Pflegeversicherung: PKV-Verband proklamiert Ende des Generationenvertrags – was bringen kapitalgedeckte Modelle?

Christian Beneker

Interessenkonflikte

29. März 2023

Der Verband der privaten Krankenversicherer (PKV-Verband) hat ein düsteres Szenario zur künftigen Pflegefinanzierung gezeichnet und zugleich die kapitalgedeckten Versicherungen als Lösung angepriesen.

Im Jahr 2070 werde es durch das Altern der Baby-Boomer-Generation nach den PKV-Projektionen 6,6 Millionen Pflegebedürftige im Land geben, denn immerhin 30% eines Jahrgangs würden im Alter Pflege benötigen, so der Verband. „Das sind bemerkenswerte Zahlen“, kommentierte Dr. Frank Wild vom wissenschaftlichen Institut der PKV (WIP), das die entsprechende Studie erstellt hat.

Allerdings sei bei der Pflegeversicherung noch nicht aller Tage Abend, erklärte der Direktor des PKV-Verbandes, Dr. Florian Reuther: „Wir brauchen mehr Kapitaldeckung in der Finanzierung von Pflege.“ Hintergrund der PKV-Studie ist das neue Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG), dessen Referentenentwurf Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) jetzt vorgelegt hat. Danach sollen unter anderem die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen.

 
Wir brauchen mehr Kapitaldeckung in der Finanzierung von Pflege. Dr. Florian Reuther
 

46 Milliarden Euro Defizit in 2029?

Die Pflegeform des Bundesgesundheitsministers verschärfe die Probleme der sozialen Pflegeversicherung, statt sie zu lösen, kritisierte Reuter. Bereits in der laufenden Wahlperiode bis 2025 werde in der Pflegeversicherung ein Defizit von 7 Milliarden Euro auflaufen. In der nächsten Wahlperiode von 2026 bis 2029 werde dieses Defizit bereits mehr als 46 Milliarden Euro betragen.

Regelmäßig würden die Ausgaben stärker als die Einnahmen steigen, betonen die Studienautoren. In den letzten 20 Jahren betrug die Schere 4 Prozentpunkte. Wenn es bei diesem Verlauf bleibe, würde der Beitragssatz 2030 bei 6,3 Prozent liegen. Selbst wenn die Ausgaben um nur 2 Prozentpunkte mehr wachsen würden als die Einnahmen, würde der Beitragssatz 2030 auf 4,6% steigen. Die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach geplanten Leistungsausweitungen des aktuellen Reformentwurfs kämen da noch obendrauf, so der Verband. Für neue Leistungsversprechen fehle aber schlicht das Geld, hieß es. 

Zusätzlich werde die gesetzliche Renten- und Krankenversicherung durch die Baby-Boomer unter Druck geraten, prognostizieren die PKV-Experten. Die zentrale Frage: Wie kann man diese Schere schließen? 2022 floss eine Milliarde Euro Steuergeld in die Pflegeversicherung. Aus Sicht der PKV kein solider Eingriff, weil die Probleme durch die Geldspritze nur kurzfristig abgemildert würden, heißt es in der Studie.

Der PKV-Verband fordert verbindliche Maßnahmen

Am Schluss liege die Verantwortung für die Leistungen der Pflegeversicherung auch beim Beitragszahler selbst, heißt es in der Studie. Die kapitalgedeckte Pflegeversicherung sei das Mittel der Wahl und die Alternative zum Umlagesystem. Das politische Narrativ des „Wir kümmern uns“ müsse aufgebrochen werden zu Gunsten individueller Vorsorge, fordert die PKV. „Da gibt es Instrumente, die heute schon da sind“, sagte Reuther. Gemeint ist die betriebliche oder persönliche Pflegezusatzversicherung.

Das Bundeskabinett will am Mittwoch das Pflegereformgesetz beraten. Es soll bis Ende Mai fix und fertig vorliegen. Es sieht unter anderem vor, „den Beitragssatz zum 1. Juli 2023 moderat um 0,35 Prozentpunkte“ anzuheben, so der Entwurf. Auch einige Versicherungsleistungen werden angehoben, so soll zum Bespiel das Pflegegeld zum 1. Januar 2024 um 5 % steigen. Es wird ab Pflegegrad 2 (derzeit ab einer Höhe von 316 Euro) an pflegende Angehörige ausgezahlt. Auch sollen die Eigenanteile für die Bewohner vollstationärer Pflegeheime um 5 bis 10 Prozentpunkte zu Lasten der Pflegeversicherung sinken. Steuerzuschüsse zur Pflegeversicherung dagegen sieht der Entwurf nicht vor. Zudem sollen Versicherte mit Kindern begünstigt werden (das Bundesverfassungsgericht hatte vor einem Jahr eine entsprechende Regelung gefordert), indem der Zuschlag für Kinderlose von 0,25 auf 0,6 Beitragssatzpunkte steigen soll und der Abschlag für Versicherte mit 2 bis 5 Kindern auf 0,25 Beitragssatzpunkte angehoben werden soll.

Einsparungen verspricht sich der Gesetzgeber einer Neuregelung für pflegerische Leiharbeiter. Zukünftig sollen sie von Pflegeheimen keine höheren Gehälter mehr beziehen dürfen als das Stammpersonal.

Für die Pflegeversicherung ergeben sich laut Gesetzentwurf „mittelfristig jährliche Mehrausgaben von rund 3 Milliarden Euro.“

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