Im Onko-Blog dieser Woche geht es unter anderem um in der Entwicklung befindliche neue Therapien. So hat der HIF-2α-Hemmer Belzutifan in Kombination mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Cabozantinib bei 30% der Patienten mit fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom zu einem Ansprechen geführt.
Der gegen B7-H3 gerichtete monoklonale Antikörper Enoblituzumab erwies sich in der neoadjuvanten Behandlung von Männern mit Hochrisiko-Prostatakarzinom als sicher und klinisch aktiv. Ein Platin(IV)-Komplex-Prodrug, das mit Hilfe von Ultraschall in einen zytotoxisch wirkenden Platin(II)-Komplex überführt werden kann, zeigte im Tierexperiment Effekte wie von Forschern geplant.
Kolorektalkarzinom: Koloskopie-Screening bei Personen über 75 nicht immer sinnvoll
Nierenzellkarzinom: Belzutifan plus Cabozantinib erreichen 30% Ansprechrate
Prostatakarzinom: Enoblituzumab bei aggressiven Tumoren aktiv
CAR-T-Zell-Therapie: Auf das Herz achten
Platin(IV)-Komplex-Prodrugs: Aktivierung durch Ultraschall – weniger Nebenwirkungen?
Krebserkrankungen: Schlaganfall in jungen Jahren mit erhöhtem Risiko assoziiert
Kolorektalkarzinom: Koloskopie-Screening bei Personen über 75 nicht immer sinnvoll
Von Personen über 75 Jahren mit Vorsorge-Koloskopie hatte ein hoher Anteil eine Lebenserwartung von weniger als 10 Jahren. Zudem wurden Karzinome in dieser Altersgruppe nur selten entdeckt und dann oft nicht behandelt. Die Risiken des Screenings nahmen mit steigendem Alter zu.
Wie die Arbeitsgruppe aus Cleveland, Ohio, in JAMA Internal Medicine berichtet, wurden 7.067 Personen mit Vorsorge-Koloskopie in der Querschnittsstudie eingeschlossen. Bei 30% im Alter von 76 bis 80 Jahren, bei 71% von 81 bis 85 Jahren und bei 100% über 85 Jahren betrug die Lebenserwartung weniger als 10 Jahren.
Fortgeschrittene Neoplasien wurden bei 5,4% im Alter von 76 bis 80 Jahren, bei 6,2% im Alter von 81 bis 85 Jahren und bei 9,5% über 85 Jahren gefunden.
Insgesamt konnte nur bei 15 Patienten (0,2%) ein invasives Adenokarzinom identifiziert werden. Von diesen Patienten wurde 1 von 9 mit einer Lebenserwartung von weniger als 10 Jahren behandelt, während 4 von 6 Patienten mit einer Lebenserwartung von mindestens 10 Jahren therapiert wurden.
Das Screening von älteren Personen mit begrenzter Lebenserwartung sei damit von geringem Nutzen und müsse gegen die potenziellen Schäden abgewogen werden, so die Autoren.
Nierenzellkarzinom: Belzutifan plus Cabozantinib erreichen 30% Ansprechrate
Die Kombinationstherapie aus Belzutifan, einem Hemmer des Hypoxie-induzierbarer Faktors (HIF) 2α, und dem Tyrosinkinase-Inhibitor Cabozantinib führte bei 16 von 52 Patienten (30,8%) mit vorbehandeltem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Nierenzellkarzinom zu einem objektiven Ansprechen. Diese Befunde einer in Lancet Oncology veröffentlichten offenen, einarmigen Phase-2-Studie liefern die Grundlage für weitere Studien mit Belzutifan in Kombination mit einem VEGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor.
Belzutifan ist ein oral applizierbarer Hemmer der 2α-Untereinheit des HIF, der seit 2018 von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) für die Behandlung von Erwachsenen mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom zugelassen ist. Bei der erblichen Erkrankung entstehen meist gutartige Tumoren im Gehirn und in der Netzhaut der Augen.
Der Arzneistoff wurde nun erstmals in einer von Merck Sharp & Dohme und vom NCI finanzierten, offenen Phase-2-Studie in Kombination mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor beim fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom untersucht. 52 mit einer Immuntherapie vorbehandelten Patienten erhielten Belzutifan 120 mg oral und Cabozantinib 60 mg oral jeweils 1-mal täglich bis zum Fortschreiten der Krankheit, inakzeptabler Toxizität oder Therapieabbruch. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 24,6 Monaten hatten 16 Patienten (30,8%) objektiv auf die Therapie angesprochen, und zwar 1 Patient vollständig und 15 Patienten partiell.
Die häufigste therapiebedingte Nebenwirkung vom Schweregrad ≥ 3 war Bluthochdruck bei 14 (27%) Patienten.
Prostatakarzinom: Enoblituzumab bei aggressiven Tumoren aktiv
Bei Männern mit Hochrisiko-Prostatakarzinom erwies sich eine neoadjuvante Therapie mit dem gegen das B7-Homolog 3 (B7-H3, CD276) gerichteten monoklonalen Antikörper Enoblituzumab als sicher und klinisch aktiv. „Die vorliegende Studie validiert B7-H3 als rationales Ziel für die Entwicklung einer Therapie bei Prostatakarzinom,“ so die Schlussfolgerung der Arbeitsgruppe vom Sidney Kimmel Comprehensive Cancer Center at Johns Hopkins, Baltimore, in Nature Medicine .
Enoblituzumab bindet an das Protein B7-H3, welches auf Prostatakrebszellen überexprimiert wird und das Immunsystems darin hindert, Krebszellen anzugreifen. Durch Blockade von B7-H3 ermöglicht es Enoblituzumab dem Immunsystem, Krebszellen wieder zu erkennen und zu eliminieren. Außerdem soll Enoblituzumab eine antikörperabhängige zelluläre Zytotoxizität (ADCC) auslösen, die durch die Aktivierung von Makrophagen und natürlichen Killerzellen zur Zerstörung von Tumorzellen führt.
In der Phase-2-Studie hatten 32 Männern mit Prostatakarzinom mit hohem oder sehr hohem Risiko vor der Operation 6 wöchentliche Infusionen von Enoblituzumab erhalten. Sie wurden im Mittel 30 Monate nachbeobachtet. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt, ein nicht nachweisbarer PSA-Wert 1 Jahr nach Prostatektomie, wurde bei 66% der Patienten erreicht.
Bei 12% der Patienten traten unerwünschte Ereignisse vom Grad 3 auf, Grad-4-Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.
CAR-T-Zell-Therapie: Auf das Herz achten
Die Behandlung mit gegen CD19 gerichteten CAR-T-Zellen kann zu schweren kardiovaskulären Ereignissen (SCE) wie Herzinsuffizienz, kardiogenem Schock und Herzinfarkt führen. Patienten mit SCE haben eine höhere Gesamt-Sterblichkeit und höhere Blutspiegel von Interleukin-6 (IL-6), C-reaktivem Protein (CRP), Ferritin und Troponin. Diese Ergebnisse einer retrospektiven Studie hat eine amerikanische Arbeitsgruppe im European Heart Journal publiziert.
Die Autoren des begleitenden Editorials ziehen aus den Ergebnissen das Fazit: „Denkt an das Herz!“
Die amerikanische Arbeitsgruppe analysierte die Daten von 202 CAR-T-Zell-Patienten aus einem multizentrischen Register. Als SCE stuften sie Herzinsuffizienz, kardiogenen Schock und Herzinfarkt ein. Bei 33 der 202 Patienten (16%) trat ein SCE auf. Bei diesen Patienten waren IL-6-, CRP-, Ferritin- und Troponin-Spiegel deutlich erhöht, während TNF-alpha-Spiegel ähnlich wie bei Patienten ohne SCE waren.
In einem COX-Modell war ein SCE nach Adjustierung z. B. an Alter, Krebsart und -Schwere, Anthrazyklin-Einsatz, schweres Zytokin-Freisetzungs-Syndrom, vorbestehende Herzerkrankungen und Hypertonie unabhängig mit einer erhöhten Gesamtsterblichkeit (Hazard-Ratio 2,8) assoziiert.
Nach Aussage der Autoren des Editorials sollte man aufgrund dieser Ergebnisse stark intensivierte Überwachungsstrategien in Betracht ziehen einschließlich einer Bewertung wichtiger Biomarker, EKGs und Echos vor der Therapie. Vermutlich könnten CAR-T-Zell-Empfänger zumindest im 1. Jahr nach Therapie von einer intensiven Nachsorge profitieren, wie sie etwa für Anthrazyklin-Protokolle vorgesehen ist.
Platin(IV)-Komplex-Prodrugs: Aktivierung durch Ultraschall – weniger Nebenwirkungen?
Ein internationales Forschungsteam um Dr. Johannes Karges von der Fakultät für Chemie und Biochemie der Ruhr-Universität Bochum hat einen Wirkstoffkomplex entwickelt, der sich in Tumorgewebe anreichert und erst dort durch Ultraschallwellen scharfgeschaltet wird. Seine zellschädigende Wirkung entfaltet sich dadurch nur dort, wo sie auch erwünscht ist. Die Ergebnisse sind in Angewandte Chemie erschienen.
„Wo frühere Studien auf Lichtaktivierungen angewiesen waren, welche nur einige Millimeter tief in das Gewebe eindringen können, haben wir nun eine Therapiemethode mit Ultraschallaktivierung entwickelt, welche mehrere Zentimeter tief in den Körper eindringt“, so Karges in einer Pressemitteilung. Dies könnte eine nebenwirkungsarme Behandlung auch für große und tiefliegende Tumoren ermöglichen.
Die Platin(II)-Komplexe Cisplatin, Oxaliplatin und Carboplatin gehören zu den am häufigsten eingesetzten Krebsmedikamenten. Ihre Wirksamkeit wird allerdings mit schweren Nebenwirkungen erkauft. Daher wird versucht, Platin(IV)-Komplex-Prodrugs zu entwickeln, die im gesunden Gewebe inaktiv sind, in Krebszellen jedoch rasch in die zytostatisch wirkenden Platin(II)-Komplexe umgewandelt werden.
Um eine Aktivierung mit Ultraschall zu ermöglichen, hat die Bochumer Arbeitsgruppe Platin(IV)-Komplex-Prodrugs zusammen mit Sono-Sensibilisatoren in Hämoglobin zu Nanopartikeln verkapselt. Sie fanden, dass sich die Nanopartikel nach Injektion in die Blutbahn bei Mäusen selektiv in einem Darmtumor anreicherten. Mit Hilfe von Ultraschall wurde das Prodrug in den aktiven Platin(II)-Komplex aktiviert, der Tumor verschwand fast völlig.
„Bei unseren Arbeiten handelt es sich noch um Grundlagenforschung“, betont Karges. „Ob und wann darauf basierende Therapien in der klinischen Praxis angeboten werden können, ist noch nicht abzusehen.“
Krebserkrankungen: Schlaganfall in jungen Jahren mit erhöhtem Risiko assoziiert
Jüngere Menschen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren, die einen Schlaganfall oder eine intrazerebrale Blutung erleiden, haben im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein etwa 3- bis 5-Fach erhöhtes Risiko, in den folgenden Jahren an Krebs zu erkranken. Dies ergab eine holländische Register- und Populationsstudie mit den Daten von fast 400.000 Personen, die in JAMA Network Open erschienen ist.
In der Studie wurden die Daten von 27.616 Patienten im Alter zwischen 15 und 49 Jahren sowie von 362.782 Patienten älter als 50 Jahre mit einem ischämischen Schlaganfall analysiert.
Die kumulative Inzidenz neuer Krebserkrankungen nach 10 Jahren betrug 3,7 % bei den jüngeren Schlaganfallpatienten und 8,5 % bei den älteren Schlaganfallpatienten. Die Inzidenz einer neuen Krebserkrankung nach Schlaganfall bei jüngeren Patienten war bei Frauen höher als bei Männern, während es bei älteren Schlaganfallpatienten umgekehrt war.
Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung hatten jüngere Schlaganfallpatienten eine 2,6-fach höhere Wahrscheinlichkeit, im 1. Jahr nach dem Schlaganfall an Krebs zu erkranken (standardisierte Inzidenzrate [SIR], 2,6). Das Risiko war am höchsten für Lungenkrebs (SIR 6,9), gefolgt von hämatologischen Krebserkrankungen (SIR 5,2).
Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung hatten jüngere Schlaganfallpatienten eine 5,4-fach höhere Wahrscheinlichkeit, im ersten Jahr nach einer intrazerebralen Blutung neu an Krebs zu erkranken (SIR 5,4). Das Risiko war für hämatologische Erkrankungen am höchsten (SIR 14,2).
Bei Patienten im Alter ab 50 Jahren war das 1-Jahres-Risiko nach einem Schlaganfall oder einer intrazerebralen Blutung an Krebs zu erkranken 1,2-mal höher als in der Allgemeinbevölkerung.
Nach Meinung der Autoren stärken diese Befunde die Hypothese, dass zwischen Schlaganfall und Krebs ein kausaler Zusammenhang besteht. Aufgrund des zeitlichen Ablaufs könnte die Krebserkrankung bereits bestanden haben, als der Schlaganfall auftrat und möglicherweise eine Rolle bei seiner Entstehung gespielt haben. Allerdings lassen sich aus der Studie keine Rückschlüsse auf Mechanismen ziehen.
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Diesen Artikel so zitieren: Koloskopie-Screening über 75 nicht immer sinnvoll; Schlaganfall in jungen Jahren möglicher Vorbote von Krebs - Medscape - 11. Apr 2023.
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