrologie in der Medizinischen Klinik und Poliklinik I am Universitätsklinikum Würzburg. Es reiche deshalb nicht aus, nur einen der beiden Parameter zu bestimmen. Wanner warb nachdrücklich dafür, mehr Nierenfunktionstests bei Typ 2-Diabetikern zu machen, um eine CKD möglichst frühzeitig zu erkennen.

Eine von Wanner und Kollegen durchgeführte Erhebung unter Fachärzten zeigt nämlich, dass da noch reichlich Luft nach oben ist. 24.530 Ärztinnen und Ärzte in Deutschland wurden mittels Fragebögen kontaktiert, um zu ermitteln, inwieweit bei Typ-2-Diabetikern in Deutschland die Leitlinienempfehlungen zur Diagnostik (mindestens ein,al pro Jahr eGFR- und UACR-Bestimmung) in der Praxis umgesetzt werden.

1.626 Fragebögen kamen ausgefüllt zurück. Führende Berufsgruppe waren die Allgemeinmediziner (n°=°1.026), gefolgt von den Diabetologen (n°=°316), Nephrologen (n°=°163) und Kardiologen (n°=°121). Befragt nach der Bestimmung der eGFR und der UACR gaben 51,4% der Kardiologen an, keine Tests zu machen – weder einen Mikroalbumintest, noch die Bestimmung der UACR im Labor oder die UACR mittels Teststreifen. „Das sollte natürlich deutlich häufiger erfolgen, um Patienten, die eine CKD entwickeln auch zu erkennen“, betonte Wanner.

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