Kliniken und Praxen müssen die Arbeitszeiten ihrer Angestellten aufzeichnen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Herbst. Nun ist auch klar, welche Vorgaben die Juristen den Arbeitgebern konkret machen – und welche nicht. Dr. jur. Florian Hölzel, Fachanwalt für Medizinrecht, erklärt die Möglichkeiten.

Dr. jur. Florian Hölzel
Als das Zeiterfassungsurteil des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 13. September 2022, Az. 1 ABR 22/21) gefasst wurde, schlug die veröffentlichte Pressemeldung hohe Wellen – zu Recht. Erstmals leitete das höchste deutsche Arbeitsgericht aus Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes eine Pflicht der Arbeitgeber zur Zeiterfassung ab. Rund 83% der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte auf coliquio gaben in einer Blitz-Umfrage dazu an, dass es in ihrer Praxis kein Zeiterfassungssystem gebe.
Aus für Vertrauensarbeitszeit verschoben
Nachdem vielfach zunächst das Aus der Vertrauensarbeitszeit und neue bürokratische Hürden für Arbeitgeber beklagt wurden, relativierte die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, Inken Gallner, bei der Vorlage des BAG-Jahresberichts die Folgen für die arbeitsvertragliche Praxis.
Lediglich das „Ob“ der Zeiterfassung, also die Pflicht der Arbeitgeber, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter systematisch zu erfassen, sei durch das Bundesarbeitsgericht festgestellt worden. Das „Wie“ läge nun „in den gestaltenden Händen des Gesetzgebers“.
Ausnahmen gelten auch für angestellte Chefärzte
Tatsächlich sind flexible Arbeitszeitmodelle weiterhin denkbar, soweit die gesetzlich vorgesehene 11-stündige Ruhezeit eingehalten wird. Um dies überprüfbar zu dokumentieren, muss die Arbeitszeit jedoch erfasst und aufgezeichnet werden (BAG aaO. Rz. 26).
Ausnahmen sieht das Gericht lediglich für die Konstellationen, in denen der Gesetzgeber bereits heute von einer Geltung der Arbeitszeitvorschriften weitestgehend absieht. Dies betrifft insbesondere Arbeitnehmer, bei denen die „Dauer ihrer Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht bemessen und/oder vorherbestimmt ist oder von den Arbeitnehmern selbst bestimmt werden kann“ (BAG aaO. Rz. 59). Betroffen sind sämtliche in den §§ 18 bis 21 ArbZG aufgeführten Arbeitnehmergruppen, insbesondere leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG und Chefärzte.
Viel Gestaltungsspielraum für die Art der Zeiterfassung
Solange der Gesetzgeber seinen Regelungsspielraum über das „Wie“ einer Zeiterfassung nicht ausgeschöpft hat, bleibt es den Betriebspartnern bzw. in betriebsratslosen Betrieben dem Arbeitgeber überlassen, in welcher Art und Weise er die Pflicht zur Zeiterfassung umsetzt.
Hierbei räumt das Bundesarbeitsgericht den Arbeitgebern grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten ein. Neben der naheliegenden, jedoch keineswegs zwingenden Erfassung der Arbeitszeit in elektronischer Form kann auch – ganz analog – weiterhin auf Papier und Stift zurückgegriffen werden.
Letztlich stellt die Pflicht zur Zeiterfassung nur eine weitere, den Ärztinnen und Ärzten durchaus bekannte und praktizierte Form der Dokumentation dar. Und die im Rahmen der Patientenbehandlung geltenden Maßstäbe, insbesondere in Bezug auf Revisionssicherheit und Vollständigkeit, lassen sich auf die Zeiterfassung übertragen.
Dieser Artikel ist im Original am 14. März 2023 erschienen auf Coliquio.de.
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Diesen Artikel so zitieren: Erfassen Sie schon die Arbeitszeit? Bundesarbeitsgericht präzisiert nun, was zu tun ist – für Angestellte und Arbeitgeber - Medscape - 29. Mär 2023.
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