Was Ihre Praxis-Mitarbeiter auf Sozialen Medien dürfen – und was nicht: Eine Medizinanwältin gibt Tipps

Nadine Ettling

Interessenkonflikte

19. April 2023

Was man auf Instagram, Facebook, Tiktok und Co. von sich offenbart ist Privatsache und geht den Arbeitgeber nichts an – oder doch? Auch abseits der offiziellen Unternehmensseiten gibt es Grenzen, die insbesondere für medizinische Angestellte zu beachten sind. Welche das sind, erklärt Nadine Ettling, Fachanwältin für Medizinrecht.

Nadine Ettling

Private Accounts – privater Inhalt?

Was Mitarbeiter in ihrer Freizeit machen und wie sie sich öffentlich darstellen, ist grundsätzlich Privatsache und geht den Arbeitgeber nichts an. Wer seine Meinung auf diversen Social-Media-Kanälen äußern möchte, darf dies tun und wird vom Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt. Dies gilt jedenfalls, solange auf erkennbar privaten Accounts auch tatsächlich private Inhalte gepostet werden.

Die Grenzen sind dann erreicht, wenn ein Bezug zum Unternehmen hergestellt werden kann – sei es durch eine Äußerung über die hygienischen Zustände der Praxis oder auch das Aktfoto im Praxiskittel.

Loyalitäts- und Rücksichtnahmepflichten im Arbeitsverhältnis

Es ist allgemein anerkannt, dass die Parteien eines Arbeitsverhältnisses gegenseitig auf die Rechtsgüter und Interessen der jeweils anderen Vertragspartei Rücksicht zu nehmen haben. Diese Pflicht, dem Arbeitgeber nicht zu schaden, ergibt sich ungeschrieben aus dem arbeitsvertraglich begründeten Dienstverhältnis.

Wie weit eine solche vertragliche Nebenpflicht das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung beschränken darf, ist wie so oft Auslegungssache. Die Interessen des Arbeitgebers an einer positiven Außendarstellung werden gegen die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter abgewogen. Je höher die Position und je repräsentativer die Funktion eines Mitarbeiters ist, desto mehr darf erwartet werden, dass die Außendarstellung dem Unternehmen nicht entgegensteht.

Ein klares Beispiel für die Verletzung von Loyalitätspflichten findet sich in der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Nürnberg. Dieses hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Arbeitnehmer seinen Dienstausweis sichtbar auf einer rechtspolitischen Kundgebung getragen hatte. Das Gericht befand, er habe so seinen Arbeitgeber mit den Ansichten und Parolen dieser Gruppierung in Verbindung gebracht und damit gegen die ihm obliegenden Loyalitätspflichten verstoßen. Für eine fristlose Kündigung reichte das Verhalten indes nicht (Urteil vom 11.08.2017 - 6 Sa 76/17).

In einem anderen Fall hatte eine Mitarbeiterin immer wieder eigene Aktbilder auf ihrem privaten Instagram-Account veröffentlicht und damit zahlreiche Follower, unter anderem auch aus dem Kundenstamm ihres Unternehmens, generiert. Gleichzeitig veröffentlichte sie diverse Posts mit Bildern aus ihren beruflichen Räumlichkeiten und äußerte sich immer wieder lobend über ihren Arbeitgeber.

Auch hier dürften sicherlich die arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt worden sein, wurde durch die ungefragte Werbung eine vom Arbeitgeber nicht präferierte Klientel angesprochen. Für eine Kündigung dürfte das Verhalten insbesondere im Hinblick auf die positive Einstellung zum Arbeitgeber auch in diesem Fall nicht reichen.

Veröffentlichung von Patientenbildern

Mit in die Abwägung fließen auch die besonderen Pflichten ein, die sich aus dem jeweiligen Arbeitsbereich ergeben. Bei medizinischem Personal ist hierbei in erster Linie an die Schweigepflicht zu denken. Diese gilt nicht nur für ärztliche Mitarbeiter, sondern für das gesamte Praxispersonal und sollte von Arbeitgeberseite regelmäßig in Erinnerung gerufen und verdeutlicht werden. Die Verschwiegenheit über Patientenangelegenheiten beginnt nicht erst bei medizinischen Sachverhalten, sondern schon bei der Frage, ob jemand überhaupt Patient ist.

Das LAG Berlin-Brandenburg hatte in diesem Zusammenhang über den plakativen Fall zu entscheiden, in dem eine Kinderkrankenschwester durchaus wohlwollende Bilder von sich und dem von ihr betreutem Säugling auf einem privaten Account veröffentlichte. Ganz klar lag hierin eine Verletzung der Schweigepflicht und hätte zur fristlosen Kündigung führen können.

Die Einzelfallbeurteilung führte gleichwohl dazu, dass das LAG die Kündigung als nicht gerechtfertigt ansah. Aufgrund des geringen Widererkennungswerts von Säuglingsgesichtern und der emotional positiven Darstellung von Patient und Arbeitgeber sah das Gericht eine Abmahnung als ausreichend an (Urteil vom 11.4.2014 – 17 Sa 2200/13).

Praxistipp

Arbeitnehmer sind gut beraten, das Berufliche vom Privaten deutlich zu trennen – auch und gerade auf den Sozialen Medien. Arbeitgeber, die sich an einem bestimmten Auftreten Ihrer Mitarbeiter stören, sollten zuallererst das Gespräch suchen und die Umstände und die Auswirkungen auf Praxis oder Klinik abwägen.

Meist genügt auch eine Abmahnung, um das Fehlverhalten zu verdeutlichen und für die Zukunft zu verbessern. Bei gravierenderen Pflichtverletzungen sollte vor Ausspruch einer Kündigung unbedingt vorher rechtlicher Rat eingeholt werden.

Dieser Artikel ist im Original am 14. März 2023 erschienen auf Coliquio.de.
 

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