Guadalajara, Mexiko – Die US-Zulassungsbehörde FDA definiert die Statin-Intoleranz als „Unfähigkeit, mindestens 2 Statine in der niedrigsten zugelassenen Dosierung aufgrund von muskuloskelettalen Symptomen zu vertragen“, erklärte Dr. Francisco López-Jiménez, Kardiologe an der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, in seinem Vortrag auf dem Kardiologie-Kongress „Congreso Anual de Cardiología Internacional“ (CADECI) 2023 [] 1 ].
„Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse von 176 Kohortenstudien, klinischen Studien und Fallserien mit Daten von über 4 Millionen Patienten zeigte, dass etwa 9% der Personen, die mit Statinen behandelt werden, eine Statin-Intoleranz entwickeln“, sagte López-Jiménez.
Risikofaktoren für eine solche Statin-Intoleranz seien:
weibliches Geschlecht (47,9%),
Übergewicht (30,6%),
Schilddrüsenunterfunktion (37,6%),
Diabetes (26,6%),
die Einnahme von Antiarrhythmika (31,2%),
Alkoholkonsum (22%),
körperliche Inaktivität (23,2%),
chronische Lebererkrankungen (24,3%),
chronische Niereninsuffizienz (25,2%),
die Einnahme von Kalziumkanalblockern (35,5%) und
hochdosierte Statine (37,5%).
Faktoren, die mit einer Statin-Intoleranz nicht in Zusammenhang gebracht werden konnten, waren Rauchen, Bluthochdruck, die Dauer der Statintherapie, weiße oder lateinamerikanische Ethnie und die Einnahme von Warfarin.
López-Jiménez erinnerte daran, dass eine Unverträglichkeit von Statinen in der ersten Zeit nach ihrer Einführung noch nicht existierte. „Man wollte nicht sehen, dass Beschwerden des Bewegungsapparates auf Statine zurückgeführt werden konnten.“
Um diese Frage zu klären, wurde eine Studie durchgeführt, in der die Unverträglichkeit von Statinen in 2 Phasen derselben klinischen Studie verglichen wurde. Der erste Teil war eine Doppelblindphase, in der bei 2% der mit Statinen und Placebos behandelten Patienten Unverträglichkeiten oder muskuloskelettale Symptome auftraten. Die 2. Phase war ein Open-Label-Setting.
Nocebo-Effekt verantwortlich für Symptome?
Personen, die mit Statinen behandelt wurden, „hatten ein um 40% höheres Risiko für Symptome gegenüber denjenigen, die ein Placebo einnahmen. Das weist auf den sogenannten Nocebo-Effekt als Gegenteil des Placebo-Effektes hin, bei dem der Patient glaubt und davon überzeugt ist, dass eine Behandlung ihm schadet, sodass er die schädlichen Symptome verspürt, auch wenn das Medikament nichts bewirkt“, erklärte López-Jiménez.
Er wies darauf hin, dass die wichtigste Studie zum Nachweis der Statin-Intoleranz die in der Fachzeitschrift Circulation veröffentlichte STOMP-Studie sei (Effect of Statins on Skeletal Muscle Function and Performance).
„Dabei handelte es sich um eine klinische Doppelblindstudie mit Atorvastatin 80 mg im Vergleich zu Placebo, die speziell darauf ausgerichtet war, den Unterschied bei Muskelsymptomen, Muskelkraft und körperlicher Leistungsfähigkeit zu bewerten“, sagte López-Jiménez. Er wies darauf hin, dass in der Studie mit nur 420 Patienten und einer Nachbeobachtungszeit von 6 Monaten 9% der Personen, die Atorvastatin einnahmen, gegenüber 4%, die ein Placebo einnahmen, eine Statin-Unverträglichkeit aufgrund von muskuloskelettalen Symptomen aufwiesen.
In der GAUSS-3-Studie gab es bei allen Teilnehmenden eine Vorgeschichte für eine Statin-Intoleranz. Muskelschmerzen traten bei den Personen aus der Atorvastatin-Gruppe häufiger auf als in der Placebo-Gruppe. „Allerdings entwickelten etwa 60% derjenigen, die ein Placebo einnahmen, eine Unverträglichkeit.“
Um schließlich das Auftreten einer Intoleranz zu bestätigen und den Anteil der Patienten auszumachen, wurde eine Metaanalyse mit den Daten von 123.000 Personen aus kontrollierten klinischen Studien durchgeführt, in denen Statine mit Placebos oder hohe mit niedrigen Dosen verglichen worden waren.
„Sie stellten dabei fest, dass 27% der Teilnehmenden nach 4 Jahren eine Unverträglichkeit entwickelten, wobei der absolute Unterschied zwischen den Personen aus der Statin- und der Placebo-Gruppe nur 1 Fall pro 1000 Patientenjahre betrug. Praktisch bedeutet das, dass nur einer von 15 Fällen, in denen über Beschwerden des Bewegungsapparates berichtet wurde, tatsächlich auf Statine zurückzuführen war“, so López-Jiménez.
Statin-Intoleranz diagnostizieren und Risiko bewerten
Als praktische Empfehlungen für die Diagnose einer Statin-Intoleranz nannte er die Bestimmung des CK-Wertes und die Abschätzung der Wahrscheinlichkeit, mit der die Symptome auf Statine zurückgeführt werden können, anhand von Kausalitätsregeln.
Treten die Symptome erst 5 Jahre nach der Einnahme von Statinen auf, ist eine Intoleranz unwahrscheinlich, „denn eine wirkliche Intoleranz beginnt normalerweise in den ersten Wochen, vielleicht sogar erst nach ein oder 2 Monaten. Wenn die Symptome am selben Tag auftreten, an dem das Statin eingenommen wurde, liegt mit Sicherheit keine Intoleranz vor“, sagte er.
Was den Umgang mit Patienten betrifft, die Anzeichen für eine Statin-Intoleranz zeigen, empfahl López-Jiménez, „sich zu fragen, ob das Medikament wirklich notwendig ist. In den meisten Fällen wird die Antwort positiv ausfallen, in manchen aber nicht. In der Primärprävention sollte der Koronar-Kalzium-Score nicht nur eingesetzt werden, um Risikopatienten zu identifizieren. Man kann ihn auch in dem Sinn nutzen, dass Personen mit mittlerem bis hohem Risiko ohne koronare Kalziumablagerungen in ihrer Risikobewertung herabgestuft werden und wahrscheinlich keine Statine mehr benötigen“.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Bewertung der Risikowahrnehmung. „Wenn wir den Menschen sagen, dass das Risiko eines schwerwiegenden Ereignisses, Todesfalls, Krankenhausaufenthalts oder einer schwerwiegenden Komplikation unter Statinen bei unter 1 zu 3 Millionen liegt, fürchten sie sich möglicherweise vor dem seltenen Ereignis und konzentrieren sich nicht auf das Risiko des tatsächlichen Ereignisses. Wir müssen daher deutlich machen, dass ihr Risiko, wenn sie kein Statin einnehmen, viel höher ist, vor allem bei Personen mit koronarer Herzkrankheit“, sagte er.
López-Jiménez empfahl außerdem, dass Patienten, die mit der Einnahme von Statinen beginnen oder die Dosis verändern, mit körperlicher Aktivität nicht genau zu dem Zeitpunkt beginnen oder diese erhöhen sollten, zu dem sie die Statine einnehmen. „Wenn jemand die Praxis mit einem Statin-Rezept verlässt und motiviert ist, Sport zu treiben, ist es unvermeidlich, dass seine Muskeln schmerzen, und er wird dies nicht auf die begonnene Steigerung seiner Aktivitäten schieben, sondern den Statinen anlasten“, schloss er.
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Credits:
Photographer: © Panuwat Dangsungnoen
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Diesen Artikel so zitieren: Muskelkater oder Statin-Intoleranz? Metaanalyse über Prävalenz und welche Patienten häufiger eine Unverträglichkeit haben - Medscape - 30. Mär 2023.
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