Keine telefonischen Krankschreibungen mehr; Bund versagt bei „Nationaler Reserve“; Vitamin D und Long-COVID

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

3. April 2023

Im Medscape-Corona-Newsblog finden Sie regelmäßig die aktuellen Trends zu Neuinfektionen und Belegung von Intensivstationen sowie eine Auswahl von klinisch relevanten Kurzmeldungen zur Pandemie.

Corona-Newsblog, Update vom 3. April 2023

Heute Morgen gibt das Robert Koch-Institut (RKI), Berlin, auf seinem Dashboard 25 Infektionen pro 100.000 Einwohner als 7-Tage-Inzidenz an. Am 2. April lag der Wert bei 24.

Unsere Themen heute:

  • Ende telefonische Krankschreibungen – Videosprechstunden als Alternative

  • Nationale Reserve des Bundes bislang kein Erfolg

  • Bei Virusinfektionen: Massiver Übergebrauch von Antibiotika ohne erkennbaren Nutzen

  • Niedrige Vitamin-D-Spiegel bei Post-COVID: Es gibt mehrere Hypothesen

  • Schwere Hepatitis bei Kindern eine Folge des Lockdowns?

Ende telefonische Krankschreibungen – Videosprechstunden als Alternative

Seit 1. April können Ärzte Patienten wegen akuter Atemwegsinfektionen nicht mehr telefonisch krankschreiben. Diese Sonderregelung des Gemeinsamen Bundesausschusses aus Pandemiezeiten sei „eine einfach umsetzbare Möglichkeit gewesen, leichte und schwere Krankheitsfälle voneinander abzugrenzen und volle Wartezimmer zu vermeiden“, sagt GBA-Chef Josef Hecken. Angesichts der aktuellen Risikobewertung des RKI laufe sie nun aus. 

„Ganz unabhängig von der Pandemiesituation können Versicherte eine Krankschreibung auch bei einer Videosprechstunde erhalten – nicht nur bei leichten Atemwegserkrankungen“, so Hecken weiter. „Das heißt also, ganz regulär gibt es bereits die Möglichkeit, dass ein Versicherter nicht bei jeder Erkrankung in die Arztpraxis gehen muss.“

Nationale Reserve des Bundes bislang kein Erfolg

In 2020 hat die damalige Bundesregierung angekündigt, als Reaktion auf Corona eine Nationale Reserve Gesundheitsschutz zu etablieren. An 19 Standorten sollen Schutzausrüstung, Schutzmasken, Beatmungsgeräte und Medikamente gelagert werden, um künftigen Engpässen oder überteuerten Einkäufen vorzubeugen. Doch was ist daraus geworden? 

Laut  Welt am Sonntag  ist das Projekt ins Stocken geraten – nach 3 Jahren hat sich kaum etwas getan. Das Projekt stagniert in Phase 1 mit dem Ziel, Schutzausrüstung einzulagern. „Für die Phasen 2 und 3 wurden bislang keine Haushaltsmittel für die weitere Konzeptionierung sowie mögliche Beschaffungen zugewiesen“, sagte ein Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). In den Phasen 2 und 3 sollten dann Produktionskapazitäten in Deutschland sukzessive hochgefahren und die Bevorratung ausgebaut werden. Für 2022 und 2023 hat das BMG jeweils 250 Millionen Euro an Haushaltsmitteln beantragt, und ab 2024 pro Jahr weitere 50 Millionen Euro – aber laut Medienberichten nicht bewilligt bekommen. 

Tino Sorge (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Union, kritisiert: Für Karl Lauterbach steht die nächste Pandemie oft schon vor der Tür, gleichzeitig kümmert er sich aber viel zu wenig um die nötige Vorsorge. (…) Bei der nächsten Krise werden wir die Schutzausrüstung wieder aus China einkaufen.“

Jetzt liegt es einmal mehr an den Ländern. Bislang hat nur Berlin systematisch Medizinprodukte bevorratet. Andere Länder lösen noch vorhandene Reserven eher auf oder prüfen dies zumindest.  

Bei Virusinfektionen: Massiver Übergebrauch von Antibiotika ohne erkennbaren Nutzen

Die meisten Patienten, die mit akuten Virusinfektionen – COVID-19, aber auch Influenza und andere Infekte – in Krankenhäuser eingeliefert werden, erhalten Antibiotika als Vorsichtsmaßnahme gegen eine bakterielle Koinfektion. Auf dem Höhepunkt der Pandemie wurden in einigen Ländern etwa 70% der COVID-19-Patienten Antibiotika verschrieben. Diese Strategie scheint wohl keinen Vorteil hinsichtlich der Mortalität zu bieten, wie  Medscape.com  berichtet.

Forscher untersuchten zwischen 2017 und 2021 Effekte von Antibiotika auf das Überleben von mehr als 2.100 Patienten in einem Krankenhaus in Norwegen. Insgesamt erhielten 63% während ihres Krankenhausaufenthalts Antibiotika. 168 Patienten starben innerhalb von 30 Tagen (22 ohne Antibiotika-Therapie). 

Nach Berücksichtigung von Faktoren wie Geschlecht, Alter, Schweregrad von COVID-19 und eventuellen Grunderkrankungen stellten die Forscher fest, dass Patienten in der Antibiotika-Gruppe mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb von 30 Tagen starben wie diejenigen, denen keine Antibiotika verabreicht wurden. Ein möglicher Bias: Patienten mit schwererem Krankheitsverlauf oder mit mehr Grunderkrankungen erhielten öfter Antibiotika. Andere Faktoren wie der Raucherstatus der Patienten könnten ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Dennoch bleibt als Fazit: Die bislang unveröffentlichten Daten legten nahe, dass es einen „enormen Übergebrauch von Antibiotika“ gebe, sagt Dr. Magrit Jarlsdatter Hovind vom Universitätskrankenhaus Akershus und der Universität Oslo, Norwegen. Ihre Ergebnisse wird sie nächsten Monat auf dem European Congress of Clinical Microbiology & Infectious Diseases in Kopenhagen vorstellen. 

Niedrige Vitamin-D-Spiegel bei Post-COVID: Es gibt mehrere Hypothesen

Beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin haben Forscher neue Daten zu Patienten mit Post-COVID vorgestellt (Abstract Po 164). 

„Bevor die COVID-19-Pandemie ausbrach, wurde Vitamin D als Präventionsstrategie bei akuten Atemwegsinfektionen diskutiert“, schreiben sie. „Es gibt immer mehr Belege für die positiven Auswirkungen einer Vitamin-D-Supplementierung bei COVID-19-Patienten.“ 

Um für Evidenz zu sorgen, haben sie bei Patienten einer Kohorte mit Post-COVID retrospektiv den Vitamin-D-Spiegel analysiert. Die Entnahme von Blutproben war Teil der Routineuntersuchung. Dabei fanden sie heraus, dass der Vitamin-D-Spiegel im Vergleich zu Kontrollen deutlich niedriger war: 

Für diese Beobachtungen gebe es mehrere mögliche Gründe, wie die Forscher schreiben. 

  • Der Rückgang könnte eine Folge der Krankheit selbst bzw. der Rekonvaleszenz sein.  

  • Auch eine Folge der längeren Krankheitsdauer ohne Sonneneinstrahlung bzw. ohne Bewegung im Freien halten die Autoren für denkbar.

  • Mangelernährung ist ebenfalls in Betracht zu ziehen. 

„Nun ist eine randomisierte, kontrollierte Studie erforderlich, um die Auswirkungen einer Vitamin D-Supplementierung bei Patienten mit Post-COVID zu untersuchen“, so das Fazit. 

Schwere Hepatitis bei Kindern eine Folge des Lockdowns?

Eine neue Studie geht der Frage nach, welche Ursachen ein mysteriöser Ausbruch von akuter schwerer Hepatitis bei ansonsten gesunden Kindern haben könnte. Die Fälle traten im Frühjahr 2022 nach dem Ende aller Coronamaßnahmen in vielen Staaten auf. 

In ihrer Studie brachten die Forscher die Krankheit mit Koinfektionen durch mehrere Viren in Verbindung, insbesondere durch ein Adeno-assoziierten Virus Typ 2 (AAV2). AAV sind nicht dafür bekannt, dass sie allein Hepatitis verursachen. Sie benötigen zusätzlich andere Viren, etwa Adenoviren, um sich in der Leber zu vermehren.

Nach ihrer Rückkehr in die Schule waren die Kinder anfälliger für Infektionen mit diesen häufigen Erregern. Die Studie deutet darauf hin, dass eine kleine Gruppe dieser Kinder durch das gleichzeitige Auftreten mehrerer Infektionen anfälliger für eine schwere Hepatitis geworden sein könnte.

Im Rahmen ihrer Studie untersuchten die Forscher vom 1. Oktober 2021 bis zum 22. Mai 2022 Plasma-, Vollblut-, Nasenabstrich- und Stuhlproben von 16 pädiatrischen Patienten in 6 US-Bundesstaaten mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und mit weiteren Sequenzierungs- und Molekulartestverfahren. Hinzu kamen 113 Proben von gesunden Kontrollen. 

Bei der Genotypisierung von 14 Blutproben pädiatrischer Patienten wurde in 93% der Fälle das Adeno-assoziierte Virus 2 (AAV2) und in 100% der Fälle humane Adenoviren (HAdV) gefunden. Ein spezieller Typ von Adenovirus, der mit Gastroenteritis in Verbindung gebracht wird (HAdV-41), wurde in 79% der Fälle gefunden. Zusätzliche Koinfektionen mit Epstein-Barr-, Herpes- und Enteroviren wurden in 86% der Fälle nachgewiesen.

„Wir waren überrascht von der Tatsache, dass die Infektionen, die wir bei diesen Kindern feststellten, nicht durch ein ungewöhnliches, neu auftretendes Virus verursacht wurden, sondern durch häufige virale Erreger in der Kindheit“, sagt Dr. Charles Chiu, Direktor des UCSF-Labors für klinische Mikrobiologie und Hauptautor der Studie. „Das hat uns zu der Vermutung veranlasst, dass der Zeitpunkt des Ausbruchs wahrscheinlich mit der ungewöhnlichen Situation zusammenhängt, die wir …in Zusammenhang mit der Schließung von Schulen und Kindertagesstätten und sozialen Einschränkungen erlebt haben.“

Da AAV für sich genommen nicht als pathogen gelten, muss ein direkter kausaler Zusammenhang mit der schweren akuten Hepatitis noch nachgewiesen werden. In der Studie wird jedoch darauf hingewiesen, dass Kinder besonders anfällig für schwerere Hepatitis sein könnten, die durch Koinfektionen ausgelöst wird. Infektionen mit Adeno-assoziierten Viren können zwar in jedem Alter auftreten. Das Maximum liegt jedoch typischerweise zwischen dem 1. und 5. Lebensjahr. Besonders oft erkranken 3-Jährige. 

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