Fast jeder 3. Diabetiker hat auch Herzinsuffizienz: Mit SGLT2-Hemmern lässt sich beides erfolgreich behandeln – eine Übersicht

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

18. April 2023

Mannheim – Nicht Herzinfarkt, nicht Schlaganfall sind die größte Gefahr für Diabetiker. „Die kardiovaskuläre Erkrankung, die den Diabetes-Patienten maßgeblich bedroht, ist heutzutage die Herzinsuffizienz“, betonte Prof. Dr. Daniel Sedding, Direktor der Poliklinik für Innere Medizin III am Universitätsklinikum Halle, auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim [1].

 
Die kardiovaskuläre Erkrankung, die den Diabetes-Patienten maßgeblich bedroht, ist heutzutage die Herzinsuffizienz. Prof. Dr. Daniel Sedding
 

Das gemeinsame Vorliegen von Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz führt zu einer 50- bis 90-prozentigen Erhöhung der kardiovaskulären Mortalität, erinnerte Sedding. Mit den SGLT2-Hemmern steht allerdings eine Substanzklasse zur Verfügung, mit der sowohl Diabetes als auch Herzinsuffizienz erfolgreich behandelt werden kann.

Während in den vergangenen Jahrzehnten ein deutlichen Rückgang der Inzidenz und Prävalenz von Schlaganfällen, von STEMI und Non-STEMI bei Diabetikern zu beobachten ist, sieht das bei der Herzinsuffizienz anders aus – ihre Inzidenz hat deutlich zugenommen:

  • Bei bis zu 30% aller Patienten mit Diabetes mellitus liegt bereits eine Herzinsuffizienz vor.

  • Bei ca. 28% findet sich eine bisher nicht erkannte Herzinsuffizienz: davon ca. 25% mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) und 75% mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF).

SGLT2-Hemmer: Antidiabetische Therapie und Herzinsuffizienz-Therapie

SGLT2-Hemmer sind das Mittel der Wahl, wenn Diabetes und Herzinsuffizienz zusammen auftreten – sie senken den Blutzucker und beeinflussen die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität positiv.

Die Ergebnisse der DAPA-HF-Studie mit Dapagliflozin zeigen, dass der SGLT-2-Hemmer als Zusatz zur Standardtherapie sowohl die Rate von kardiovaskulärem Tod als auch Verschlechterung von Herzinsuffizienz (mit reduzierter Ejektionsfraktion, HFrEF) sowohl bei Patienten mit Diabetes Typ 2 als auch bei Patienten ohne Diabetes signifikant verringert.

 
Wir haben damit also nicht nur eine antidiabetische Therapie, sondern auch eine Therapie gegen Herzinsuffizienz, die hochsignifikant das Outcome verbessern kann. Prof. Dr. Daniel Sedding
 

Eine Metaanalyse der DAPA-HF-Studie und der EMPEROR-Reduced-Studie (HFrEF-Patienten wurden mit Empagliflozin behandelt) zeigt, dass SGLT-2-Hemmer die Endpunkte Hospitalisation aufgrund von Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärer Tod signifikant positiv beeinflussen können.

Bei 8.474 Patienten aus beiden Studien zusammengenommen ergab sich als geschätzter Behandlungseffekt:

  • eine 13%ige Verringerung der Gesamttodesfälle (gepoolte Hazard Ratio [HR] 0,87; p=0,018) und eine 14-prozentige Verringerung der kardiovaskulären Todesfälle (HR 0,86; p=0,027).

Die SGLT2-Hemmung ging einher:

  • mit einer 26-prozentigen relativen Verringerung des kombinierten Risikos eines kardiovaskulären Todes oder einer ersten Krankenhauseinweisung aufgrund von Herzinsuffizienz einher (HR 0,74; p<0-0001) sowie

  • mit einer 25-prozentigen Verringerung des zusammengesetzten Risikos wiederholter Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz oder kardiovaskulärem Tod (HR 0,75; p<0,0001).

  • Ebenfalls reduziert wurde das Risiko für den kombinierten Endpunkt Nierenerkrankungen (HR 0,62; p=0,013).

„Das gilt nicht nur für Diabetiker, sondern für alle Patienten. Da sehen wir 1:1 dieselben Effekte, das gilt für alle Substanzklassen der SGLT-2-Hemmer. Wir haben damit also nicht nur eine antidiabetische Therapie, sondern auch eine Therapie gegen Herzinsuffizienz, die hochsignifikant das Outcome verbessern kann“, so Sedding.

Die gesamte Bandbreite der Pumpfunktionen profitiert

Die EMPEROR-Preserved-Studie hatte unlängst gezeigt, dass Empagliflozin das kombinierte Risiko des kardiovaskulären Todes oder der Krankenhauseinweisung bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HFpEF) signifikant reduziert – unabhängig davon, ob Diabetes vorlag oder nicht.

 
Die Ergebnisse zeigen, dass Patienten über die gesamte Bandbreite der Pumpfunktionen hinweg … gleichermaßen von einem SGLT2-Hemmer profitieren. Prof. Dr. Daniel Sedding
 

Dapagliflozin hatte in der DELIVER-Studie eine statistisch signifikante und klinisch bedeutsame Reduktion des primären Endpunktes erreicht, bei Patienten mit HFpEF oder mit nur leicht reduzierter Ejektionsfraktion.

Eine im Sommer 2022 erschienene Metaanalyse der DELIVER-Studie und der EMPEROR-Preserved-Studie zeigt: Bei 12.251 Teilnehmern verringerten SGLT2-Hemmer das Risiko des kardiovaskulären Todes oder einer ersten Krankenhauseinweisung (HR 0,80; p= 0,0001), wobei beide Komponenten konsistent reduziert wurden: kardiovaskulärer Tod (HR 0,88; p= 0,052) und erste Krankenhauseinweisung aufgrund von Herzinsuffizienz (HR 0,74; p= 0,0001).

„Auch bei der HFpEF ist die Gabe von SGLT2-Hemmern hochsignifikant für das kardiovaskuläre Outcome“, sagte Sedding.

 
Wir haben damit für die Herzinsuffizienz beim Diabetiker erstmals eine wirklich gute medikamentöse Therapieoption. Prof. Dr. Daniel Sedding
 

„Die Ergebnisse zeigen, dass Patienten über die gesamte Bandbreite der Pumpfunktionen hinweg – ob hochgradig eingeschränkt, mittelgradig eingeschränkt oder mit erhaltener Pumpfunktion – gleichermaßen von einem SGLT2-Hemmer profitieren. Wir haben damit für die Herzinsuffizienz beim Diabetiker erstmals eine wirklich gute medikamentöse Therapieoption“, erklärte Sedding.

Auch für die Primärprävention geeignet

SGLT2-Hemmer zeigen auch einen Nutzen in der Primärprävention. In einer Metaanalyse in The Lancet wurden randomisierte, placebokontrollierte, kardiovaskuläre Studien zu SGLT2-Hemmern bei über 34.000 Patienten mit Typ-2-Diabetes ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen: SGLT2-Hemmer weisen unabhängig von einer bestehenden atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankung oder einer Herzinsuffizienz in der Vorgeschichte einen deutlichen Nutzen bei der Verringerung von Klinikaufenthalten aufgrund von Herzinsuffizienz auf.

„Wir sehen, dass viel weniger Patienten zukünftig über den Zeitverlauf überhaupt eine Herzinsuffizienz entwickeln, wenn sie mit einem SGLT2-Hemmer behandelt werden. Wir können damit schon viel früher unsere Diabetespatienten prophylaktisch vor der Entwicklung einer Herzinsuffizienz relativ gut schützen“, betonte Sedding.

Das sagen die Letlinien

Entsprechend empfiehlt die American Diabetes Association (ADA) in ihren Standards of Medical Care in Diabetes 2020, Patienten mit Diabetes Typ 2, die eine etablierte atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankung haben, Anzeichen für ein hohes Risiko aufweisen oder an einer Nierenerkrankung oder Herzinsuffizienz leiden, mit einem SGLT2-Hemmer oder einem GLP1-Rezeptor-Agonisten mit belegtem kardiovaskulären Benefit zu behandeln.

Auch in den Leitlinien der European Society of Cardiololgy (ESC) zu Diabetes, Prädiabetes und kardiovaskulären Erkrankungen in Zusammenarbeit mit der EASD 2019 werden SGLT-2-Hemmer zur Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen (Patienten mit Diabetes Typ 2, kardiovaskulärer Erkrankungen oder hohem Risiko dafür) und zur Verringerung des Risikos für Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz und der Progression kardiovaskulärer Erkrankungen empfohlen.

Und in der Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) Typ-2-Diabetes wird Metformin nur noch für die Diabetespatienten empfohlen, die kein hohes Risiko für kardiovaskuläre oder renale Ereignisse aufweisen. Besteht hingegen eine klinisch relevante renale oder kardiovaskuläre Erkrankung, muss sofort oder frühzeitig eine Kombinationstherapie mit einem SGLT2-Hemmer oder einem GLP1-Rezeptor-Agonisten erfolgen.

Praktische Handlungsempfehlungen für den klinischen Alltag wurden im Deutschen Ärzteblatt zusammengestellt.

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