„Unwahrscheinlich“ und „beunruhigend“: Reform des Medizinstudiums und die neue Approbationsordnung 2025 – woran es immer noch hakt

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

12. April 2023

Masterplan Medizinstudium 2020 und kein Ende: Der Koalitionsvertrag 2013–2017 sah die Entwicklung einesMasterplans Medizinstudium vor mit dem Ziel, die Allgemeinmedizin zu stärken und die Praxisnähe zu fördern. Zeitliches Ziel: das Jahr 2020. Nun soll die neue Approbationsordnung 2025 in Kraft treten, doch bislang fehlt ein entsprechender Referentenentwurf. Was läuft schief bei der Reform des Medizinstudiums?

Ein kurzer Rückblick: Dem politischen Auftrag aus dem (alten) Koalitionsvertrag kamen das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit Vertretern der Gesundheits- und Kultusministerkonferenz (KMK) und Vertretern der Koalitionsfraktionen des Bundestages im Mai 2015 nach. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe wurde gegründet, der Masterplan Ende März 2017 im Umlaufverfahren beschlossenund am 31. März 2017 der Presse vorgestellt. Insgesamt 37 Maßnahmen sollen das Medizinstudium reformieren. 

Das Vorhaben stand von Anfang an unter Finanzierungsvorbehalt. Im Dezember 2018 schließlich legte die Expertenkommission des Wissenschaftsrates unter der Leitung von Prof. Dr. Manfred Prenzel ihr Gutachten vor. Darin wurden die vorgeschlagenen Maßnahmen grundsätzlich als sinnvoll und angemessen bewertet. Die Realisierung allerdings sei teuer und erfordere dringend eine Stabilisierung des finanziellen Rahmens der Universitätsmedizin, so die Kommission, die die voraussichtlichen Kosten mit 300 Millionen angegeben hatte. Das Reformvorhaben geriet – auch pandemiebedingt – ins Stocken. 

Und jetzt die neue Approbationsordnung, die am 1. Oktober 2025 in Kraft treten soll – bisher noch ohne Referentenentwurf. Warum hakt es so beim Masterplan Medizinstudium 2020 und bei der neuen Approbationsordnung?

Umsetzung scheitert an der Finanzierung

„Seit der Masterplan verabschiedet ist, scheitert die Umsetzung unserem Empfinden nach vor allem an der Finanzierung“, sagt Ina Reiber, Leiterin des Referats Medizinstudium und Weiterbildung beim Hartmannbund, gegenüber Medscape. „Bund und Länder konnten sich bisher auf kein Finanzierungsmodell einigen, das den Anforderungen einer neuen Approbationsordnung genügen würde. Leider bedeutet das eine zeitliche Verschleppung – und zu erwarten sind auch inhaltliche Streichung eigentlich wichtiger Neuerungen.“ 

Seit der Masterplan verabschiedet ist, scheitert die Umsetzung unserem Empfinden nach vor allem an der Finanzierung. Ina Reiber
 

Mehrfach haben sich Studierende in den vergangenen Monaten zum schleppenden Prozess des Masterplans geäußert ( wir berichteten ). „Dass es Bund und Länder bis jetzt immer noch nicht geschafft haben, ein funktionierendes Finanzierungsmodell auszuarbeiten, beunruhigt mich“, sagt Peter Schreiber, Vorsitzender des Studierendenausschusses im Hartmannbund. „Das beunruhigt aber nicht nur mich, sondern den ganzen Studierendenausschuss. Ich denke, dass es auch außerhalb des Hartmannbundes den meisten Studierenden, die sich mit dieser Thematik befassen, so geht.“

Dass es Bund und Länder bis jetzt immer noch nicht geschafft haben, ein funktionierendes Finanzierungsmodell auszuarbeiten, beunruhigt mich. Peter Schreiber
 

Masterplan Medizinstudium 2020 

Die vorgeschlagenen Änderungen zur Stärkung der Allgemeinmedizin betreffen:

  • Die Zulassung: Neben Abiturnote und Wartezeit sollen Motivation und sozial-kommunikative Fähigkeiten berücksichtigt werden.

  • Den Studienaufbau und die Studieninhalte: Allgemeinmedizin und Praxisinhalte sollen einen größeren Stellenwert im Medizinstudium erhalten. Das Patientengespräch soll Teil des Studieninhalts werden und der erste Patientenkontakt bereits während des Studiums stattfinden; eine wissenschaftliche Forschungsarbeit soll verpflichtend eingeführt werden.

  • Die Prüfung: Die Anamnese und körperliche Untersuchung am Patientenbett beim 3. Staatsexamen werden künftig prüfungsmäßig begleitet und bewertet; Prüfung der allgemeinmedizinischen Kenntnisse beim Staatsexamen am Ende des Medizinstudiums und Aufnahme der Arzt-Patienten-Kommunikation als zusätzlicher Prüfungsgegenstand im 3. Staatsexamen.

  • Das Praktische Jahr: War das PJ bisher in Tertiale aufgeteilt, sind künftig Quartale à 12 Wochen vorgesehen. Chirurgie und Innere Medizin bleiben Pflichtstationen und sind in (mindestens) 2 Quartalen zu absolvieren. Wenigstens 1 Quartal muss in einer ambulanten vertragsärztlichen Praxis absolviert werden, z.B. bei einem Hausarzt, Kinderarzt oder Gynäkologen; eine Station kann frei gewählt werden.

Die Landarztquote soll den Ländern hingegen freigestellt werden. Diese können dann bis zu 10% der Medizinstudienplätze vorab an Bewerber vergeben, die sich verpflichten, nach Abschluss des Studiums und der fachärztlichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für bis zu 10 Jahre in der hausärztlichen Versorgung in unterversorgten ländlichen Regionen tätig zu sein. Außerdem sollen Studierende besser über Möglichkeiten informiert werden, ganze Ausbildungsabschnitte im ländlichen Raum abzuleisten.

Der damalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe bezeichnete den Masterplan Medizinstudium 2020 als „wichtigen Schritt hin zu einem modernen Medizinstudium“, das Ärztinnen und Ärzte auf die künftigen Herausforderungen vorbereite und eine gute Patientenversorgung auch in Zukunft sicherstelle. „Mehr Praxisbezug im Studium und eine Stärkung der Allgemeinmedizin sind gerade mit Blick auf die gute Versorgung im ländlichen Raum von großer Bedeutung“, so Gröhe 2017. 

PJ-Pflichtabschnitt trifft auf wenig Gegenliebe

Mit der Umfrage „Medizinstudium 2020 Plus“ hatte der Hartmannbund Ende 2014 ermittelt, wie sich Studierende die Zukunft ihres Studienfachs vorstellen und was sie sich wünschen. Die Antworten der 7.500 Befragten zeigen, dass ein PJ-Pflichtabschnitt in der Allgemeinmedizin auf wenig Begeisterung traf, die Medizinstudierenden lehnten auch die Einführung einer verpflichtenden wissenschaftlichen Forschungsarbeit ab. 

Favorit der Befragten war stattdessen ein Modell aus 2 Pflichtquartalen und 2 Wahlquartalen (das wollten 75% der Befragten), damit Studierende die Chance haben, mehrere Fächer vertiefend kennenzulernen. 

Im Juli 2015 nahm der Hartmannbund in einem Positionspapier Stellung. Auf Grundlage der Umfrageergebnisse wurde die Aufteilung des PJ in Quartale (2 Pflichtquartale Innere und Chirurgie, 2 Wahlquartale) vorgeschlagen. Der Hartmannbund warb in seinem Positionspapier auch für ein Wahlquartal in der ambulanten Versorgung – bei Haus- oder Fachärzten. Der „Landarztquote“ hingegen wurde eine Absage erteilt. 

Im Februar 2016 warben die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) und die Medizinstudierenden des Hartmannbundes in 2 offenen Briefen für ihre Positionen und wandten sich auch an zahlreiche Bundestagsabgeordnete. 

Im November 2016 appellierten die Jungen Ärzte und Medizinstudierenden des Hartmannbundes, das Bündnis für Junge Ärzte, der bvmd und der Marburger Bund in einer Stellungnahme an die Politik, praxistaugliche und an den Ausbildungserfordernissen orientierte Maßnahmen zu beschließen. Die 4 Verbände befürchteten, dass das Medizinstudium einseitig an symbol- und versorgungspolitischen Erwägungen ausgerichtet werden solle. Der aktuelle Prozess müsse genutzt werden, um Studieninhalte und Lehrbedingungen von Grund auf zu modernisieren und qualitativ auszubauen.

Neue Approbationsordnung bis Oktober 2025?

Nachdem – auch pandemiebedingt – der Masterplan Medizinstudium 2020 nicht weiterverfolgt wurde, soll die neue Approbationsordnung nun am 1. Oktober 2025 in Kraft treten. 

Ina Reiber ist allerdings wenig optimistisch: „Wir fürchten, dass der ursprüngliche Zeitplan nicht mehr eingehalten werden kann. Nach wie vor gibt es keinen überarbeiteten Referentenentwurf zur neuen Approbationsordnung. Obwohl das Gesundheitsministerium diesen für das Frühjahr dieses Jahres zugesagt hatte“, berichtet Reiber. 

Und sie fügt hinzu: „Selbst wenn dieser in Kürze zur Verfügung stehen sollte, muss er danach noch das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Anschließend brauchen die Universitäten Zeit, das Studium umzurüsten. Der Unterricht müsste umstrukturiert und Berufungsverfahren durchlaufen werden usw… Entsprechend halten wir ein Inkrafttreten der neuen Approbationsordnung bis Oktober 2025 inzwischen leider für äußerst unwahrscheinlich, obwohl die Notwendigkeit unbestreitbar ist.“  

Wir halten ein Inkrafttreten der neuen Approbationsordnung bis Oktober 2025 inzwischen leider für äußerst unwahrscheinlich, obwohl die Notwendigkeit unbestreitbar ist. Ina Reiber
 

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